Wieder lassen wir uns mit Aufstehen, frühstücken
und dem Zusammenpacken unserer Sachen eine Menge Zeit. Heike und Ansgar
sind ja jetzt und hier sozusagen auf „in den Ferien“, also gibt es keinen
Tagesplan, den wir erfüllen müssen und wir brauchen nicht zu
hetzen.
Nachdem alle sieben Sachen zusammen gepackt
und verstaut sind, fahren wir zunächst einmal in Richtung Brandberg.
Ansgar, der ja begeisterter Kletterer ist, würde am liebsten den ganzen
Berg erklimmen (was er schon einige Male getan hat), aber da der Brandberg
fast 2.000 m höher als die ihn umgebende Ebene ist, würde er
dazu mindestens zwei Tage brauchen und so lange würden Heike, Dann
und ich es in der Schatten- und Wasserlosen Wüste am Fuß des
Berges sicher nicht aushalten wollen. Außerdem ist Heike der Gedanke,
dass Ansgar allein und ohne jegliche Kontaktmöglichkeit auf den Berg
klettern würde, eh nicht geheuer. Hier gibt es ja nicht nur steile
Hänge und Schlangen, sondern auch weder Wasser noch Handyempfang.
Nicht so ganz ungefährlich also, so eine Tour...
Aber vielleicht kann man wenigstens am Fuße
des Berges etwas rumklettern?
Ansgar versucht, die sogenannte Domschlucht
anzusteuern. Als wir dann aber am Fuß des Bergmassivs angekommen
sind und in die Karte gucken, stellen wir fest, dass wir von der Domschlucht
weit entfernt sind. Aber hier ist es auch hübsch!
Außerdem verrät ein gründlicher
Blick in die Karte uns, dass es nur ca. 500 m von dem Ort, an dem wir uns
jetzt gerade befinden eine Quelle geben soll. Die könnte also unser
Ziel sein.
Heike bleibt mit Daan, der gerade erst von
seinem Vormittagsschlaf aufgewacht ist, unter dem aufgespannten Sonnendach
am Auto, während Ansgar und ich den Aufstieg in Angriff nehmen. Ein
richtiger Aufstieg ist es allerdings nicht wirklich, mehr ein leichtes
gekraksel über große und kleine Felsbrocken. Selbst mit meinen
Sandalesn komme ich hier problemlos hoch. Langsam klettern wir in einer
sehr weite Schlucht empor. Es ist klar zu erkennen, dass im seltenen Fall
eines Regenereignisses auf dem Brandberg ein Großteil des Regenwassers
diese Schlucht herunter kommen würde.
Nachdem wir uns die avisierten 500m (Luftlinie)
vom Roda wegbewegt haben und dabei ca. 70 Höhenmeter überwunden
haben, kommen wir an fünf oder sechs wie Kaskaden übereinander
liegende fast schneeweißen Felsstufen, die total schön aussehen!
Ich bin überzeug davon, dass wenn es
hier eine Quelle gibt, sie hier zu finden sein muß! Die Vegetation
gibt mir recht: Zwischen all den Felsen taucht plötzlich an etlichen
Stellen frisches Grün auf: Ganz eindeutig handelt es sich dabei um
Pflanzen, die nicht im ariden Klima vorkommen, sondern regelmäßiges
und flaches Grundwasser brauchen: Fleischige Blätter, bunte Blüten,
keine Dornen – das alles sind, so weit ich weiß, nicht unbedingt
aber oft Zeichen für Pflanzen, die regelmäßig(es) Wasser
brauchen.
Und gleich auf der untersten Terrassenstufe
finden wir auch das Wasser. In einer von Menschen oder Tieren gescharrten
ca. ½ m tiefen Mulde mit einem Durchmesser von ca. 1 m steht Wasser.
Am Rand der kleinen Pfütze wächst ein Büschel Schilfgras
und im Wasser selbst wimmelt es nur so von Kaulquappen! Erstaunlich, dass
die Frösche, die bald aus den Kaulquappen entstehen werden, in diesem
Klima überleben können.
Wir klettern auf die nächst höher
gelegene Terrassenstufe. Hier steht zwar kein Wasser, es ist aber deutlich
zu erkennen, dass auch hier relativ viel Feuchtigkeit im Boden enthalten
sein muß. Und so sieht es auf jeder der fünf oder sechs Stufen
aus.
Die ganze „Anlage“ ist ein total schönes
Bild und wenn man hier steht, mag man kaum glauben, dass man sich am nord-östlichen
Rand (einer) der trockensten Wüsten der Erde – der Namib – und nicht
in einem botanischen Garten befindet!
Wir machen eine kleine Pause.
Gerne würde ich länger hier oben
bleiben, aber wir wollen Heike und Daan nicht länger als unbedingt
nötig in der Hitze warten lassen. Die beiden sind auch schon fast
gar gekocht, als wir wieder am Auto ankommen.
Uis ist für das Damaraland das, was für das Buschmannland Tsumkwe ist: Ein kleiner Ort mit einigen wenigen festen, gemauerten Gebäuden, einer ziemlich nobel aussehenden Lodge mit Restaurant, einer Tankstelle, einem Supermarkt (deutlich größer als Savanna II oder Self Help in Tsumkwe), inklusive Schlachterei, Postschalter und einer extrem sauberen öffentlichen Toilette mit Heckelbezogenen Klodeckeln und einem oder zwei Läden, in denen man hier in der Gegend gefundene Halbedelsteine (größtenteils Amethysten) kaufen kann. Ein Handynetz gibt es auch hier nicht. (Wobei ich später erfahre, dass es sowohl hier, als auch in Tsumkwe eigentlich sehr wohl Handy-Empfang geben müßte – möglicherweise gilt das aber nur für das in Namibia am weitesten verbreitete Netz und nicht für andere Handys.)
Drei Kinder spielen auf einem Fahrrad, das
weder Reifen noch Pedale hat und kaum dass wir angehaltne haben sind wir
von sieben oder acht ziemlich aufdringlichen Damaras umringt, die uns ihre
Steine erkaufen wollen und gleichzeitig um Geld und / oder Essen betteln.
Auf diese Weise werden wir eine Tüte
Fisherman’s Friend (der Vorrat ist noch groß genug) und eine Apfelsine,
die von uns eh keiner mehr gegessen hätte, weil sie schon so lange
im Auto gelegen hat.
Ansgar gerät kurzfristig in Versuchung,
einem der Damara auch einen Stein abzukaufen. Als er aber mitbekommt, wie
die Händler untereinander in Streit geraten, wer jetzt den Verkauf
tätigen darf, macht Ansgar konsequenterweise einen kompletten Rückzieher,
was die Damara ziemlich überrascht und frustriert.
Insgesamt finde ich den Auftritt der Damara
relativ unerfreulich. Die Buschmänner versuchen zwar auch oft, einem
etwas zu verkaufen oder Tabak und / oder Zucker zu bekommen, begnügen
sich aber mit einem, „Nein, danke!“, lassen einen dann sofort in Ruhe und
bleiben vor allem sowohl untereinander als vor allem auch uns gegenüber
immer freundlich! Mehr noch: Wenn man ihnen zum Beispiel klar macht, dass
man keinen Tabak hat, weil Rauchen ungesund ist und das mit den entsprechenden
hustenden und würgenden Gesten illustriert, bringt man die Buschleute
eigentlich immer zum Lachen und die Tatsache, dass sie keinen Tabak bekommen
können, ist überhaupt nicht weiter wichtig.
Die Damara hier bleiben uns gegenüber
zwar auch recht höflich, sind aber um einiges aufdringlicher und penetranter
und weisen uns sogar darauf hin, dass wir ja durchaus reich sein müßten,
wenn wir so ein großes Auto mit so viele Sachen drin haben.
Die Tatsache, dass wir im Vergleich zu ihnen
vielleicht viel mehr Besitz haben, dass das aber absolut nicht zwangsläufig
heißt, dass wir auch in Deutschland und im Vergleich zu „unseresgleichen“
zu den Reichen gehören und dass auch wir nichts geschenkt bekommen
(haben), sondern hart und lange für das, was wir hier haben, arbeiten
mußten, ist den Menschen oft nicht klar zu machen.
Erst als Heike einem der Verkäufer
erzählt, dass bei diesem so toll aussehenden Auto gestern der Motor
herausgefallen ist, macht er dann doch ein beeindrucktes Gesicht und scheint
zu kapieren, dass es Leute gibt, bei denen sich das Betteln mehr lohnt,
als bei uns und dass es uns (materiell gesehen) vielleicht doch nicht so
gut gehen mag, wie es für ihn vielleicht den Anschein hat.
Nachdem wir uns von den Verkäufern losgerissen haben, steuern wir den Supermarkt an, kaufen Brot, Käse, Sandwichspread und eine Gurke und machen gleich auf dem Parkplatz vor dem Supermarkt – den die Damaraverkäufer übrigens nicht betreten dürfen – eine Mittagspause.
Als Heike und Ansgar vor zwei Jahren das letzte mal hier waren, hatte es hier noch eine von einem sehr netten Patrick betriebene Lodge gegeben, aber die scheint inzwischen durch die neue Luxus-Lodge verdrängt worden zu sein. Wo Patrick jetzt ist, kann uns keiner sagen, und so verlassen wir Uis wieder, sobald wir aufgegessen haben.
Noch einmal fahren wir an etlichen der Wellblechhütten der Damara vorbei und noch einmal frage ich mich, wie es kommen kann, dass es für Damara erstrebenswerter ist, ihre Häuser aus dem Schrott der Zivilisation zu bauen, als aus ursprünglichem Baumaterial wie Holz oder Stein, dass nicht nur so viel schöner aussieht, sondern garantiert auch den hier herrschenden klimatischen Gegebenheiten so viel besser entspricht und angepaßt ist. Bevor es hier Industrieabfall wie Blechfässer und Plastikplanen gab, müssen die Damara ja auch irgendwie ihre Hütten gebaut haben und es ist ja nicht so, dass es hier keine Steine geben würde...
Von Uis aus fahren wir Richtung Westen nach Omaruru. Wir hoffen, hier einen Campingplatz zu finden, aber die einzige Lodge, die auf ihrem Schild auch einen Campingplatz ausweist, hat über die Feiertage geschlossen und das Geld für ein B&B wollen Heike und Ansgar nicht ausgeben.
Also fahren wir weiter nach Karibib, haben
hier aber genau so wenig Glück. Zwar gibt es hier einen Campingplatz,
aber der sieht genau so wenig einladend aus wie die ganze Stadt selbst,
so dass wir uns, obwohl es schon ziemlich spät ist und wir schon ziemlich
lange im Auto sitzen, uns entschließen, auch noch die 120 km Richtung
Okahandja in Angriff zu nehmen.
Spätestens dort – das weiß Heike
ganz sicher – gibt es gleich mehrere Campingmöglichkeiten.
Selbst als wir Okahandja endlich erreichen,
gestaltet sich die Suche nach einem Zeltplatz noch schwierig: Die ersten
beiden ausgewiesenen Campingplätze, die wir ansteuern – die Okahandja
Lodge und ein Reiterhof – haben über die Feiertage geschlossen. Erst
im nicht sehr optimal an der Hauptstraße nach Windhoek gelegenen
Okahandja Rest Camp finden wir für ziemlich teure N$ 165,- eine Übernachtungsmöglichkeit.
Der Platz an sich ist sehr schön und
sauber – nur liegt er halt direkt neben der ziemlich viel befahrenen Straße.
Wir beeilen uns, die Zelte noch vor Einbruch
der Dunkelheit und vor dem nächsten Regen aufzubauen.
Über die Essensfrage gibt es einiges
Hick-Hack, denn Heike hat keine Lust zu kochen (weil es schon so spät
ist und weiß sie schon wieder den ganzen Tag im Auto sitzen mußte
und jetzt KO ist) und Ansgar hat keine Lust auf Take Away-Fast Food.
Schließlich kommen bei dem hin und
her lustige Dosenthunfisch-Sandwich-Spread-Toaste (für Ansgar, Daan
und mich) und Haferflocken mit Kompott-Birnen (für Heike) dabei raus...
Um 21:00 Uhr ist es stockdunkel und da es
eh die ganze Zeit stippert und nicht wirklich gemütlich ist, ist es
schon wieder ziet, sich ins Zelt zu verkriechen, noch eine Runde zu schreiben
und dann gemütlich dem Regen lauschend wegzudrömseln...
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