Dienstag, 5. November 2002
Weil ich in der Nacht durch den kalten Wind und meinen zu dünnen Schlafsack schon wieder ziemlich arg gefroren habe, bin ich nicht böse darüber, dass der Tag für uns früh anfängt, weil Ansgar schon um 6:30 Uhr eine Mitfahrgelegenheit mit Elke Zwar nach Windhoek hat. Dort wird er Diethild vom Flughafen abholen, gucken, ob er mein Gepäck irgendwo auftreiben kann und noch ein paar Kleinigkeiten erledigen.
Gegen Nachmittag werden auch Heike und ich dann nach Windhoek kommen.

Vorher wollen wir aber noch die  Farm Eindelijk und ihre Pfannen und Brunnen unter die Lupe nehmen. Heike ist auch hier mit dem Farmer verabredet.

Das morgendliche Bepacken des Autos klappt noch nicht so reibungslos und uns wird klar, dass wir alle noch ein bißchen üben müssen, wenn das die nächsten drei Wochen streßfrei über die Bühne gehen soll...
Zusammen mit den Zwars und Ansgar brechen auch Heike und ich auf. Zunächst geht es noch einmal nach Etemba, wo der Farmer noch zwei Wasserproben für uns entnommen hat. Dann geht’s quer über seine Farm und durch den „Hinterausgang“ raus Richtung Endelijk (der Afrikaanse Ausdruck für „endlich“).
Der Farmer – Meneer Jan-Baas Cocklin – erwartet uns schon. Wir werden ins Haus gebeten und bekommen von Mefrouw Janet Cocklin einen Kaffee gekocht, während Heike ihren Tagesplan, bzw. den Plan für das, was sie auf der Farm machen will, vorträgt.

Der Farmer scheint es nicht besonders eilig zu haben. Im Gegenteil: Er überlegt zusammen mit uns, wie wir den Tag am besten gestalten sollen. Offensichtlich hat er vor, uns den ganzen Tag zu begleiten! Das wäre natürlich fein, weil es garantiert eine ganze Menge Sucherei und Verfahren auf der Farm erspart.
Bevor es losgeht will uns der Farmer noch die eine Pfanne zeigen, die direkt am Haus liegt. „Da können wir zu Fuß hingehen,“ sagt er, was uns schon eine Runde wundert: In Namibia – und erst recht auf einer Farm – geht doch kein Mensch zu Fuß – erst recht kein Farmer! Auch wundert uns, dass er ein reinrassiges, gepflegtes Dackelpaar dabei hat und ihnen Stöckchen wirft. Bis jetzt haben wir nur Farmer kennen gelernt, die Hunde hatten, weil die Hunde einfach da waren oder weil es zu einer Farm einfach dazu gehört, zwei bis sechs schwarze Mischlingshunde zu haben.

Dieser Farmer hier scheint anders zu sein. Er ist auch lange nicht so grummelig, wie zumindest der Ruf der meisten Namibischen Farmer. Außerdem trägt er einen Bart – auch das ist ungewöhnlich.

Der Fußweg zur Pfanne „am Haus“ ist verblüffend weit. Wohl fast einen Kilometer laufen wir durch dorniges Gestrüpp, bevor wir am Rand der (trockenen) Pfanne ankommen. „Bis in die 20er-Jahre sprudelte hier sogar noch eine Quelle,“ weiß der Farmer zu erzählen, „danach lief sie nur noch in extrem regenreichen Jahren; seit 1974 ist die Quelle endgültig versiegt.“

Überhaupt weiß auch dieser Farmer – ähnlich wie der Farmer von Etemba – erstaunlich gut über die wissenschaftlichen Zusammenhänge des Grundwassers Bescheid. Zwar sind es meist aus Heikes Sicht nur recht rudimentäre Grundkenntnisse, aber immerhin merkt man, dass die Menschen hier sich offensichtlich über das, was sie hier tun und was sich hier tut, ihre Gedanken machen und versuchen, ihre Farm zumindest teilweise im Einklang mit den Gegebenheiten der Natur zu bewirtschaften. So kommt zum Beispiel auch die Stromversorgung dieser Farm komplett über eine Solaranlage.

Nach der Pfannenbesichtigung nehmen wir am Brunnen am Haus noch eine Wasserprobe, dann geht’s los.
In der Tat: „Ich würde vorschlagen, dass wir mit meinem Auto fahren,“ sagt er, als wir das Farmhaus verlassen, „vorausgesetzt, es ist OK, wenn eine von Euch hinten auf der Pritsche mitfährt – vorne im Auto ist nicht genug Platz?!“ – Das ist überhaupt kein Problem! Wir laden ein paar „Forschungsdinge“, die Heike den Tag über brauchen wird, um und steigen ein, bzw. auf. Einer der farbigen Farmarbeiter kommt auch noch mit.

Nacheinander fährt uns der Farmer zu den verschiedenen Brunnen und Pfannen seiner Farm. An einer fast bilderbuchmäßig aussehenden Pfanne (innen eingetrockneter Schlamm, darum ein Vegetationskranz aus Gras, dann erst der weiß-sandige Pfannenrand) setzen wir den Farmarbeiter ab. Er bekommt den nicht wirklich beneidenswerten Auftrag, für Heike ein 1 x 1 x 1 m großes Loch auszuheben...

In der Zwischenzeit setzen wir unsere „Rundreise“ kreuz und quer über die Farm fort. Nur gut, dass wir den äußerst ortskundigen Farmer dabei haben – ohne ihn hätten wir viele der Pfannen niemals gefunden.
Auf der Pritsche sitzend bekomme ich von dem, was der Farmer Heike unterwegs alles erzählt natürlich leider nicht besonders viel mit. Ich bin sicher, dass er ihr viele interessante Dinge über die Farm erzählt hat. Ich erfahre nur, dass die Außengrenze der Farm ganze 34 km mißt – und Endelijk ist noch nicht mal eine sehr große Farm! – und dass er wohl mehrere hundert Kilometer Zäune auf der Farm verbaut hat.
Als vernünftiger Farmer hält Herr Cocklin nur so viel Vieh, wie er auch in einem schlechten Jahr satt bekommen kann.

Erst ganz am Ende der ca. vier Stunden dauernden Rundfahrt – länger hätte ich es auf der Pritsche auch kaum ausgehalten, denn die Sonne brennt mir doch ganz gehörig auf den Pelz! – fahren wir zurück zu der Pfanne, an der der Arbeiter das Loch ausheben sollte. Wir sind beeindruckt: Vor uns klafft ein 1 x 1 x 1 m großes und tiefes Loch mit perfekt abgestochenen Seitenrändern! Hier hat Heike überhaupt keine Schwierigkeiten, die vorgeschriebenen Proben abzustechen und einzutüten. Der Boden hier ist aber auch viel weicher, als in dem Loch, das Ansgar und ich gestern zu buddeln versucht haben!

Danach fahren wir zurück auf die Farm. Netterweise werden wir zum Essen eingeladen! In dem äußerst konsequent weiß – beige – schwarz eingerichteten Wohnzimmer gibt es Lamm (mit viel Knochen und Knorpel...), Reis, Kartoffeln, griechischen Bauernsalat und Backobst – eine äußerst willkommene Stärkung!

Eigentlich würde uns der Farmer auch nach dem Essen gerne noch eine Weile da behalten, aber uns drängt die Zeit – immerhin wollen wir heute noch bis nach Windhoek zurück fahren. Also bedanken wir uns für die freundliche Aufnahme und Unterstützung und fahren los.

Die Fahrt verläuft völlig problemlos. In Hochfeld macht Heike einen Tankstop und kauft mir eine typisch Namibisch türkise Limonade, die ganz gruselig schmeckt, dann geht’s gleich weiter.

Gegen 17:30 Uhr kommen wir in Windhoek an. Wir können alle bei Katharina und ihren beiden Kindern Marlon und Tamina, wo Heike für ihre Zeit in Namibia (August bis Dezember) ein Zimmer gemietet hat, wohnen. Genialerweise wartet dort auch schon mein komplettes Gepäck auf mich! Diethild scheint auch schon hier gewesen zu sein – darauf läßt zumindest der unglaubliche Gepäckberg in einer Ecke von Heikes Zimmer schließen – aber von ihr und Ansgar fehlt noch jede Spur.

Also dusche ich erst mal, wasche meine Haare und packe die Sachen, die mir Heike Rupperts Schwiegermutter für ihre Enkelkinder mitgegeben hat, aus.

Dann kommen Ansgar und Diethild. Wir teilen uns auf: Ansgar und ich übernehmen das möglichst sinnvolle und platzsparende Bepacken des Autos. Der Datsun Safari hat einen Dachgepäckträger, was ein großes Glück ist, denn ohne den würden wir mit der Menge Gepäck, die wir haben – immerhin müssen für vier Leute und drei Wochen eine „Komplettversorgung“ mitnehmen – relativ alt aussehen. Heikes Totalisatoren können dort Platz finden, die Stretcher und die vier Campingstühle auch und natürlich eines unserer beiden Reserveräder und die fünf 20 Liter Reservekanister, die wir mitnehmen werden. Das Auto hat nämlich nur einen einzigen 80 Liter Tank, mit dem wir nie im Leben auskommen werden. Daher die 100 Liter Reservebenzin. In Namibia gilt außerdem, dass man nie – egal, wo hin man fährt – ohne mindestens 20 Liter Reservebenzin unterwegs ist. Genauso gilt, dass man immer mindestens zwei Ersatzreifen dabei haben sollte, denn durch die Schotterstraßen und den tagsüber glühend heiß werdenden Asphalt sind geplatzte Reifen fast schon an der Tagesordnung.

Das Ansgar und ich das Autopacken übernehmen, hatte sich ja schon vor zwei Jahren bewährt. Es macht einfach Sinn, wenn das Auto immer von den gleichen Leuten gleich eingepackt wird – das garantiert, dass man immer weiß, wo alles ist und dass nach ein paar Tagen auch jeder Handgriff sitzt, und das Auto innerhalb von Minuten startklar gemacht werden kann. Man weiß ja nie, wie schnell man mal irgendwo weg muß...

Heike hat in diesen ersten Tagen noch ein wenig Schwierigkeiten „loszulassen“. Sie hat sich die ganzen letzten Wochen um die Vorbereitung der Reise gekümmert, hat alles, was wir brauchen werden organisiert und eingekauft und kommt aus ihrer Haut „für alles verantwortlich sein zu müssen“ noch nicht so ganz raus. (Vermutlich spielen ihr aber auch hierbei ihre Hormone wieder einen Streich.) Aber schließlich meint sie doch, dass Ansgar und ich gute und verläßliche Autopacker sind, und dass sie sich darum einfach nicht weiter kümmern sollte.

Morgen werden wir allerdings noch ein paar anständige Verzurrgurte kaufen müssen – ohne die wird das schnelle und täglich Packen einfach lästig und mühsam.
Heike und Diethild kaufen währenddessen ein und bereiten e
inen griechischen Salat vor. Der Salat wird super lecker und zusammen mit Katharina und ihrem Ex-Mann essen wir gemütlich zu abend. Danach puzzelt jeder noch ein bißchen rum, bevor wir relativ früh ins Bett gehen.
 
 

Mittwoch, 6. November 2002
Noch vor 6:00 Uhr weckt Heike uns alle. Die Nacht habe ich endlich mal nicht gefroren! Statt dessen haben im ganzen Haus wie wild die Türen geklappert – auch in Windhoek ist es in diesen Tagen extrem windig, wie der Name der Stadt – Windhoek = die windige Ecke – schon sagt!

Wir haben relativ gemütlich Zeit zu frühstücken. Gegen 7:30 Uhr fahren wir dann los Richtung Norden. In Okahandja kaufen Ansgar und Diethild noch eine Ladung Biltong (Dörrfleisch), das sie aber nicht öffnen dürfen, bis sie in Grootfontein eine Tupperdose gekauft haben: Heike kann Biltong zur Zeit nicht riechen!

Dann geht’s weiter, immer noch Richtung Norden. Durch Otjiwarongo, wo wir noch mal kurz den Tank auffüllen weiter über Otavi Richtung Grootfontein. Vor Grootfontein biegen wir nach links ab. Ein Stück weit nördlich der Straße (B8) liegt der weltweit größte (bekannte) Meteorit, der Hoba Meteorit. Wir haben nicht viel Zeit, wollen aber trotzdem einen schnellen Blick auf den Meteorit werfen. Ein ca. 3 x 4 x 1,20 m großer, ca. 50 t schwerer zu 75 % aus Eisen bestehender Brocken, der vor ca. 80.000 Jahren auf die Erde gekracht ist. Ein Stein von der Größe von nur zwei nebeneinander stehenden Kleinwagen, der das Gewicht von ca. 50 Kleinwagen hat! Schon recht beeindruckend! Die Anlage ist für Namibische Verhältnisse ungewöhnlich touristisch angelegt, aber nett und beileibe nicht aufdringlich. Allerdings begegnen wir dort – das einzige Mal auf der ganzen Reise! – auch prompt einer ganzen Riesengruppe!
Auf dem Damenklo erschlägt ein Mitarbeiter eine Schlange, von der behauptet wird, dass es eine ziemlich giftige Ring(el)halskobra ist – von uns sieht sie allerdings keiner.
 
Der Meteorit...
... spiegelt sich in Ansgars Sonnenbrille

On we go to Grootfontein. Hier werden letzte Besorgungen getätigt: Steaks und Salat zum Abendessen und Kekse für Heike. In einem überraschend schnell gefundenen Baumarkt, dessen in-Store-Radio Chris de Burgh spielt, finden wir Seile und zwei kräftige Verzurrgurte für die Dachgepäckträgerladung. Erstaunlich: Auch hier – weit entfernt von Windhoek und mitten in Namibia kann man ohne weiteres in einen Baumarkt gehen und auf Deutsch (!) nach einem Verzurrgurt fragen! Noch einmal tanzen wir und befüllen jetzt auch die fünf Kanister, denn so bald werden wir nicht wieder an einer Tankmöglichkeit vorbei kommen. Bis alles ordentlich verstaut ist, vergeht eine ganze Weile.

Gegen 14:30 Uhr fahren wir weiter. Heike ist um 15:00 Uhr auf der Farm Kokasib (an der Straße von Grootfontein nach Rundu) mit dem Farmer Herrn Siegmund verabredet. Das ist einer der Farmer, bei dem wir auch vor zwei Jahren schon waren. Er war mir damals als extrem wortkarg und irgendwie sonderbar in Erinnerung geblieben. Heute kommt er mir überhaupt nicht so vor. Im Gegenteil: Für einen Namibischen Farmer ist er sogar fast lustig und humorvoll!
 
Die Farm Kokasib...
... und einer ihrer süßen Welpen!

Außerdem ist er extrem hilfsbereit. Wir dürfen bei ihm einen Totalisator aufstellen, er wird für Heike alle Regenproben des kommendes Jahres sammeln und er bietet sogar an, monatlich Wasserproben von zwei seiner Brunnen zu nehmen und sie aufzuheben, bis Heike im nächsten September wieder kommen wird (dann zwangsläufig mit ca. 6-monatigem Baby!).

Die Mischlingshündin von Herrn Siegmund hat gerade Welpen: Drei süße Hundebabies liegen im Sand rum und lassen sich kraulen. Süüüß!

Vielleicht eine knappe Stunde bleiben wir auf der Farm, dann geht’s wieder ins Auto – heute ist absoluter Großkampftag angesagt: Wir wollen versuchen, noch bis zum Omatako Rest Camp (auf halbem Weg zwischen Grootfontein und Tsumkwe) zu kommen.

Das schaffen wir auch.

Das Camp hat sich, seit wir vor zwei Jahren hier waren, kaum verändert. Der junge Buschmann Christian ist immer noch Camp-Manager. Als wir ankommen ist er aber gerade nicht da.

Wir fahren „nach oben“ auf den Campingplatz und bereiten das Camp vor: Stretcher vom Autodach runter und aufbauen, Moskitonetze zwischen den kleinen Bäumen aufhängen, Isomatten und Schlafsäcke auf den Stretchern verteilen. Feuerholz braucht hier nicht gesammelt zu werden, für N$ 5,- (ca. € -,50) verkaufen uns die Buschleute ein ganzes Bündel gutes Feuerholz. Einer der Buschmänner kommt zu uns hoch und schraubt den Wasserhahn an, und so lange die Sonne scheint und die Solarpumpe unten im Buschmanndorf betreibt, haben wir jetzt auch fließendes Wasser. Nur die Dusche funktioniert leider nicht mehr. Eine Übernachtung im Omatako Rest Camp kostet übrigens N$ 30,- (€ 3,-) pro Person.
Vor Einbruch der Dunkelheit sind wir mit allen Vorbereitungen für den Abend und die Nacht fertig. Zum Abendessen gibt es sehr leckere Steaks mit Senf, dazu Eisbergsalat und Folien-Yams (Süßkartoffeln) und als Nachtisch Papaya-Salat.

Während wir essen kommen drei kleine Buschmannkinder und setzen sich zu uns. Na ja, so klein sind sie auch nicht mehr... bei Buschmännern, die ja nie wirklich groß werden, ist das Alter immer unglaublich schwer zu schätzen... ich vermute, dass unsere drei „Gäste“ so zwischen 12 und 14 Jahre alt sind. Zuerst traut sich nur einer. In der Dunkelheit schleicht er sich förmlich an – wir bemerken ihn zuerst gar nicht. Erst als er sich auf der anderen Seite des Feuers hingehockt hat, schnalzt er seine Freunde / Brüder herbei. Dann sitzen die drei da und gucken uns an. Sie betteln nicht, sprechen uns überhaupt nicht an. Wir kommen uns vor, als würden sie uns als Fernsehprogramm betrachten!

Aber scheinbar ist unser Programm nicht besonders spannend, denn schon nach relativ kurzer Zeit stehen sie wieder auf. Erstaunlicherweise sind außer uns noch zwei andere, englisch sprechende Reisende auf dem Campingplatz. Zu denen gehen die drei kleinen Buschmänner jetzt. Ob das Fernsehprogramm dort spannender ist?!

Nach dem Essen sind wir alle schon wieder ziemlich platt. Naja, wenn man so früh aufsteht, ist das eigentlich auch kein Wunder. Immerhin ist es auch schon 21:30 Uhr!

Also gehen wir schlafen.
 
 

Donnerstag, 7. November 2002
Ich habe wunderbar geschlafen! Kein kalter Wind, der einen frieren läßt und einem permanent das Moskitonetz auf die Stirn klebt. Statt dessen milde Luft, kein Laut und ein atemberaubender Sternenhimmel! Mir fällt es nicht schwer, um 6:00 Uhr völlig ausgeschlafen zu sein und aufzustehen.
Gemütlich machen und essen wir frühstück, bevor wir alles zusammenpacken. Es kann zwar sein, dass wir noch eine Nacht hier bleiben werden, vielleicht fahren wir aber auch weiter Richtung Simagaigai, deswegen ist es besser, wenn wir alles eingepackt haben.

Um 8:00 Uhr sind wir mit dem jungen Camp-Manager Christian zu einem Bushwalk verabredet.
Sein Onkel, dessen buschmännischen Namen alle verstehen, aber keiner aussprechen, wiedergeben oder sich merken kann, begleitet uns. Wie schon vor zwei Jahren wandern wir zunächst ein Stück auf der Schotterstraße entlang, bevor wir nach links in den Busch abbiegen.

Teilweise hat es hier vor einiger Zeit gebrannt, Gras gibt es kaum, man kommt gut durch den Busch. Christian und sein Onkel zeigen uns alles mögliche: Einen Busch, auf dem hochgiftige Käfer leben, die hochgiftige Eier legen, aus denen dann wiederum hochgiftige Larven schlüpfen. Alles drei – Käfer, Eier und Larven – verwenden die Buschmänner zum Vergiften ihrer Pfeilspitzen. Es fällt schwer, sich vorzustellen, dass das versehentliche Berühren der jetzt an den Büschen klebenden Eier unter Umständen tödlich enden könnte!

Wir bekommen eine Wurzelknolle ausgegraben, die wie Kohlrabi oder Mangetout (Zuckerschoten) und sehr lecker schmeckt und bekommen alle möglichen medizinischen Anwendungen diverser Pflanzen und Dinge erklärt:

Aus Schneckenhäusern, die ausgebrannt und zerstoßen werden, wird Medizin gegen Zahnschmerzen gemacht. Dazu wird die Wangenhaut an der Stelle über dem betroffenen Zahn leicht eingeritzt. Dann wird die Schneckenhauspaste in den Ritz geschmiert. Nach einer Nacht sollten die Schmerzen dann verklungen sein. Ist das nicht der Fall, muß der Zahn an einem Samstag gezogen werden.

Ähnlich abergläubisch gehen die meinem Eindruck nach sonst so realistischen Buschmänner an das Thema „Hustensaft“ heran:

Hustensaft wird aus einer bestimmten Pflanze gewonnen, deren Wurzeln aufgekocht werden. Der Sud wird dem hustengeplagten dann auf die Brust gerieben. So weit, so gut! Der Aberglaube aber besteht darin, dass man die Hustensaftpflanze auf keinen Fall und niemals für sich selbst sammeln darf. Das muß immer jemand anderes für einen übernehmen. Und dieser jemand kann auch nicht irgendwer sein. Es muß eine gute Person sein, und natürlich muß auch erst einmal herausgefunden werden, wer so eine gute Person ist. Das kann ein Verwandter, ein Onkel oder die Mutter sein, vielleicht auch ein jüngerer Bruder, der selbst noch viel zu klein zum Pflanzensammeln ist, sein. Man darf ihn dann begleiten und ihm zeigen und sagen, welche Pflanze er pflücken soll und was zu tun ist; man darf sich halt nur nicht selbst seine Medizin brauen.

Auch für, bzw. gegen Kopfschmerzen gibt es eine bestimmte Pflanze. Bei starken Kopfschmerzen oder bei einem Malariaanfall wird die Haut an der Schläfe leicht eingeritzt und die Stelle mit der Pflanzentinktur bestrichen. Christian zeigt uns die Narben seiner letzten Kopfschmerzen.

Für Herzprobleme gibt es eine Pflanze deren getrocknete Früchte an einer Kette um den Hals – also über dem Herzen – getragen werden.

Dann finden wir einen Mangetti-Nuss-Baum. Seine Nüsse werden gesammelt und in jeder Form gegessen. Die Nüsse sind gerade reif und bevor wir weiter gehen sammeln wir mehrere Hände voll auf.

An einem anderen Baum tritt Harz aus. Die kleinen Klumpen werden von den Buschmännern begeistert eingesammelt und wie Kaugummi gekaut. Ich probiere einen Harzklumpen, der wir Gelatine schmeckt.

Als letztes bekommen wir noch gezeigt, wie man lediglich mit Hilfe eines flach angespitzten Stocks ein Perlhuhn fangen kann: Das lange, feste und spitze Blatt einer bestimmten Pflanze wird mit dem scharfkantigen Stock, den jeder Busachmann als wichtigstes „Instrument“ (z. B. zum Graben) fast immer dabei hat, so bearbeitet, dass aller Saft aus dem Blatt herausgedrückt wird und nur das faserige Gewebe übrig bleibt.

Dieses Gewebe wird aufgedröselt und in zwei dünne Stränge geteilt. Die beiden Stränge werden umeinandergewickelt und am bloßen Bein entlangreibenderweise versponnen (aufgedreht). (Das geht allerdings nur, wenn man Buschmann ist und an den Beinen keine Haare hat!) So entsteht im Handumdrehen ein erstaunlich reißfestes, wenn auch relativ kurzes Seil.

Dieses Seil wird dann so an einen heruntergebogenen Ast geknotet, dass es unter Spannung steht. Mit dem untersten Ende des Seils wird eine Schlinge geknotet, die um einige im Kreis aufgesteckte Hölzchen gelegt wird. Zuletzt wird ein Brocken des so geliebten Baumharzes in die Mitte der Schlinge gelegt und dann muß man nur noch warten, bis ein hungriges Perlhuhn vorbei kommt!

Zum Test löse ich mit meinem Finger die Schlinge aus und bin verblüfft, mit wie viel Kraft und Schwung das Seil empor schnellt! Einem Huhn würde das unter Garantie das Genick brechen!

Fast drei Stunden sind wir mit Christian und seinem Onkel unterwegs und Heike hat sich schon ein wenig Sorgen gemacht, als wir endlich wieder am Omatako Rest Camp ankommen. Jetzt heißt es schnell weiter, denn wir haben heute noch einiges vor:

Christian und sein älterer Bruder Martinus setzen sich zu uns ins Auto (zwei dicke Deutsche und zwei dünne Buschmänner auf die Rückbank – das paßt!), denn sie werden uns helfen, zwei Bodenprofile auszuheben. Das soll am von Heike so genannten Kanu Vlej*** passieren, der eigentlich Omatako Vlej heißt; den wirklichen Kanu Vlej erreicht man, wenn man noch ein Stück weiter die Omatako Omuramba*** nach Norden fährt.

Das erste Profil würde Heike gerne mitten im Vlej selbst ausgehoben haben – also machen sich die beiden Jungs und Ansgar an die Arbeit. Ich helfe ein bißchen, aber die Arbeit ist schweinehart: Der Boden ist hart wie Beton und selbst mit der mitgebrachten Spitzhacke ist da kaum ein Durchkommen. Selbst Christian und sein Bruder kommen ins Schwitzen – und eigentlich schwitzen Buschmänner nie!
 
Profilgraben...
... in sengender Hitze...
... am "Kanu Vley".
Buschmann Christian ist k. o.

Heike und Diethild vermessen währenddessen die Pfanne.

Das Loch will so gar nicht recht voran kommen. Die Broken, die die Jungs rauskloppen, erinnern eher an Steine, als an festen Sand!

Auch Heikes nächster Plan, einen Infiltrationstest*** in der Mitte der Pfanne zu machen, ist eine böse Falle: Der Stechzylinder will sich par tout nicht in den Boden treiben lassen. Erst mit Hilfe einer schlauen Idee von Christian und Martinus quält er sich langsam in den Boden.

Während wir dort Buddeln und Graben kommen zwei Mal Buschleute an uns vorbei gelaufen. Zuerst zwei Männer die vier Ochsen vor sich hertreiben, etwas später vier oder fünf Kinder / Jugendliche auf einem zweispännigen Eselkarren – für diese Gegend macht das schon fast den Eindruck, als befänden wir uns an einer Hauptstraße!

Mittlerweile sind mehrere Stunden vergangen und es ist brüllend heiß! Einige Wolken zeigen sich am Himmel, so dass es auch noch schwül wird. Wir machen also erst einmal Mittagspause. Ansgar und ich schmieren jedem von uns ein Käsebrot mit Tomate. Dazu gibt es für jeden einen halben Apfel und 1 – 3 Kekse. Für die beiden Buschmänner ist das vermutlich mehr, als sie sonst an einem ganzen Tag essen...
Nach dem Mittagessen ist dann noch ein weiteres Profil angesagt. Wir setzen uns ins Auto und fahren wieder ein Stück zurück in Richtung Omatako Rest Camp. Die Stelle, die Heike für das zweite Profil aussucht, ist zwar an einer wesentlich sandigeren, weicheren Stelle, dafür sollte das Profil hier allerdings wesentlich tiefer gegraben werden. Ein Bodenprofil zu graben, bzw. es zu beproben macht erst Sinn, wenn man bis unterhalb des durchwurzelten Bereichs gelangt. An dieser Stelle reichen die längsten Wurzeln ca. 1,20 m tief in den Boden hinein – das Loch muß also eine Tiefe von mindestens 1,30 m haben.

Die drei Jungs machen sich wieder an die Arbeit und kommen noch einmal ordentlich ins Schwitzen. Wir Deutschen sind alle sehr beeindruckt von der Kraft und Ausdauer, die unsere beiden kleinen Buschmänner beim Graben und Hacken an den Tag legen. Wenn man bedenkt, das Christians Oberschenkel kaum dicker als meine Arme sind, ist das schon verblüffend! Ihre Körper scheinen wirklich nur aus Knochen, Sehnen, Haut und Muskeln zu bestehen.

Wo ich gerade mit dem Zollstock in der Hand in der Gegend rumstehe, vermessen wir doch gleich mal unsere beiden Buschmänner!: Obwohl sie von Metern und Zentimeter eigentlich gar nichts verstehen, ist Christian bannig stolz, dass er mit einer Größe von 1,58 m fünf Zentimeter größer als sein Bruder Martinus ist! Auch ich bin überrascht: Ich hätte beide auf nicht mal auf 1,50 m geschätzt...

So gegen 14:30 Uhr sind „wir“ mit der Buddelei endlich durch. Wir fahren zurück zum Omatako Rest Camp, wo wir Christian, der laut eigenen Angaben jetzt 20 Jahre als ist und seit zwei Monaten mit einer 15-jährigen Frau verheiratet ist (!) und Martinus absetzen und für ihre Arbeit bezahlen mit je N$ 25,- (€ 2,50), was einem ziemlich guten Tageslohn entspricht – die Plackerei dürfte es für die beiden also wert gewesen sein.
 
Diethhild im Auto...

 
... und bei ihrer Lieblingsbeschäftigung:
Dem Fotografieren von Kühen!

Diethild und ich gehen noch mal in den zum Camp gehörenden Craft Shop und kaufen ein paar geschnitzte Tiere, dann brechen wir auf Richtung N!homa*** und Simagaigai. Wir wollen mal gucken, wie weit wir heute noch kommen, denn morgen wollen / sollen wir in der Nähe von Simagaigai ein weiteres Profil ausheben; und das wollen wir möglichst früh – bevor es heiß wird, sprich so gegen 6:00 Uhr – machen.
Die Fahrt geht durch eine Menge verbranntes Buschland, aber auch durch viele extrem grüne Gegenden. Auch hier scheint es letzte Woche schon überall geregnet zu haben. Auch wenn Heike sagt, dass der jetzt gefallene Regen nichts mit dem Ausschlagen der Bäume und Büsche zu tun hat, sondern dass im Boden in jedem Fall noch genug Feuchtigkeit gewesen wäre, lasse ich mich nicht von dem Glauben abbringen, dass der Regen das trotzdem noch beschleunigt und verstärkt hat!

Zwischen dem kleinen Ort mit dem wunderschönen Namen Aasvoëlnes (= Aasfäulnis) und N!homa stehen vier Buschmänner an der Straße, die gerne mitgenommen werden wollen. Wir haben allerdings nur für zwei von ihnen Platz, aber es fällt ihnen nicht schwer, sich zu einigen, wer mitfahren darf, denn zwei von ihnen haben – wie die anderen beiden uns erzählen, nachdem sie zu uns ins Auto gestiegen sind – „nur“ 8 km zu gehen.

Die anderen beiden fahren die ca. 20 km bis nach N!homa mit uns mit. Für die Strecke, meine sie, hätten sie zu Fuß ca. 5 – 6 Stunden gebraucht.

Wir setzen die beiden in N!homa ab und fahren dann noch ein paar Kilometer auf der sandigen Pad*** Richtung Simagaigai, bevor wir uns einen Campingplatz (Quatsch! Kein Campingplatz, sondern ein Platz zum Campen!) für die Nacht suchen. Christian hatte uns zwar vor dem Wildcampen in dieser Gegend gewarnt, weil hier angeblich in letzter Zeit so viele Elefanten unterwegs wären, aber wir haben bisher weder einen Elefanten noch irgendwelche auf das Vorhandensein von Elefanten hindeutenden Spuren (Elefantenkot oder abgeknickte Büsche und Bäume) gesehen – also wollen wir es wagen. Trotzdem wollen wir das Auto heute Abend so packen, dass wir innerhalb von Sekunden drin sitzen und weg fahren können – man weiß ja nie, und Vorsicht ist bekanntlich besser als alles!

Das Lager ist schnell gerichtet, zum Abendessen gibt es Reis mit Gemüsesoße und dicken weißen Bohnen – sehr lecker.
 
Unser Datsun Safari
und hier kocht in unserem Poijkie ein lecker Abendessen!

Ansgar erzählt uns noch von südamerikanischen Fledermäusen, die wirkliche Vampire sind, weil sie nicht nur bei Pferden und Menschen Blut saugen, sondern auch noch Tollwut übertragen – eine Krankheit, die den Erkrankten im fortschreitenden Stadium Licht- und Geruchsempfindlich macht, folglich also erklärt, warum man mit Tageslicht und Knoblauch auf Vampirjagd geht! So ist also die Legende von Graf Dracula entstanden!

Ob man nach so einer Geschichte gut schlafen kann, wenn man überall um sich rum Fledermäuse hört? Wir probieren es aus.

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