Daan macht uns alle schon ziemlich früh
wach. Das ist aber OK, denn ab 7:30 Uhr soll ich bei der Tourist Information
anrufen um zu erfragen, ob heute vormittag eine Sightseeingtour durch Katatura
zustande kommen wird. Also schmiere ich mir schnell zwei Brote, trinke
einen Becher Kaffee und einen Becher Rooibuschtee und telefoniere. Die
Frau, mit der ich spreche, kann mir zwar immer noch nicht 100 %ig zusichern,
dass die Tour statt finden wird, sie geht aber davon aus, dass die Leute,
die gestern schon bei ihr waren und ihr Interesse an der Vormittagstour
bekundet hatten, jetzt auch wirklich kommen werden. Ich soll doch bitte
um kurz vor 9:00 Uhr an ihrem Büro sein.
9:00 Uhr ist hier übrigens schon „mitten
am Vormittag“! Selbst wenn der gemeine Namibier bis 12:00 Uhr mittags konsequent
„Good morning!“ wünscht, steht er in der Regel doch so früh auf,
dass 9:00 Uhr und selbst 8:00 Uhr schon nicht mehr zum Morgen, sondern
zum Vormittag gerechnet werden.
Als ich um kurz vor 9:00 Uhr an der Tourist Information bin, höre ich, dass die Tour statt finden wird. Sehr schön!
Katatura ist der westliche Teil Windhoeks, der zu Zeiten der südafrikanischen Apartheidpolitik das schwarze Ghetto der Stadt darstellte. Und auch Katatura selbst war in diverse Stadtteile unterteilt, in denen die jeweils unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen des Landes leben mußten: Die Herero, die Nama, die Damara und die Kavango – jeder hatte seinen eigenen Stadtteil. So viel Apartheid wie irgend möglich eben.
Zwei weitere Gäste werden die Tour mit
mir zusammen machen:
Ein Ende 50-jähriger mächtiger
Nord-Bayer mit dickem Bierbauch, viel zu kleinem Sonnenhut und sauschlechtem
Englisch, der aus beruflichen Gründen seit November hier ist und jetzt
schon über ein endgültiges Auswandern nachdenkt und ein 13-jährige
schwarzes Ovambo-Mädchen, das die Tochter der „Freundin“ des dicken
Bayern ist. Mir ist diese Konstellation und eigentlich alles, was mit dem
dicken Bayer zusammen hängt weder nachvollziehbar noch ganz geheuer:
Einerseits verkörpert er alles, was
ich an Deutschen nicht mag: Seine wuchtige Gestalt wird von einem gleichermaßen
wuchtigen Auftreten unterstützt und sein Englisch ist so schlecht,
dass er nicht mal den Unterschied zwischen his und her kennt und in seine
wenigen englischen Sätze mit arroganter Selbstverständlichkeit
deutsche Worte einbaut und erwartet, dass jeder ihn versteht.
Auf der anderen Seite hat und sagt er aber
auch etliche Dinge, die ihn mir sympathisch werden lassen: So schimpft
er zum Beispiel immer wieder über Dauernörgeln und Anspruchsdenken
der deutschen Wohlstandsgesellschaft und freut sich über die Heiterkeit
und Freundlichkeit mir der auch die ärmeren Namibier allen Menschen
begegnen.
Seine „Freundin“ (ich bin mir nicht sicher,
wie dieser Begriff in seinem Fall zu deuten ist) arbeitete bis vor kurzem
für einen weißen Fabrikbesitzer. Für nur N$ 200,- im Monat
bestand ihre Aufgabe darin, 24 Stunden am Tag und 7 Tag in der Woche für
die 80-jährige bettlägerige Mutter des Fabrikbesitzers da zu
sein und sie zu pflegen.
Der dicke Bayer scheint sie aus diesem Frondienst
befreit zu haben und erzählt, dass es Wochen gedauert habe, bis sie
ihn nicht mehr als ihren „Herrn und Meister“ angesehen hätte.
Ob er für die jetzt allerdings der
Freund, ein Freund oder nur ein Arbeitgeber ist, wird mir nicht klar.
Der dicke Bayer hat allerdings auf jeden
Fall dafür gesorgt, dass das 13-jährige Mädchen, das jetzt
mit auf der Tour ist, von Oshakati, wo sie normalerweise lebt, mit nach
Windhoek gekommen ist, um übe die Weihnachtstage ihre Mutter zu besuchen.
Und er nimmt sie jetzt mit und zeigt ihr einen Teil Windhoek, von dem ich
mir gar nicht sicher bin, dass sie ihn sehen will.
Last but not least hat er seiner „Freundin“
und deren Schwester, die außerhalb Oshakatis in einem herkömmlichen
Familien-Kral lebt, Handys gekauft, damit sei miteinander kommunizieren
können.
Wie gesagt: Alles in allem werde ich aus
dem dicken Bayer (der eigentlich aus Nürnberg kommt und damit ein
Franke ist, sich selbst aber als Bayer verkauft...) nicht schlau und weiß
nicht, ob ich ihn sympathisch oder furchtbar finden soll...
Unser Guide heißt Israel und ist total
nett. Er ist schwarz [schwarz, bzw. black bedeutet schwarz, bzw. black,
wohingegen farbig, bzw. coloured für die Mischrassigen Menschen verwendet
wird] und spricht ganz langsames, sehr gutes Englisch. Er ist wie ein Safaritourist
aus dem Bilderbuch gekleidet und scheint auf der Tour fast jeden Menschen,
dem wir begegnen, persönlich zu kennen.
Außerdem gibt es einen Fahrer, der
aber nicht weiter in Erscheinung tritt.
Von der City aus fahren wir zunächst zu einem Friedhof, wo wir aussteigen und uns von Israel die Kurzversion der Geschichte Windhoek erklären lassen:
Die Nama waren die ersten, die um 1840 von
Süden kommend in die Gegend des heutigen Windhoeks zogen und sich
dort ansiedelten. Die Nama waren Schaf- und Ziegenhirten und waren auf
der Suche nach einem Ort, der eine gute Weide mit einer ständigen
Quelle vereinbarte. Sie fanden ihn in Windhoek, dem sie einen klacklaute
enthaltenden Namen (den ich mir weder merken noch aussprechen kann) gaben,
der übersetzt so viel wie „warme Quellen“ bedeutete.
Um 1880 drängten von Norden her die
Rinder züchtenden Herero in die Gegend. Die unterschiedlichen Lebensstile
der seßhaften Herero und der nomadisch lebenden Nama führten
zu ersten Konfrontationen, die aber noch keine weitreichenden Auswirkungen
hatten.
Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts
kamen die ersten Deutschen ins Land. Ihr Interesse halt der Rinderzucht
und sie versuchten, den Herero Land abzukaufen um ihre eigenen Farmen zu
gründen. An der Stadt Windhoek hatten die Deutschen vergleichsweise
wenig Interesse.
Die wenigsten Namibier waren allerdings
bereit, ihr Land an die Deutschen zu verkaufen, so dass es schließlich
zu dem von 1904 bis 1907 währenden Krieg zwischen den Einheimischen
und den Deutschen kam. Über 35.000 Herero und etliche zigtausend Namibier
anderer Völkergruppen, die den Herero im Kampf gegen die Deutschen
zu Hilfe kamen, vielen in diesem Krieg.
Mit Ausbruch des 1. Weltkrieges marschierten
südafrikanische Truppen 1914 in Namibia ein.
1919 hatte Deutschland laut dem Vertrag
von Versailles alle seine Kolonien verloren und Namibia stand fortan unter
südafrikanischer Herrschaft.
Nachdem Südafrika in Namibia das Sagen
übernommen hatte, begann es damit, die im eigenen Land praktizierte
Politik der strikten Apartheid auch in Namibia und vor allem in Windhoek
einzusetzen und durchzuführen.
Das hatte zur Folge, dass ganze Stadtteile,
die bis dahin von Schwarzen bewohnt gewesen waren und jetzt ausnahmslos
den Weißen vorbehalten sein sollten, umgesiedelt werden mußten.
Verständlicherweise stieß dieses Vorhaben bei den Schwarzen
nicht gerade auf Gegenliebe. Speziell die Herero, deren Stadtteil auch
den Friedhof, auf dem all ihre Vorfahren beerdigt waren und der ihnen daher
ein heiliger Ort war, beinhaltete, wollten nicht in das ihnen von der Regierung
zugewiesene Katatura umsiedeln.
Die südafrikanische Regierung versuchte,
Katatura wie eine verlockende Alternative klingen zu lassen: Dort sollte
es für alle Zwangsumgesiedelten kostenlose und mit Strom und fließendem
Wasser ausgestattete Eigenheime geben. Aber als die ersten dann nach Katatura
zogen, stellten sich diese Versprechungen als glatte Lügen heraus:
Zwar gab es in Katatura die versprochenen Steinhäuser mit Strom und
Wasser – sie waren aber keineswegs kostenlos, sondern mußten von
ihren neuen Bewohnern angemietet werden. Auch Wasser und Strom und sogar
der Bus, der die Schwarzen zu ihren Arbeitsplätzen im Zentrum Windhoek
bringen sollte, mußten bezahlt werden.
1958, bzw. 1960 wurde die SWAPO [South West Africa People’s Organisation]gegründet und es kommt zu ersten Unruhen. Am 9. und 10. Oktober 1959 kam es zu einem blutigen Aufstand bei dem 13 Herero ihr Leben ließen. Trotzdem wurden die Zwangsumsiedlungen durchgeführt und Katatura wurde zu Windhoek Ghetto, das selbst in sich streng nach den unterschiedlichen Rassen unterteilt war.
Erst 1978 zog Südafrika sich auf den Druck der UN hin aus Namibia zurück und gab den langsamen und mühseligen Weg in die Unabhängigkeit frei. Bis zu den ersten freien Wahlen 1990 vergingen allerdings weitere 12 Jahre, in denen sich die Apartheid erst langsam „zersiedelte“.
Auch heute noch leben fast ausschließlich Schwarze in Katatura, aber es gibt immerhin kein Gesetze mehr, die festlegen, wer wo wohnen darf. Außerdem hatten die Schwarzen, die jahrelang in ihren gemieteten Häusern gelebt hatten, mit dem Ende südafrikanischen Herrschaft die Möglichkeit, dem Staat ihre Häuser für wenig Geld abzukaufen.
Heute gibt es in Katatura drei unterschiedliche
Wohngegenden:
Die Gegend, in der die ehemals vom Staat
gebauten Steinhäuser stehen. Sie sind klein, sehen von außen
so aus, als hätten sie maximal drei Zimmer, werden im Durchschnitt
von sechs Personen bewohnt (im Gegensatz zu durchschnittlich nur zwei Personen
die in den in der Regel viel geräumigeren Steinhäusern in den
nach wie vor von Weißen dominierten Teilen der Stadt leben) und haben
ihre Toiletten im Garten. Aber die meisten dieser Häuser sehen sauber
aus, sind fröhlich bunt gestrichen und haben kleine Gärten, in
denen Schatten spendende Bäume stehen oder Obst, Gemüse oder
Getreide angebaut werden kann.
Es gibt Läden, Bars, Shebeens [= Trinkhallen]
und Märkte, auf denen man (fast) alle zum täglichen Leben benötigten
Güter kaufen kann.
An einigen dieser Häuser kann man übrigens
heute noch die Buchstaben N oder H oder D an der Haustür lesen. Diese
stammen aus der Zeit der Apartheid und zeigten die jeweilige Rasse, die
hier leben durfte, an.
Die zweite und dritte Art von Häusern
sind Wellblechhütten. Unterscheiden tun sie sich lediglich durch ihren
unterschiedlichen Status der Legalität. In einem Teil Kataturas stehen
diese Wellblechhütten schon seit geraumer Zeit und sind irgendwann
von der Regierung zu ganz legalen Wohnhäusern erklärt worden.
Die Straßen haben Straßennamen und die Häuser haben Hausnummern
bekommen.
Die andere Hälfte der Wellblechhütten
sind die Wohnungen der Neuankömmlinge und haben bis heute nicht den
Status der Legalität erhalten, sondern werden sozusagen nur als dauerhafte
Übergangslösung geduldet.
In beiden Wellblechvierteln stellt der Staat
eine Art kommunale Grundversorgung sicher: Es gibt öffentliche Wasserstellen
und Toilettenhäuschen, Schulen und Kindergärten.
Auch in diesen Teilen der Stadt gibt es jede
Menge Shebeens und hinter diversen offen stehenden Türen kann man
Billardtische sehen.
So einfach diese Behausungen sein mögen,
sie sehen (nur) in den seltensten Fällen richtig ärmlich aus
und Israel – der selbst auch in Katatura wohnt – bestätigt mir, dass
viele dieser Häuser mit überraschend vielen und guten Möbeln
und Teppichen eingerichtet sind und teilweise sogar über Fernsehen,
Kühlschränke und alle möglichen sonstigen Errungenschaften
des modernen Lebens verfügen.
Nur mit dem Platz ist es eben nicht zum
Besten bestellt, denn im Durchschnitt leben vier Personen in diesen doch
recht kleinen Hütten.
Insgesamt hat Katatura inzwischen mehr als
200.00 Einwohner. Vor allem, wenn man bedenkt, dass ganz Namibia nur 1.800.000
Einwohner hat (von denen ca. 600.000 in den vier im Norden des Landes liegenden
sogenannten „O-Proinzen“ (Omusati, Oshana, Ohangwena und Oshikoto) leben)
ist das sehr, sehr viel. Und der Zustrom an Neuankömmlingen, die in
der Hoffnung auf Arbeit und bessere Lebensbedingungen in die Hauptstadt
streben, reißt nicht ab.
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Den Großteil dieser Dinge erfahren
wir, während wir mit Israel und dem Fahrer durch die Straßen
von Katatura holpern.
Ich war mir ja nicht ganz sicher gewesen,
ob ich diese Fahrt wirklich mitmachen wollte. Mir war das ganze doch ziemlich
voyeuristisch vorgekommen: In anderen Ländern fahren die Stadtrundfahrten
an Baudenkmälern oder Plätzen „des allgemeinen Interesses“ vorbei,
aber niemals durch die Wohngegenden der einzelnen Bevölkerungsgruppen
oder –schichten oder wie immer man das nennen und unterteilen will... Das
wäre doch so, als würde man in Hamburg eine Stadtrundfahrt durch
Blankenese („Hier leben die Reichen!“), Eimsbüttel („Hier leben die
Studenten!“) und Altona („Und hier leben die Türken!“) anbieten! Will
ich so etwas wirklich unterstützten?
Andererseits habe ich immer wieder die Freundlichkeit
der Namibier kennen gelernt und habe erfahren, wie „unkompliziert“ und
offen sie mit Fremden umgehen.
Und ich muß auch an die Erfahrungen,
die Alexander und ich an den Tagen nach dem 11. September 2001 in New York
gemacht haben, denken:
Dort waren wir in der Feuerwache von Brooklyn,
wo jeder der Anwesenden Freunde, Kollegen oder Verwandte verloren hatte,
regelrecht aufgefordert und gebeten worden, die Gedenkwände und die
vor der Tür stehenden Trauerlichter zu fotografieren. Das war uns
damals auch befremdlich und irgendwie pietätlos vorgekommen, aber
in Amerika hat man dazu wohl eine völlig andere Einstellung, die man
als Fremder unbedingt akzeptieren sollte.
In diesem Fall ist es sicher ähnlich:
Ich glaube kaum dass eine offizielle Touristeneinrichtung Führungen
durch Katatura anbieten würde, wenn sie wüßte, dass sie
damit den dort lebenden Menschen Unrecht tun würde.
Und ich vermute sogar, da vorher zumindest
mit einigen Leuten aus den Gegenden, durch die wir fahren, gesprochen wurde.
Dafür spricht, dass Israel fast ununterbrochen aus dem Fenster grüßt
und überall, wo wir anhalten und aussteigen mit großem Hallo
empfangen wird.
Unser erster Stop ist, wie gesagt, der Friedhof,
auf dem wir die Kurzversion der Geschichte Namibias erklärt bekommen,
den wir uns selbst aber nicht weiter angucken.
Neben dem Friedhof ist übrigens das
„Arbeitsamt“ Kataturas: Hier warten etliche schwarze Tagelöhner darauf,
dass jemand vorbei kommt und sie für einen Job „einsammelt“. Was auch
passiert.
Nachdem wir dann eine Weile durch den Steinhaus-Teil
Kataturas gefahren sind, ist unser nächster Stop einer der Märkte,
die es hier überall gibt.
Die Stadt hat diese überdachten aber
nach allen Seiten hin offenen Flächen gebaut und den Händlern,
die bis dahin an den Straßenecken gestanden und dort ihre Waren angeboten
hatten, zur Verfügung gestellt. Für verhältnismäßig
wenig Geld kann man sich hier eine Marktfläche mieten: Anbieter von
traditionellen Lebensmitteln sind mit nur N$ 30,- pro Monat dabei, die
teuersten Stände, die dann auch schon fast kleine Läden und aus
Stein gebaut sind, werden für bis zu N$ 300,- an Friseure, Haarflechter,
Schneider und Handyanbieter vermietet. Da ein von einer der Schneiderinnen
genähtes Kleid schon bis zu N$ 250,- kosten kann, scheint es so, als
hätte jeder der „Markt-ler“ eine realistische Chance, seine Standgebühren
wieder einzuspielen.
Ein weiterer Vorteil dieser Märkte
ist, dass die Fläche rund um die Uhr bewacht wird, so dass die Waren
über Nacht – zu ordentlichen Paketen verschnürt – hier gelagert
bleiben können und nicht ständig durch die Gegend getragen werden
müssen.
Wir gucken uns den Markt an:
An den Ständen mit den traditionellen
Lebensmitteln werden all die Dinge angeboten, die ich gestern abend gegessen
habe: Ovambo-Spinat, der in seiner getrockneten Darbietungsform allerdings
mehr an Algen als an Spinat erinnert, in Flaschen abgefülltes Marula-Öl,
Maismehl und andere zu Mehl verarbeitete Getreidesorten und sogar getrocknete
Mopane-Raupen!
Einige Meter weiter haben die Fleischer
ihre Stände: Auf großen runden Holztischen werden halbe und
viertel Kühe. Auf einem Stand liegt der Kopf einer Kuh, auf einem
anderen die noch fellbezogenen Beine, die Eingeweide oder der Pansen. Obwohl
einige der angebotenen Teile für das europäische Auge etwas gewöhnungsbedürftig
sind, macht alles einen sehr sauberen Eindruck; und vor allem: Es stinkt
hier nicht(s)!
Dann schauen wir uns auch noch die „festen“ Marktstände (die Schneider, Friseure, etc.) an, die ich aber nicht so spannend finde. Diese Art kleiner Läden findet man ja eigentlich überall auf der Welt – sie sind weder etwas typisches Afrikanisches, noch haben sie direkt etwas mit Katatura zu tun.
Wir fahren weiter.
Jetzt fahren wir durch die Wellblechhüttenviertel
Kataturas und Israel dreht sich immer mal wieder zu uns nach hinten und
erklärt und erzählt. Er macht das wirklich sehr nett, ausführlich
und gut verständlich.
Auf der Fahrt zu unserem letzten Ziel kommen
wir auch durch einen relativ neuen Stadtteil Kataturas. Er trägt den
Namen „Wanaheda“, der aus den jeweils zwei Anfangbuchstaben der unterschiedlichen
Volksstämme Namibias zusammen gesetzt ist und somit ein Zeichen für
das Ende der Apartheid ist! [Wa = Ovambo & Kavango (?) / Na = Nama
/ He = Herero / Da = Damara] – Eine sehr schöne Geste, wie ich
finde!
Unser letztes Ziel ist ein Frauenprojekt,
dessen afrikanischer Name „Penduka“ übersetzt Wake up bedeutet. Hier
arbeiten 27 Frauen (und 3 Männer!). Von einer Holländerin angeleitet
nähen, sticken und batiken sie, töpfern, stellen einfachen Schmuck
und kleine Andenken her. Ziel dieses Projektes, das nur in seinen Anfangzeiten
über Spenden mitfinanziert werden mußte, inzwischen aber voll
selbsttragend ist, ist es, den Frauen von Katatura ein besseres Selbstwertgefühl
und eine Aufgabe / Arbeit zu geben.
Vorzugsweise arbeiten hier körperlich
behinderte Frauen, was aber nicht zwingendes Muß für eine Einstellung
ist. Einige der hergestellten Dinge werden vor Ort in einem kleinen Laden
verkauft, der Großteil aber wird nach Groningen exportiert und dort
verkauft.
Da ja immer noch „Weihnachtsferien“ sind,
ist auch hier nicht viel los. Nur an einigen wenigen der 27 Plätze
wird gearbeitet.
Auch hier wird Israel mit großem Hallo
empfangen. Ich glaube, Israel ist ein durch und durch netter Mensch, der
überall nur Freunde hat – es gibt solche Menschen!
In dem Laden würde ich gerne etwas
mehr Geld ausgeben, aber leider gefällt mir der Stoff, aus dem die
Kissen, Bettdecken und Taschen sind, nicht – er ist viel zu hart, so dass
ich mich nicht dazu durchringen kann, etwas zu kaufen und schließlich
nur mit zwei kleinen, bunten, billigen Halsketten den Laden verlasse.
Frauenprojekt Penduka liegt an dem Goreangab
Damm, der leider teilweise aus nur notdürftig geklärten Abwässern
besteht und daher nicht zum Baden geeignet ist, aber der Blick über
den See ist wunderschön. Es gibt ein kleines Café, in das uns
Israel zum Abschluß der Tour auf einen Drink einlädt. Auch hier
muß alles erst aufgeschlossen werden, weil wir auf Grund der Weihnachtsferien
die einzigen Gäste sind.
Nach gut drei Stunden kommen wir wieder
am Ausgangpunk der Tour an und ich binfroh, dass ich die Tour mitgemacht
habe, denn ich hatte eigentlich zu keinem Zeitpunkt das Gefühl, hier
durch eine Art Zoo, in dem Menschen ausgestellt werden, zu fahren. Lediglich
mit dem Fotografieren habe ich mich ziemlich zurück gehalten.
Das Büro der Tourist Information ist auch der Ort, an dem die Sammeltaxen zum Flughafen abfahren. Ich frage gleich mal nach, ob mich einer der jetzt hier wartenden Fahrer nachher zum Flughafen bringen möchte, woraufhin einer von ihnen sofort losflitzt und kurz darauf mit seiner selbstgestempelten Visitenkarte wieder kommt. Ich soll ihn anrufen, so bald ich los will.
Zu Fuß gehe ich zu Heikes Haus zurück.
Dort habe ich noch etwas Zeit um zu duschen und einen Happen zu essen.
Gegen 14:30 Uhr rufe ich meinen Taxifahrer
an, der auch prompt wenige Minuten später hupend vor Heikes Toreinfahrt
steht und mit lautem Gebell von Heikes Hunden Sukoy (ein ziemlich rassistischer
Rhodesian Richback mit einem ausgeprägten Hass auf Schwarze, der Weißen
gegenüber der liebste Schoßhund, den man sich vorstellen kann,
ist...) und Hannah (Terrier), sowie der ziemlich hoch schwangeren Pflege-Hündin
angebellt wird.
Ich verabschiede mich von den beiden Heikes,
Ansgar und Daan und steige ins Taxi.