Und noch ein völlig fauler, ereignisloser
Tag in Windhoek:
Die meisten Leute fangen hier erst am 10.
Januar wieder an zu arbeiten, was auch Heike und Ansgar davon abhält,
sich jetzt schon gewaltig ins Zeug zu legen; erstens weil sei wirklich
die einzigen wären und zweitens weil man eben auch noch niemanden
erreichen kann. So hat zum Beispiel auch die Werkstatt, die Ansgar für
seine Roda-Reparaturen und –Ersatzteilbestellungen braucht, diese ganze
Woche noch geschlossen.
Also machen auch Heike und Ansgar sich keinen
Streß.
Vormittags gehe ich mit Heike zu dem Amt,
wo man sämtliche Karten des Landes kaufen kann und besorge mit dort
die neue (bunte!) Version der Tsumkwe-Karte, sowie zwei Karten der Gegend
zwischen der Farm Krone und dem Save The Rhino-Camp, damit ich auch zu
Hause noch nachvollziehen kann, welch menschenleere Gegenden wir bereits
haben.
Heike Rubbert zeigt Heike und mir ihre Werkstatt
und die größtenteils aus Ghana stammenden Glasperlen mit denen
sie gerade zu arbeiten begonnen hat und nachmittags machen Ansgar und ich
einen kleinen Spaziergang in die Stadt, wo Ansgar eine Stunde lang das
Internet nutzt und ich währenddessen noch einen Stern und zwei Pakete
Rusks, die ich mit nach Hamburg nehmen will, kaufe.
Am Abend habe ich mir vorgenommen, Heike
und Ansgar als Dankeschön zum Essen einzuladen. Ich würde am
liebsten in das äthiopische Restaurant direkt nebenan gehen, aber
Heike und Ansgar waren da dieses Jahr schon einmal. Da ich aber trotzdem
gerne irgend etwas essen würde, das ich zu Hause nicht wirklich bekommen
kann, werfe ich eine Münze, die sich prompt doch für das äthiopische
Restaurant entscheidet. Als wir dann aber gegen 18:30 Uhr vor der Tür
stehen, hat es geschlossen und sieht auch nicht so aus, als würde
es heute noch öffnen...
Also gehen wir doch in das Restaurant Africa,
das Heike von Anfang an vorgeschlagen hatte. In der Alten Festung untergebracht
liegt es mit einem ganz wunderbaren Blick oberhalb der Winhoeker Innenstadt
und hat eine breite Terrasse, bei der man auch bei einem Wolkenbruch gut
draußen sitzen kann.
Und Regen gibt es jetzt fast jeden Nachmittag,
denn wir befinden uns jetzt ja mitten in der Regenzeit.
Die Alte Festung, in der das Restaurant untergebracht
ist, ist ein alter (deutscher) Wehrposten und hat daher eine ganz besondere
Atmosphäre. Und auch die Speisekarte ist etwas ganz besonderes. Neben
einigen wenigen internationalen Gerichten wie T-Bone-Steak hat die Karte
einen afrikanischen und einen namibischen Teil und vor allem der namibischen
Teil der Karte bietet auch Dinge wie „ein ganzer Ziegenkopf mit irgendwas“
und „Mopane-Raupen mit Zwiebeln und Chillie“ an!
Ansgar ist mutig und bestellt eine Portion
Raupen als Vorspeise und Heike und ich finden, dass wir ihn bei dieser
mutigen Wahl tatkräftig unterstützen- und jeder zumindest eine
der ca. 5 cm langen und ca. 1 cm dicken schwarzen Raupen probieren sollten!
Daan brauchen wir in unsere Überlegungen nicht mit einzubeziehen –
der ißt ja eh alles!
„Raupe“ sagen wir zu ihm und zeigen auf
Ansgars Teller. „Raupe! Hamba!“ antwortet Daan begeistert und hat sich
schon die erste Raupe in den Mund geschoben!
Heike und ich trauen uns auch!
Der Mopane-Baum ist übrigens ein hier
wachsender Baum, der seine schmetterlingsförmigen Blätter zusammenfalten
kann um sich so vor zu viel Wasserverlust durch Verdunstung zu schützen.
Ich bitte um ein etwas kleineres Exemplar,
weil ich ja eh nicht so gerne all zu große Bissen im Mund habe und
um ein Stück Zwiebel, weil Zwiebel ja immer alles rettet und dann
beiße ich in die dicke schwarze Mopane-Raupe...
... und finde sie ziemlich lecker!
Ich kann den Geschmack nicht wirklich beschreiben,
aber die meisten Leute, die mal Würmer oder Raupen gegessen haben,
sagen, dass sie nussig schmecken würden und ganz verkehrt ist dieser
Vergleich sicher nicht.
Ich scheine mit meinem Exemplar aber auch
wirklich Glück zu haben, denn anders als Heikes und Ansgars Raupen
schmeckt meine Mopane-Raupe weder zäh noch nach Holz noch muß
ich mit dem karten Kopf und den karten Beißwerkzeugen kämpfen.
Wenn man nicht darüber nachdenkt, ist Mopane-Raupen-Essen echt OK!
Bei meinem Hauptgang bin ich in sofern mutig,
als dass ich mich für ein traditionell namibisches Gericht, dessen
Namen – Oxyxwa I’li Mondjove – ich nicht mal aussprechen kann, entscheide.
In der Übersetzung ist von Huhn in Amarula-Öl und Ovambo-Spinat
die rede und von einer weiteren Beilage, von der wir alle vermuten, dass
es sich dabei um eine Art Millipap, also den traditionellen Maismehlbrei,
der eines der Grundnahrungsmittel der ärmeren Bevölkerung Namibias
darstellt, handeln muß.
Was etwas später dann bei mir auf dem
Teller landet, überrascht mich aber doch etwas: Statt eines gelblichen
Polenta-ähnlichen Breis liegt eine ca. 20 cm lange und ca. 4 cm dicke
dunkel-gräuliche Presswurst vor mir und schmeckt nach feuchtem Sand!
Das Ding hat wirklich überhaupt keinen Eigengeschmack und knirscht
beim Kauen. Ich mag ja wirklich vieles, aber das hier ist echt nicht meins...
Heike und Ansgar meinen, dass es Hirst sein muß und dass Hirse immer
so sandig schmecken würde, gleichzeitig aber das gesündeste,
gehaltvollste und vollwertigste Getreide überhaupt ist.
Dafür sind der Spinat und das Huhn
sehr lecker. Bei der Amarula-Öl-Soße bin ich über den säuerlichen
Geschmack zwar etwas verwundert, aber lecker ist sie allemal.
Heike und Ansgra haben weniger experimentelle
Essen bestellt („Fisch in Kokossoße für Ansgar und Hühnerbein
mit Soße und Chapatibrot für Heike) und sind zufrieden.
Während wir auf der Terrasse sitzen und essen, erleben wir übrigens zuerst einen wunderschönen Sonnenuntergang und später ein leichtes Gewitter mit.
Da man in diesem Restaurant nicht mit Kreditkarte
zahlen kann muß ich nach dem Essen schnell noch mal hinunter zur
Independance Avenue – der Haupt-Geschäftsstraße Windhoeks –
laufen und aus einem Automaten Geld holen. Ich fühle mich dabei etwas
merkwürdig, denn in Windhoek geht niemand, der es sich leisten kann,
zu Fuß. Erst recht nicht allein, als Mädchen, nach 21:00 Uhr,
in einem bunten Rock und einem leuchtend-gelben Top bekleidet und mit Kreditkarte
und
Bargeld in der Hand.
Ich bin und tue all das, fühle mich
aber trotzdem ziemlich sicher und genieße die mehr als laue und nach
dem Regen herrlich duftende Abendluft.
Da es schon lange nach Daans zu-Bett-geh-Zeit
ist, bezahlen wir schnell, trinken zum Abschied noch einen Amarulaschnaps
(der nicht säuerlich schmeckt!) und laufen nach Hause, wo wir noch
ein gemeinsames Bier trinken und ungewohnt spät – nach 22:00 Uhr!
– schlafen gehen.
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