DONNERSTAG, 6. JANUAR 2005

Daan macht uns alle schon ziemlich früh wach. Das ist aber OK, denn ab 7:30 Uhr soll ich bei der Tourist Information anrufen um zu erfragen, ob heute vormittag eine Sightseeingtour durch Katatura zustande kommen wird. Also schmiere ich mir schnell zwei Brote, trinke einen Becher Kaffee und einen Becher Rooibuschtee und telefoniere. Die Frau, mit der ich spreche, kann mir zwar immer noch nicht 100 %ig zusichern, dass die Tour statt finden wird, sie geht aber davon aus, dass die Leute, die gestern schon bei ihr waren und ihr Interesse an der Vormittagstour bekundet hatten, jetzt auch wirklich kommen werden. Ich soll doch bitte um kurz vor 9:00 Uhr an ihrem Büro sein.
9:00 Uhr ist hier übrigens schon „mitten am Vormittag“! Selbst wenn der gemeine Namibier bis 12:00 Uhr mittags konsequent „Good morning!“ wünscht, steht er in der Regel doch so früh auf, dass 9:00 Uhr und selbst 8:00 Uhr schon nicht mehr zum Morgen, sondern zum Vormittag gerechnet werden.

Als ich um kurz vor 9:00 Uhr an der Tourist Information bin, höre ich, dass die Tour statt finden wird. Sehr schön!

Katatura ist der westliche Teil Windhoeks, der zu Zeiten der südafrikanischen Apartheidpolitik das schwarze Ghetto der Stadt darstellte. Und auch Katatura selbst war in diverse Stadtteile unterteilt, in denen die jeweils unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen des Landes leben mußten: Die Herero, die Nama, die Damara und die Kavango – jeder hatte seinen eigenen Stadtteil. So viel Apartheid wie irgend möglich eben.

Zwei weitere Gäste werden die Tour mit mir zusammen machen:
Ein Ende 50-jähriger mächtiger Nord-Bayer mit dickem Bierbauch, viel zu kleinem Sonnenhut und sauschlechtem Englisch, der aus beruflichen Gründen seit November hier ist und jetzt schon über ein endgültiges Auswandern nachdenkt und ein 13-jährige schwarzes Ovambo-Mädchen, das die Tochter der „Freundin“ des dicken Bayern ist. Mir ist diese Konstellation und eigentlich alles, was mit dem dicken Bayer zusammen hängt weder nachvollziehbar noch ganz geheuer:
Einerseits verkörpert er alles, was ich an Deutschen nicht mag: Seine wuchtige Gestalt wird von einem gleichermaßen wuchtigen Auftreten unterstützt und sein Englisch ist so schlecht, dass er nicht mal den Unterschied zwischen his und her kennt und in seine wenigen englischen Sätze mit arroganter Selbstverständlichkeit deutsche Worte einbaut und erwartet, dass jeder ihn versteht.
Auf der anderen Seite hat und sagt er aber auch etliche Dinge, die ihn mir sympathisch werden lassen: So schimpft er zum Beispiel immer wieder über Dauernörgeln und Anspruchsdenken der deutschen Wohlstandsgesellschaft und freut sich über die Heiterkeit und Freundlichkeit mir der auch die ärmeren Namibier allen Menschen begegnen.
Seine „Freundin“ (ich bin mir nicht sicher, wie dieser Begriff in seinem Fall zu deuten ist) arbeitete bis vor kurzem für einen weißen Fabrikbesitzer. Für nur N$ 200,- im Monat bestand ihre Aufgabe darin, 24 Stunden am Tag und 7 Tag in der Woche für die 80-jährige bettlägerige Mutter des Fabrikbesitzers da zu sein und sie zu pflegen.
Der dicke Bayer scheint sie aus diesem Frondienst befreit zu haben und erzählt, dass es Wochen gedauert habe, bis sie ihn nicht mehr als ihren „Herrn und Meister“ angesehen hätte.
Ob er für die jetzt allerdings der Freund, ein Freund oder nur ein Arbeitgeber ist, wird mir nicht klar.
Der dicke Bayer hat allerdings auf jeden Fall dafür gesorgt, dass das 13-jährige Mädchen, das jetzt mit auf der Tour ist, von Oshakati, wo sie normalerweise lebt, mit nach Windhoek gekommen ist, um übe die Weihnachtstage ihre Mutter zu besuchen. Und er nimmt sie jetzt mit und zeigt ihr einen Teil Windhoek, von dem ich mir gar nicht sicher bin, dass sie ihn sehen will.
Last but not least hat er seiner „Freundin“ und deren Schwester, die außerhalb Oshakatis in einem herkömmlichen Familien-Kral lebt, Handys gekauft, damit sei miteinander kommunizieren können.
Wie gesagt: Alles in allem werde ich aus dem dicken Bayer (der eigentlich aus Nürnberg kommt und damit ein Franke ist, sich selbst aber als Bayer verkauft...) nicht schlau und weiß nicht, ob ich ihn sympathisch oder furchtbar finden soll...

Unser Guide heißt Israel und ist total nett. Er ist schwarz [schwarz, bzw. black bedeutet schwarz, bzw. black, wohingegen farbig, bzw. coloured für die Mischrassigen Menschen verwendet wird] und spricht ganz langsames, sehr gutes Englisch. Er ist wie ein Safaritourist aus dem Bilderbuch gekleidet und scheint auf der Tour fast jeden Menschen, dem wir begegnen, persönlich zu kennen.
Außerdem gibt es einen Fahrer, der aber nicht weiter in Erscheinung tritt.

Von der City aus fahren wir zunächst zu einem Friedhof, wo wir aussteigen und uns von Israel die Kurzversion der Geschichte Windhoek erklären lassen:

Die Nama waren die ersten, die um 1840 von Süden kommend in die Gegend des heutigen Windhoeks zogen und sich dort ansiedelten. Die Nama waren Schaf- und Ziegenhirten und waren auf der Suche nach einem Ort, der eine gute Weide mit einer ständigen Quelle vereinbarte. Sie fanden ihn in Windhoek, dem sie einen klacklaute enthaltenden Namen (den ich mir weder merken noch aussprechen kann) gaben, der übersetzt so viel wie „warme Quellen“ bedeutete.
Um 1880 drängten von Norden her die Rinder züchtenden Herero in die Gegend. Die unterschiedlichen Lebensstile der seßhaften Herero und der nomadisch lebenden Nama führten zu ersten Konfrontationen, die aber noch keine weitreichenden Auswirkungen hatten.
Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts kamen die ersten Deutschen ins Land. Ihr Interesse halt der Rinderzucht und sie versuchten, den Herero Land abzukaufen um ihre eigenen Farmen zu gründen. An der Stadt Windhoek hatten die Deutschen vergleichsweise wenig Interesse.
Die wenigsten Namibier waren allerdings bereit, ihr Land an die Deutschen zu verkaufen, so dass es schließlich zu dem von 1904 bis 1907 währenden Krieg zwischen den Einheimischen und den Deutschen kam. Über 35.000 Herero und etliche zigtausend Namibier anderer Völkergruppen, die den Herero im Kampf gegen die Deutschen zu Hilfe kamen, vielen in diesem Krieg.
Mit Ausbruch des 1. Weltkrieges marschierten südafrikanische Truppen 1914 in Namibia ein.
1919 hatte Deutschland laut dem Vertrag von Versailles alle seine Kolonien verloren und Namibia stand fortan unter südafrikanischer Herrschaft.
Nachdem Südafrika in Namibia das Sagen übernommen hatte, begann es damit, die im eigenen Land praktizierte Politik der strikten Apartheid auch in Namibia und vor allem in Windhoek einzusetzen und durchzuführen.
Das hatte zur Folge, dass ganze Stadtteile, die bis dahin von Schwarzen bewohnt gewesen waren und jetzt ausnahmslos den Weißen vorbehalten sein sollten, umgesiedelt werden mußten. Verständlicherweise stieß dieses Vorhaben bei den Schwarzen nicht gerade auf Gegenliebe. Speziell die Herero, deren Stadtteil auch den Friedhof, auf dem all ihre Vorfahren beerdigt waren und der ihnen daher ein heiliger Ort war, beinhaltete, wollten nicht in das ihnen von der Regierung zugewiesene Katatura umsiedeln.
Die südafrikanische Regierung versuchte, Katatura wie eine verlockende Alternative klingen zu lassen: Dort sollte es für alle Zwangsumgesiedelten kostenlose und mit Strom und fließendem Wasser ausgestattete Eigenheime geben. Aber als die ersten dann nach Katatura zogen, stellten sich diese Versprechungen als glatte Lügen heraus: Zwar gab es in Katatura die versprochenen Steinhäuser mit Strom und Wasser – sie waren aber keineswegs kostenlos, sondern mußten von ihren neuen Bewohnern angemietet werden. Auch Wasser und Strom und sogar der Bus, der die Schwarzen zu ihren Arbeitsplätzen im Zentrum Windhoek bringen sollte, mußten bezahlt werden.

1958, bzw. 1960 wurde die SWAPO [South West Africa People’s Organisation]gegründet und es kommt zu ersten Unruhen. Am 9. und 10. Oktober 1959 kam es zu einem blutigen Aufstand bei dem 13 Herero ihr Leben ließen. Trotzdem wurden die Zwangsumsiedlungen durchgeführt und Katatura wurde zu Windhoek Ghetto, das selbst in sich streng nach den unterschiedlichen Rassen unterteilt war.

Erst 1978 zog Südafrika sich auf den Druck der UN hin aus Namibia zurück und gab den langsamen und mühseligen Weg in die Unabhängigkeit frei. Bis zu den ersten freien Wahlen 1990 vergingen allerdings weitere 12 Jahre, in denen sich die Apartheid erst langsam „zersiedelte“.

Auch heute noch leben fast ausschließlich Schwarze in Katatura, aber es gibt immerhin kein Gesetze mehr, die festlegen, wer wo wohnen darf. Außerdem hatten die Schwarzen, die jahrelang in ihren gemieteten Häusern gelebt hatten, mit dem Ende südafrikanischen Herrschaft die Möglichkeit, dem Staat ihre Häuser für wenig Geld abzukaufen.

Heute gibt es in Katatura drei unterschiedliche Wohngegenden:
Die Gegend, in der die ehemals vom Staat gebauten Steinhäuser stehen. Sie sind klein, sehen von außen so aus, als hätten sie maximal drei Zimmer, werden im Durchschnitt von sechs Personen bewohnt (im Gegensatz zu durchschnittlich nur zwei Personen die in den in der Regel viel geräumigeren Steinhäusern in den nach wie vor von Weißen dominierten Teilen der Stadt leben) und haben ihre Toiletten im Garten. Aber die meisten dieser Häuser sehen sauber aus, sind fröhlich bunt gestrichen und haben kleine Gärten, in denen Schatten spendende Bäume stehen oder Obst, Gemüse oder Getreide angebaut werden kann.
Es gibt Läden, Bars, Shebeens [= Trinkhallen] und Märkte, auf denen man (fast) alle zum täglichen Leben benötigten Güter kaufen kann.
An einigen dieser Häuser kann man übrigens heute noch die Buchstaben N oder H oder D an der Haustür lesen. Diese stammen aus der Zeit der Apartheid und zeigten die jeweilige Rasse, die hier leben durfte, an.

Die zweite und dritte Art von Häusern sind Wellblechhütten. Unterscheiden tun sie sich lediglich durch ihren unterschiedlichen Status der Legalität. In einem Teil Kataturas stehen diese Wellblechhütten schon seit geraumer Zeit und sind irgendwann von der Regierung zu ganz legalen Wohnhäusern erklärt worden. Die Straßen haben Straßennamen und die Häuser haben Hausnummern bekommen.
Die andere Hälfte der Wellblechhütten sind die Wohnungen der Neuankömmlinge und haben bis heute nicht den Status der Legalität erhalten, sondern werden sozusagen nur als dauerhafte Übergangslösung geduldet.
In beiden Wellblechvierteln stellt der Staat eine Art kommunale Grundversorgung sicher: Es gibt öffentliche Wasserstellen und Toilettenhäuschen, Schulen und Kindergärten.

Auch in diesen Teilen der Stadt gibt es jede Menge Shebeens und hinter diversen offen stehenden Türen kann man Billardtische sehen.
So einfach diese Behausungen sein mögen, sie sehen (nur) in den seltensten Fällen richtig ärmlich aus und Israel – der selbst auch in Katatura wohnt – bestätigt mir, dass viele dieser Häuser mit überraschend vielen und guten Möbeln und Teppichen eingerichtet sind und teilweise sogar über Fernsehen, Kühlschränke und alle möglichen sonstigen Errungenschaften des modernen Lebens verfügen.
Nur mit dem Platz ist es eben nicht zum Besten bestellt, denn im Durchschnitt leben vier Personen in diesen doch recht kleinen Hütten.
Insgesamt hat Katatura inzwischen mehr als 200.00 Einwohner. Vor allem, wenn man bedenkt, dass ganz Namibia nur 1.800.000 Einwohner hat (von denen ca. 600.000 in den vier im Norden des Landes liegenden sogenannten „O-Proinzen“ (Omusati, Oshana, Ohangwena und Oshikoto) leben) ist das sehr, sehr viel. Und der Zustrom an Neuankömmlingen, die in der Hoffnung auf Arbeit und bessere Lebensbedingungen in die Hauptstadt streben, reißt nicht ab.
 

Blick über Katatura

 
 
Diese einfachen Wellblechhütten sind oft ein Zuhause für 4- 6 Personen
Die Kinder von Katatura

 
 

Den Großteil dieser Dinge erfahren wir, während wir mit Israel und dem Fahrer durch die Straßen von Katatura holpern.
Ich war mir ja nicht ganz sicher gewesen, ob ich diese Fahrt wirklich mitmachen wollte. Mir war das ganze doch ziemlich voyeuristisch vorgekommen: In anderen Ländern fahren die Stadtrundfahrten an Baudenkmälern oder Plätzen „des allgemeinen Interesses“ vorbei, aber niemals durch die Wohngegenden der einzelnen Bevölkerungsgruppen oder –schichten oder wie immer man das nennen und unterteilen will... Das wäre doch so, als würde man in Hamburg eine Stadtrundfahrt durch Blankenese („Hier leben die Reichen!“), Eimsbüttel („Hier leben die Studenten!“) und Altona („Und hier leben die Türken!“) anbieten! Will ich so etwas wirklich unterstützten?
Andererseits habe ich immer wieder die Freundlichkeit der Namibier kennen gelernt und habe erfahren, wie „unkompliziert“ und offen sie mit Fremden umgehen.

Und ich muß auch an die Erfahrungen, die Alexander und ich an den Tagen nach dem 11. September 2001 in New York gemacht haben, denken:
Dort waren wir in der Feuerwache von Brooklyn, wo jeder der Anwesenden Freunde, Kollegen oder Verwandte verloren hatte, regelrecht aufgefordert und gebeten worden, die Gedenkwände und die vor der Tür stehenden Trauerlichter zu fotografieren. Das war uns damals auch befremdlich und irgendwie pietätlos vorgekommen, aber in Amerika hat man dazu wohl eine völlig andere Einstellung, die man als Fremder unbedingt akzeptieren sollte.
In diesem Fall ist es sicher ähnlich: Ich glaube kaum dass eine offizielle Touristeneinrichtung Führungen durch Katatura anbieten würde, wenn sie wüßte, dass sie damit den dort lebenden Menschen Unrecht tun würde.
Und ich vermute sogar, da vorher zumindest mit einigen Leuten aus den Gegenden, durch die wir fahren, gesprochen wurde. Dafür spricht, dass Israel fast ununterbrochen aus dem Fenster grüßt und überall, wo wir anhalten und aussteigen mit großem Hallo empfangen wird.

Unser erster Stop ist, wie gesagt, der Friedhof, auf dem wir die Kurzversion der Geschichte Namibias erklärt bekommen, den wir uns selbst aber nicht weiter angucken.
Neben dem Friedhof ist übrigens das „Arbeitsamt“ Kataturas: Hier warten etliche schwarze Tagelöhner darauf, dass jemand vorbei kommt und sie für einen Job „einsammelt“. Was auch passiert.

Nachdem wir dann eine Weile durch den Steinhaus-Teil Kataturas gefahren sind, ist unser nächster Stop einer der Märkte, die es hier überall gibt.
Die Stadt hat diese überdachten aber nach allen Seiten hin offenen Flächen gebaut und den Händlern, die bis dahin an den Straßenecken gestanden und dort ihre Waren angeboten hatten, zur Verfügung gestellt. Für verhältnismäßig wenig Geld kann man sich hier eine Marktfläche mieten: Anbieter von traditionellen Lebensmitteln sind mit nur N$ 30,- pro Monat dabei, die teuersten Stände, die dann auch schon fast kleine Läden und aus Stein gebaut sind, werden für bis zu N$ 300,- an Friseure, Haarflechter, Schneider und Handyanbieter vermietet. Da ein von einer der Schneiderinnen genähtes Kleid schon bis zu N$ 250,- kosten kann, scheint es so, als hätte jeder der „Markt-ler“ eine realistische Chance, seine Standgebühren wieder einzuspielen.
Ein weiterer Vorteil dieser Märkte ist, dass die Fläche rund um die Uhr bewacht wird, so dass die Waren über Nacht – zu ordentlichen Paketen verschnürt – hier gelagert bleiben können und nicht ständig durch die Gegend getragen werden müssen.

Wir gucken uns den Markt an:
An den Ständen mit den traditionellen Lebensmitteln werden all die Dinge angeboten, die ich gestern abend gegessen habe: Ovambo-Spinat, der in seiner getrockneten Darbietungsform allerdings mehr an Algen als an Spinat erinnert, in Flaschen abgefülltes Marula-Öl, Maismehl und andere zu Mehl verarbeitete Getreidesorten und sogar getrocknete Mopane-Raupen!
Einige Meter weiter haben die Fleischer ihre Stände: Auf großen runden Holztischen werden halbe und viertel Kühe. Auf einem Stand liegt der Kopf einer Kuh, auf einem anderen die noch fellbezogenen Beine, die Eingeweide oder der Pansen. Obwohl einige der angebotenen Teile für das europäische Auge etwas gewöhnungsbedürftig sind, macht alles einen sehr sauberen Eindruck; und vor allem: Es stinkt hier nicht(s)!
 
Noch ein paar Meter weiter wird dann gebratenes Fleisch angeboten. Der Länge nach aufgeschnittene Benzinfässer dienen als Grills (eigentlich auch eine schöne Idee für den Garten!) auf denen teilweise doch ziemlich dubios aussehende Fleischstücke angeboten werden. Israels Aufforderung, zuzugreifen kommt keiner von uns nach. Er selbst läßt sich ein nach Leber aussehendes Stück aufschneiden, das er in Salz stippt, das gleich vor dem Grill in einer Holzkiste steht. Ur des Bayern kleine „Ziehtochter“ traut sich, zu probieren.

Dann schauen wir uns auch noch die „festen“ Marktstände (die Schneider, Friseure, etc.) an, die ich aber nicht so spannend finde. Diese Art kleiner Läden findet man ja eigentlich überall auf der Welt – sie sind weder etwas typisches Afrikanisches, noch haben sie direkt etwas mit Katatura zu tun.

Wir fahren weiter.
Jetzt fahren wir durch die Wellblechhüttenviertel Kataturas und Israel dreht sich immer mal wieder zu uns nach hinten und erklärt und erzählt. Er macht das wirklich sehr nett, ausführlich und gut verständlich.
Auf der Fahrt zu unserem letzten Ziel kommen wir auch durch einen relativ neuen Stadtteil Kataturas. Er trägt den Namen „Wanaheda“, der aus den jeweils zwei Anfangbuchstaben der unterschiedlichen Volksstämme Namibias zusammen gesetzt ist und somit ein Zeichen für das Ende der Apartheid ist! [Wa = Ovambo & Kavango (?) / Na = Nama / He = Herero / Da = Damara]  – Eine sehr schöne Geste, wie ich finde!

Unser letztes Ziel ist ein Frauenprojekt, dessen afrikanischer Name „Penduka“ übersetzt Wake up bedeutet. Hier arbeiten 27 Frauen (und 3 Männer!). Von einer Holländerin angeleitet nähen, sticken und batiken sie, töpfern, stellen einfachen Schmuck und kleine Andenken her. Ziel dieses Projektes, das nur in seinen Anfangzeiten über Spenden mitfinanziert werden mußte, inzwischen aber voll selbsttragend ist, ist es, den Frauen von Katatura ein besseres Selbstwertgefühl und eine Aufgabe / Arbeit zu geben.
Vorzugsweise arbeiten hier körperlich behinderte Frauen, was aber nicht zwingendes Muß für eine Einstellung ist. Einige der hergestellten Dinge werden vor Ort in einem kleinen Laden verkauft, der Großteil aber wird nach Groningen exportiert und dort verkauft.
Da ja immer noch „Weihnachtsferien“ sind, ist auch hier nicht viel los. Nur an einigen wenigen der 27 Plätze wird gearbeitet.
Auch hier wird Israel mit großem Hallo empfangen. Ich glaube, Israel ist ein durch und durch netter Mensch, der überall nur Freunde hat – es gibt solche Menschen!
In dem Laden würde ich gerne etwas mehr Geld ausgeben, aber leider gefällt mir der Stoff, aus dem die Kissen, Bettdecken und Taschen sind, nicht – er ist viel zu hart, so dass ich mich nicht dazu durchringen kann, etwas zu kaufen und schließlich nur mit zwei kleinen, bunten, billigen Halsketten den Laden verlasse.

Frauenprojekt Penduka liegt an dem Goreangab Damm, der leider teilweise aus nur notdürftig geklärten Abwässern besteht und daher nicht zum Baden geeignet ist, aber der Blick über den See ist wunderschön. Es gibt ein kleines Café, in das uns Israel zum Abschluß der Tour auf einen Drink einlädt. Auch hier muß alles erst aufgeschlossen werden, weil wir auf Grund der Weihnachtsferien die einzigen Gäste sind.
Nach gut drei Stunden kommen wir wieder am Ausgangpunk der Tour an und ich binfroh, dass ich die Tour mitgemacht habe, denn ich hatte eigentlich zu keinem Zeitpunkt das Gefühl, hier durch eine Art Zoo, in dem Menschen ausgestellt werden, zu fahren. Lediglich mit dem Fotografieren habe ich mich ziemlich zurück gehalten.

Das Büro der Tourist Information ist auch der Ort, an dem die Sammeltaxen zum Flughafen abfahren. Ich frage gleich mal nach, ob mich einer der jetzt hier wartenden Fahrer nachher zum Flughafen bringen möchte, woraufhin einer von ihnen sofort losflitzt und kurz darauf mit seiner selbstgestempelten Visitenkarte wieder kommt. Ich soll ihn anrufen, so bald ich los will.

Zu Fuß gehe ich zu Heikes Haus zurück. Dort habe ich noch etwas Zeit um zu duschen und einen Happen zu essen.
Gegen 14:30 Uhr rufe ich meinen Taxifahrer an, der auch prompt wenige Minuten später hupend vor Heikes Toreinfahrt steht und mit lautem Gebell von Heikes Hunden Sukoy (ein ziemlich rassistischer Rhodesian Richback mit einem ausgeprägten Hass auf Schwarze, der Weißen gegenüber der liebste Schoßhund, den man sich vorstellen kann, ist...) und Hannah (Terrier), sowie der ziemlich hoch schwangeren Pflege-Hündin angebellt wird.
Ich verabschiede mich von den beiden Heikes, Ansgar und Daan und steige ins Taxi.
 
Im Nachmittagsregen fährt der Fahrer mich in ziemlich halsbrecherischem Tempo zum ca. 45 km südlich der Stadt gelegenen Flughafen.
Dort habe ich dann noch jede Menge Zeit. Das Einchecken von Heikes gut gefülltem Ovambo-Korb macht keine Probleme, zusammen mit meinem eigenen Rucksack komme ich auf gerade mal 21,3 kg.

 
Der Rückflug ist dann nur noch „Routine“: Ein letzter Blick über die flache Ebene, in der der Windhoeker Flughafen liegt, über das leere Rollfeld, auf dem ich noch nie mehr als zwei mittelgroße Flugzeuge gesehen habe und die überlange Lande- und Startbahn, die gebraucht wird um den Flugzeugen genug Anlauf für den Start zu geben, denn in der heißen, dünnen Luft des 1.700 m hohen Plateaus haben Flugzeuge Schwierigkeiten, genug Schub aufzubauen, um Starten zu können.
Dann ein kurzer Zwischenstop in Johannisburg, ein letztes Einatmen der warmen Luft des südlichen Afrikas, eine gezwungenermaßen im Sitzen verbrachte und entsprechend ungemütliche Nacht, ein weiterer morgendlicher Zwischenstop in Zürich (warum ich von Windhoek aus über Johannisburg und Zürich nach Hamburg fliege, wird wohl nur das Reisebüro begreifen können...), ein letzter Flug im dünn besetzten kleinen City-Hopper und eine so stürmische Landung, dass sie selbst von einer Stewardeß mit dem Wort „Rasant!“ beschrieben wird und ich bin wieder zu Hause...

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