MITTWOCH, 5. JANUAR 2005

Und noch ein völlig fauler, ereignisloser Tag in Windhoek:
Die meisten Leute fangen hier erst am 10. Januar wieder an zu arbeiten, was auch Heike und Ansgar davon abhält, sich jetzt schon gewaltig ins Zeug zu legen; erstens weil sei wirklich die einzigen wären und zweitens weil man eben auch noch niemanden erreichen kann. So hat zum Beispiel auch die Werkstatt, die Ansgar für seine Roda-Reparaturen und –Ersatzteilbestellungen braucht, diese ganze Woche noch geschlossen.
Also machen auch Heike und Ansgar sich keinen Streß.

Vormittags gehe ich mit Heike zu dem Amt, wo man sämtliche Karten des Landes kaufen kann und besorge mit dort die neue (bunte!) Version der Tsumkwe-Karte, sowie zwei Karten der Gegend zwischen der Farm Krone und dem Save The Rhino-Camp, damit ich auch zu Hause noch nachvollziehen kann, welch menschenleere Gegenden wir bereits haben.
Heike Rubbert zeigt Heike und mir ihre Werkstatt und die größtenteils aus Ghana stammenden Glasperlen mit denen sie gerade zu arbeiten begonnen hat und nachmittags machen Ansgar und ich einen kleinen Spaziergang in die Stadt, wo Ansgar eine Stunde lang das Internet nutzt und ich währenddessen noch einen Stern und zwei Pakete Rusks, die ich mit nach Hamburg nehmen will, kaufe.

Am Abend habe ich mir vorgenommen, Heike und Ansgar als Dankeschön zum Essen einzuladen. Ich würde am liebsten in das äthiopische Restaurant direkt nebenan gehen, aber Heike und Ansgar waren da dieses Jahr schon einmal. Da ich aber trotzdem gerne irgend etwas essen würde, das ich zu Hause nicht wirklich bekommen kann, werfe ich eine Münze, die sich prompt doch für das äthiopische Restaurant entscheidet. Als wir dann aber gegen 18:30 Uhr vor der Tür stehen, hat es geschlossen und sieht auch nicht so aus, als würde es heute noch öffnen...
Also gehen wir doch in das Restaurant Africa, das Heike von Anfang an vorgeschlagen hatte. In der Alten Festung untergebracht liegt es mit einem ganz wunderbaren Blick oberhalb der Winhoeker Innenstadt und hat eine breite Terrasse, bei der man auch bei einem Wolkenbruch gut draußen sitzen kann.
Und Regen gibt es jetzt fast jeden Nachmittag, denn wir befinden uns jetzt ja mitten in der Regenzeit.

Die Alte Festung, in der das Restaurant untergebracht ist, ist ein alter (deutscher) Wehrposten und hat daher eine ganz besondere Atmosphäre. Und auch die Speisekarte ist etwas ganz besonderes. Neben einigen wenigen internationalen Gerichten wie T-Bone-Steak hat die Karte einen afrikanischen und einen namibischen Teil und vor allem der namibischen Teil der Karte bietet auch Dinge wie „ein ganzer Ziegenkopf mit irgendwas“ und „Mopane-Raupen mit Zwiebeln und Chillie“ an!
Ansgar ist mutig und bestellt eine Portion Raupen als Vorspeise und Heike und ich finden, dass wir ihn bei dieser mutigen Wahl tatkräftig unterstützen- und jeder zumindest eine der ca. 5 cm langen und ca. 1 cm dicken schwarzen Raupen probieren sollten! Daan brauchen wir in unsere Überlegungen nicht mit einzubeziehen – der ißt ja eh alles!
„Raupe“ sagen wir zu ihm und zeigen auf Ansgars Teller. „Raupe! Hamba!“ antwortet Daan begeistert und hat sich schon die erste Raupe in den Mund geschoben!
Heike und ich trauen uns auch!
Der Mopane-Baum ist übrigens ein hier wachsender Baum, der seine schmetterlingsförmigen Blätter zusammenfalten kann um sich so vor zu viel Wasserverlust durch Verdunstung zu schützen.
Ich bitte um ein etwas kleineres Exemplar, weil ich ja eh nicht so gerne all zu große Bissen im Mund habe und um ein Stück Zwiebel, weil Zwiebel ja immer alles rettet und dann beiße ich in die dicke schwarze Mopane-Raupe...
... und finde sie ziemlich lecker!
Ich kann den Geschmack nicht wirklich beschreiben, aber die meisten Leute, die mal Würmer oder Raupen gegessen haben, sagen, dass sie nussig schmecken würden und ganz verkehrt ist dieser Vergleich sicher nicht.
Ich scheine mit meinem Exemplar aber auch wirklich Glück zu haben, denn anders als Heikes und Ansgars Raupen schmeckt meine Mopane-Raupe weder zäh noch nach Holz noch muß ich mit dem karten Kopf und den karten Beißwerkzeugen kämpfen. Wenn man nicht darüber nachdenkt, ist Mopane-Raupen-Essen echt OK!

Bei meinem Hauptgang bin ich in sofern mutig, als dass ich mich für ein traditionell namibisches Gericht, dessen Namen – Oxyxwa I’li Mondjove – ich nicht mal aussprechen kann, entscheide. In der Übersetzung ist von Huhn in Amarula-Öl und Ovambo-Spinat die rede und von einer weiteren Beilage, von der wir alle vermuten, dass es sich dabei um eine Art Millipap, also den traditionellen Maismehlbrei, der eines der Grundnahrungsmittel der ärmeren Bevölkerung Namibias darstellt, handeln muß.
Was etwas später dann bei mir auf dem Teller landet, überrascht mich aber doch etwas: Statt eines gelblichen Polenta-ähnlichen Breis liegt eine ca. 20 cm lange und ca. 4 cm dicke dunkel-gräuliche Presswurst vor mir und schmeckt nach feuchtem Sand! Das Ding hat wirklich überhaupt keinen Eigengeschmack und knirscht beim Kauen. Ich mag ja wirklich vieles, aber das hier ist echt nicht meins... Heike und Ansgar meinen, dass es Hirst sein muß und dass Hirse immer so sandig schmecken würde, gleichzeitig aber das gesündeste, gehaltvollste und vollwertigste Getreide überhaupt ist.
Dafür sind der Spinat und das Huhn sehr lecker. Bei der Amarula-Öl-Soße bin ich über den säuerlichen Geschmack zwar etwas verwundert, aber lecker ist sie allemal.
Heike und Ansgra haben weniger experimentelle Essen bestellt („Fisch in Kokossoße für Ansgar und Hühnerbein mit Soße und Chapatibrot für Heike) und sind zufrieden.

Während wir auf der Terrasse sitzen und essen, erleben wir übrigens zuerst einen wunderschönen Sonnenuntergang und später ein leichtes Gewitter mit.

Da man in diesem Restaurant nicht mit Kreditkarte zahlen kann muß ich nach dem Essen schnell noch mal hinunter zur Independance Avenue – der Haupt-Geschäftsstraße Windhoeks – laufen und aus einem Automaten Geld holen. Ich fühle mich dabei etwas merkwürdig, denn in Windhoek geht niemand, der es sich leisten kann, zu Fuß. Erst recht nicht allein, als Mädchen, nach 21:00 Uhr, in einem bunten Rock und einem leuchtend-gelben Top bekleidet und mit Kreditkarte und Bargeld in der Hand.
Ich bin und tue all das, fühle mich aber trotzdem ziemlich sicher und genieße die mehr als laue und nach dem Regen herrlich duftende Abendluft.
Da es schon lange nach Daans zu-Bett-geh-Zeit ist, bezahlen wir schnell, trinken zum Abschied noch einen Amarulaschnaps (der nicht säuerlich schmeckt!) und laufen nach Hause, wo wir noch ein gemeinsames Bier trinken und ungewohnt spät – nach 22:00 Uhr! – schlafen gehen.

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