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Diethild und Ansgar stehen schon um 5:00
Uhr auf, denn die beiden wollen auch noch den ca. 400 m hohen Male Hill
besteigen und das am besten, bevor es all zu heiß wird. Um 5:30 Uhr
brechen sie auf. Heike und ich stehen kurze Zeit später auf, kochen
uns in Ruhe Kaffee und Tee, „Frümeln“ gemütlich, packen dann
langsam alles zusammen und lesen noch ein bißchen.
Wir brauchen gar nicht sehr weit zu fahren, bis an der Straße die angekündigten weiß-blauen Schilder den Weg zum Sepopa Swamp Stop weisen.
Das Camp liegt wunderschön an einem der hier schon vielen Arme des Okavangos. Auch wenn wir hier noch immer mitten an der „Pan Handle“ sind, und es bis zum eigentlichen Delta noch ca. 150 km (?) sind, ist der Okavango hier schon mächtig in die Breite gegangen. In dieser Jahreszeit, in der hier fast der niedrigste Wasserstand erreicht ist, ist das Flußbett zwischen vier und fünf Kilometer breit. Wenn im Januar die großen Wassermassen aus Angola kommen, schwillt der Fluß auf eine Breite von bis zu 12 km an!
Übrigens braucht die Flutwelle von dem Moment, wo der Okavango die Grenze zwischen Namibia und Botswana passiert und die „Pan Handle“ des Deltas beginnt, bis nach Maun am südlichen Rand des Deltas, fast ein ganzes Jahr. Während der Fluß hier oben also absolutes Niedrigwasser führt, erreicht die Flutwelle des letzten Jahres gerade Maun.
Und noch etwas ist verblüffend: Das Okavango-Delta liegt auf einer Art tektonischen Bruchzone, die durch ihre immer noch fortdauernde Bewegung dafür sorgt, dass die Wassermassen in einem Jahr hauptsächlich den westlichen Teil des Deltas überfluten, während das Wasser im nächsten Jahr möglicherweise zum Großteil in die östlichen Kapillare des Deltas fließt.
Das ist auch der Grund, warum der riesige Lake Ngami – ganz am südwestlichen Ende des Deltas – zum Beispiel in diesem Jahr vollständig trocken geblieben ist.
Wir melden uns im Swamp Stop an der Rezeption
und finden einen netten Campingplatz. Es ist noch nicht mal 12:00 Uhr,
aber wir haben trotzdem schon Hunger und machen also erst mal Mittagspause.
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Mit Phil und Richard, den beiden netten Engländern, die das Camp hier betreiben, haben wir vereinbart, dass wir um 15:00 Uhr eine ca. 3-stündige Fahrt durch das Delta machen wollen. Bis dahin ist aber noch eine Weile Zeit.
Heike, Ansgar und Diethild nutzen erst mal
die Dusche, ich habe keine Lust, jetzt zu duschen, viel mehr habe ich Lust
mal wieder nett englisch zu sprechen – also setze ich mich zu Phil und
Richard an die Bar, trinke ein kühles Bierchen und lasse mir alles
mögliche über Botswana und das Okavango Delta erzählen.
Phil hat heute Geburtstag und alle sind
noch leicht geplättet, weil sie gestern abend reingefeiert haben.
Phil ist in England geboren, hat aber im Prinzip sein ganzes Leben hier
in Botswana verbracht. Dabei hat er unter anderem auch schon jede Menge
Begegnungen mit wilden Tieren überlebt.
Er zeigt mit Karten vom Delta und erzählt all das, was ich vorhin schon aufgeschrieben habe.
Und dann erzählt er mir und Ansgar, der inzwischen auch an die Bar gekommen ist, auch die traurige Seite von Botswana im Jahre 2002: Es wird geschätzt, dass bis zu 47 % der Bevölkerung des ohnehin schon zu den dünn besiedeltsten Ländern der Erde gehörenden Botswanas HIV-positiv, bzw. bereits an AIDS erkrankt sind.
Vor allem die farbige Bevölkerung ist davon betroffen, da sie sich die meisten aus traditionellen Gründen weigern, Kondome zu benutzen. Selbst das kostenlose Verteilen von Kondomen an „jeder Straßenecke“ scheint kaum etwas zu bringen. Und selbst wenn ein Afrikaner sich dazu „herabläßt“ doch ein Kondom zu benutzen, tut er es vermutlich nur in den ersten 2 – 3 Monaten einer Beziehung – so lange, bis er glaubt, die Beziehung sei dauerhaft. Die Beziehung hält dann vielleicht ein halbes Jahr oder auch ein ganzes Jahr, aber dann ist doch wieder Schluß und bei der nächsten Frau wird ein Kondom dann wieder bestenfalls in den ersten paar Monaten benutzt. Da es aber mindestens sechs Monate dauert, bis HIV-Antikörper im Blut nachgewiesen werden können, reicht die Kondom-Zeit von 2 – 3 Monaten in keinem Fall aus.
Von der Frage, ob die neuen Partner überhaupt
einen AIDS-Test machen lassen, mal ganz zu schweigen...
Richard rückt noch mit einer zweiten
schockierenden Zahl heraus: Von den 15 Angestellten, die hier im Swamp
Camp arbeiten, sind allein in diesem Jahr sechs Mitarbeiter an AIDS gestorben,
bei drei weiteren ist die Krankheit bereits ausgebrochen.
Die Bevölkerung Botswanas hat sich in den letzten Jahren durch AIDS schon von ca. 1,4 Millionen auf ca. 1,1 Millionen reduziert...
Alles ziemlich traurig und wenn sich im Bewußtsein der Bevölkerung nicht ganz schnell etwas ändert, sieht es für die Zukunft dieses- und vieler anderer afrikanischer Länder düster aus...
Als es 15:00 Uhr ist, kommen auch Heike und
Diethild an die Bar und der Bootstrip, der uns 250 Pula (ca. € 50,-)
kostet, kann beginnen.
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Wir fahren mit einem flachen Aluminiumboot
mit einem ziemlich starken Motor. Unser schwarzer Bootsmann („farbig“ sagt
man hier eigentlich nur zu den „Coloured People“ – den Mischlingen) gibt
ordentlich Gar und wir brausen los.
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Die Fahrt geht auf dem sich in wilden Biegungen
dahin schlängelnden Hauptarm des Okavangos entlang. Rechts und links
am Ufer bilden Schilf und eine Art Zyperngras eine 4 – 5 m hohe grüne
Wand. An keiner einzigen Stelle kann man über diese Wand hinweggucken.
In vielen Biegungen hat die teilweise starke Strömung kleine Sandbänke
angespült, auf denen Krokodile liegen und auf Beute lauern.
Und dann sehen wir auch unser erstes Hippopopamus. Unweit vor uns streckt es am linken Flußufer den Kopf aus den Okavango-Fluten. Unser Fahrer drosselt den Motor und steuert das gegenüberliegende, rechte Flußufer an. Aus sicherer Entfernung wollen wir warten, bis das Flußpferd das nächste Mal den Kopf zum Luftholen aus dem Wasser streckt.
Plötzlich aber wird unser Boot von unten
von einem gewaltigen, harten Schlag getroffen. Hätte zu diesem Zeitpunkt
einer von uns im Boot gestanden, hätte die Wucht des Schlages ausgereicht,
ihn aus der Balance zu bringen! Ganz offensichtlich haben wir unser Boot
direkt über einem zweiten Flußpferd geparkt, das sich durch
unsere Anwesenheit mordsmäßig gestört führt. Und Flußpferde
reagieren auf solche Störungen durchaus nicht zimperlich, sondern
gehen ohne Vorwarnung zum Angriff über und schlagen ihre gewaltigen
Zähne in den vermeintlichen Gegner. Nicht umsonst sind Flußpferde
in Afrika für die meisten tödlichen Unfälle mit Tieren verantwortlich...
Eine zweite Chance zum Angriff wollen wir
dem Hippo auf keinen Fall geben, also sehen wir zu, dass wir
hier weg kommen!
Durch einige Neben-, Seiten- oder Zwischen-Arme
des Okavangos fahren wir auf den anderen der beiden Hauptarme, den Philippa
Channel. Landschaftlich verändert sich dadurch aber nicht viel.
Wir sehen weitere Flußpferde, halten
jetzt aber gebührenden und respektvollen Abstand. An einer Stelle
sehen wir gleich 4 oder 5 Hippos auf ein mal, die alle wunderschön
ihre Köpfe aus dem Wasser strecken und sich – im Gegensatz zu den
zickigen Krokodilen – auch fotografieren lassen.
Landschaftlich sind wir die kompletten drei Stunden, die die Fahrt dauert, von sattem grünen Schilf und Zyperngras umgeben. Ab und an zeigen ein paar hohe Bäume und Palmen die Existenz von kleinen Inseln an.
Im Schilfgürtel sind immer mal wieder kleine Trampelpfade, die ins Wasser münden, zu erkennen. Vermutlich sind das die Stellen, an denen die Flußpferde nachts zum Grasen an Land gehen.
Noch einmal haben wir eine ziemlich nahe Begegnung mit einem Flußpferd, das vor uns ins tiefe Wasser flüchtet, dabei aber nicht so schnell voran kommt, wie es sich das wohl wünschen würde. Wir sehen es durchs flache Uferwasser stolpern, bevor es dann mit einem großen Platsch direkt vor uns untertaucht. Nach den Erfahrungen von vorhin sehen wir zu, dass wir hier wegkommen!
Nach knapp drei Stunden legen wir wieder
am Swamp Stop an und unser Bootsmann zeigt uns die beeindruckenden Bißspuren,
die das Flußpferd an unserem Boot hinterlassen hat; an der Unterseite
des Boots läßt sich eine deutliche Beule erfühlen!
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Wir sind alle hungrig und stürzen uns schnell aufs Essenmachen. Es gibt Süßkartoffelmussuppe mit scharfem Senf und zum Nachtisch Dosenpfirsiche.
Heike und Ansgar sind nach dem Essen, obwohl es erst um und bei 20:00 Uhr ist, so müde, dass sie sich gleich hinlegen. Diethild und ich gehen noch einmal an die Bar – ich finde Phil und Richard einfach super nett und sympathisch und habe Lust, mich noch eine Weile mit ihnen zu unterhalten.
Zunächst unterhalten Diethild und ich uns aber mit Lilian. Lilian ist auch Gast im Swamp Stop. Sie ist schwarz und kommt aus Shakawe, wo sie Farmerin ist! Also nicht die Frau eines Farmers, sondern wirklich selbst Farmerin! Sie spricht fließend und fast akzentfrei Englisch und macht überhaupt einen überaus gebildeten Eindruck. Heute Nachmittag, als es um das Thema HIV und AIDS ging, hatte ich mich auch schon kurz mit ihr unterhalten und sie hatte mir erzählt, dass sie zumindest bei sich im Dorf versucht, den Leuten die AIDS-Problematik begreiflich zu machen und sie zu entsprechendem Handeln zu bewegen.
Jetzt erzählt sie uns, dass sie Gemüse anbaut – in erster Linie Tomaten, grüne Paprika und einige Kräuter. Für die Zukunft plant sie aber auch, Gewächshäuser zu bauen um noch andere Gemüsesorten anbauen zu können.
Anfänglich hatte sie schon einige Schwierigkeiten, sich bei ihren männlichen Kollegen und Angestellten durchzusetzen, inzwischen würde das aber ganz gut funktionieren.
Danach unterhalte ich mich noch lange mit Richard und wir erzählen uns gegenseitig Geschichten aus der großen weiten Welt!
Phil erzählt noch von einem Projekt, das er von seinem anderen Camp in Maun (am Südrand des Deltas) aus leitet: Jedes Jahr werden 4 – 5 Gruppen von jeweils ca. 30 AIDS-Waisenkindern eingeladen, ein oder zwei Tage in dem Camp zu verbringen. In diesen Tagen werden Ausflüge gemacht, den Kindern wird die Umgebung gezeigt und sie werden über die Traditionen ihres Volkes belehrt. Das mag vielleicht nur ein Tropfen auf den heißen Stein sein, aber vielleicht gibt es zumindest einigen der Kinder ein wenig Perspektive. Und Perspektive ist das beste und wichtigste, das man ihnen geben kann.
In Namibia richtet sich das nationale AIDS-Hilfsprogramm daher auch in erster Linie an die an AIDS erkrankten Mütter. Sie bekommen Medikamente, die den Ausbruch der Krankheit zu verzögern helfen, damit so sichergestellt ist, dass ihre Kinder nicht zu Waisen werden und dann praktisch überhaupt keine Perspektive mehr haben.
Erst um ca. 11:00 Uhr gehe auch ich schlafen.
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