SONNTAG, 2. JANUAR 2005

Wieder lassen wir uns mit Aufstehen, frühstücken und dem Zusammenpacken unserer Sachen eine Menge Zeit. Heike und Ansgar sind ja jetzt und hier sozusagen auf „in den Ferien“, also gibt es keinen Tagesplan, den wir erfüllen müssen und wir brauchen nicht zu hetzen.
Nachdem alle sieben Sachen zusammen gepackt und verstaut sind, fahren wir zunächst einmal in Richtung Brandberg. Ansgar, der ja begeisterter Kletterer ist, würde am liebsten den ganzen Berg erklimmen (was er schon einige Male getan hat), aber da der Brandberg fast 2.000 m höher als die ihn umgebende Ebene ist, würde er dazu mindestens zwei Tage brauchen und so lange würden Heike, Dann und ich es in der Schatten- und Wasserlosen Wüste am Fuß des Berges sicher nicht aushalten wollen. Außerdem ist Heike der Gedanke, dass Ansgar allein und ohne jegliche Kontaktmöglichkeit auf den Berg klettern würde, eh nicht geheuer. Hier gibt es ja nicht nur steile Hänge und Schlangen, sondern auch weder Wasser noch Handyempfang. Nicht so ganz ungefährlich also, so eine Tour...
Aber vielleicht kann man wenigstens am Fuße des Berges etwas rumklettern?
Ansgar versucht, die sogenannte Domschlucht anzusteuern. Als wir dann aber am Fuß des Bergmassivs angekommen sind und in die Karte gucken, stellen wir fest, dass wir von der Domschlucht weit entfernt sind. Aber hier ist es auch hübsch!
Außerdem verrät ein gründlicher Blick in die Karte uns, dass es nur ca. 500 m von dem Ort, an dem wir uns jetzt gerade befinden eine Quelle geben soll. Die könnte also unser Ziel sein.

Heike bleibt mit Daan, der gerade erst von seinem Vormittagsschlaf aufgewacht ist, unter dem aufgespannten Sonnendach am Auto, während Ansgar und ich den Aufstieg in Angriff nehmen. Ein richtiger Aufstieg ist es allerdings nicht wirklich, mehr ein  leichtes gekraksel über große und kleine Felsbrocken. Selbst mit meinen Sandalesn komme ich hier problemlos hoch. Langsam klettern wir in einer sehr weite Schlucht empor. Es ist klar zu erkennen, dass im seltenen Fall eines Regenereignisses auf dem Brandberg ein Großteil des Regenwassers diese Schlucht herunter kommen würde.
Nachdem wir uns die avisierten 500m (Luftlinie) vom Roda wegbewegt haben und dabei ca. 70 Höhenmeter überwunden haben, kommen wir an fünf oder sechs wie Kaskaden übereinander liegende fast schneeweißen Felsstufen, die total schön aussehen!
Ich bin überzeug davon, dass wenn es hier eine Quelle gibt, sie hier zu finden sein muß! Die Vegetation gibt mir recht: Zwischen all den Felsen taucht plötzlich an etlichen Stellen frisches Grün auf: Ganz eindeutig handelt es sich dabei um Pflanzen, die nicht im ariden Klima vorkommen, sondern regelmäßiges und flaches Grundwasser brauchen: Fleischige Blätter, bunte Blüten, keine Dornen – das alles sind, so weit ich weiß, nicht unbedingt aber oft Zeichen für Pflanzen, die regelmäßig(es) Wasser brauchen.
 

In dieser Richtung vermuten wir die Quelle.
Und richtig: Hier sieht es schon nach Wasser aus!
In der kleinen Wasserpfütze schwimmen Kaulquappen!
Von oben hat man einen herrlichen Blick über die Quelle...
... und weiter über die Namib.

 

Und gleich auf der untersten Terrassenstufe finden wir auch das Wasser. In einer von Menschen oder Tieren gescharrten ca. ½ m tiefen Mulde mit einem Durchmesser von ca. 1 m steht Wasser. Am Rand der kleinen Pfütze wächst ein Büschel Schilfgras und im Wasser selbst wimmelt es nur so von Kaulquappen! Erstaunlich, dass die Frösche, die bald aus den Kaulquappen entstehen werden, in diesem Klima überleben können.
Wir klettern auf die nächst höher gelegene Terrassenstufe. Hier steht zwar kein Wasser, es ist aber deutlich zu erkennen, dass auch hier relativ viel Feuchtigkeit im Boden enthalten sein muß. Und so sieht es auf jeder der fünf oder sechs Stufen aus.
Die ganze „Anlage“ ist ein total schönes Bild und wenn man hier steht, mag man kaum glauben, dass man sich am nord-östlichen Rand (einer) der trockensten Wüsten der Erde – der Namib – und nicht in einem botanischen Garten befindet!
Wir machen eine kleine Pause.
Gerne würde ich länger hier oben bleiben, aber wir wollen Heike und Daan nicht länger als unbedingt nötig in der Hitze warten lassen. Die beiden sind auch schon fast gar gekocht, als wir wieder am Auto ankommen.
 
Der Namib-Rock
Wir klappen das Sonnendach zusammen und fahren –  so schnell es die Motorkonstruktion zuläßt – zurück zur Straße und von dort aus am markanten Namib-Rock, dem „Eingang“ zur Namib, der ein bißchen wie der kleine Bruder des australischen Ayre’s Rock aussieht, vorbei auf die Hauptstraße und bis nach Uis.

Uis ist für das Damaraland das, was für das Buschmannland Tsumkwe ist: Ein kleiner Ort mit einigen wenigen festen, gemauerten Gebäuden, einer ziemlich nobel aussehenden Lodge mit Restaurant, einer Tankstelle, einem Supermarkt (deutlich größer als Savanna II oder Self Help in Tsumkwe), inklusive Schlachterei, Postschalter und einer extrem sauberen öffentlichen Toilette mit Heckelbezogenen Klodeckeln und einem oder zwei Läden, in denen man hier in der Gegend gefundene Halbedelsteine (größtenteils Amethysten) kaufen kann. Ein Handynetz gibt es auch hier nicht. (Wobei ich später erfahre, dass es sowohl hier, als auch in Tsumkwe eigentlich sehr wohl Handy-Empfang geben müßte – möglicherweise gilt das aber nur für das in Namibia am weitesten verbreitete Netz und nicht für andere Handys.)

Drei Kinder spielen auf einem Fahrrad, das weder Reifen noch Pedale hat und kaum dass wir angehaltne haben sind wir von sieben oder acht ziemlich aufdringlichen Damaras umringt, die uns ihre Steine erkaufen wollen und gleichzeitig um Geld und / oder Essen betteln.
Auf diese Weise werden wir eine Tüte Fisherman’s Friend (der Vorrat ist noch groß genug) und eine Apfelsine, die von uns eh keiner mehr gegessen hätte, weil sie schon so lange im Auto gelegen hat.
Ansgar gerät kurzfristig in Versuchung, einem der Damara auch einen Stein abzukaufen. Als er aber mitbekommt, wie die Händler untereinander in Streit geraten, wer jetzt den Verkauf tätigen darf, macht Ansgar konsequenterweise einen kompletten Rückzieher, was die Damara ziemlich überrascht und frustriert.

Insgesamt finde ich den Auftritt der Damara relativ unerfreulich. Die Buschmänner versuchen zwar auch oft, einem etwas zu verkaufen oder Tabak und / oder Zucker zu bekommen, begnügen sich aber mit einem, „Nein, danke!“, lassen einen dann sofort in Ruhe und bleiben vor allem sowohl untereinander als vor allem auch uns gegenüber immer freundlich! Mehr noch: Wenn man ihnen zum Beispiel klar macht, dass man keinen Tabak hat, weil Rauchen ungesund ist und das mit den entsprechenden hustenden und würgenden Gesten illustriert, bringt man die Buschleute eigentlich immer zum Lachen und die Tatsache, dass sie keinen Tabak bekommen können, ist überhaupt nicht weiter wichtig.
Die Damara hier bleiben uns gegenüber zwar auch recht höflich, sind aber um einiges aufdringlicher und penetranter und weisen uns sogar darauf hin, dass wir ja durchaus reich sein müßten, wenn wir so ein großes Auto mit so viele Sachen drin haben.
Die Tatsache, dass wir im Vergleich zu ihnen vielleicht viel mehr Besitz haben, dass das aber absolut nicht zwangsläufig heißt, dass wir auch in Deutschland und im Vergleich zu „unseresgleichen“ zu den Reichen gehören und dass auch wir nichts geschenkt bekommen (haben), sondern hart und lange für das, was wir hier haben, arbeiten mußten, ist den Menschen oft nicht klar zu machen.
Erst als Heike einem der Verkäufer erzählt, dass bei diesem so toll aussehenden Auto gestern der Motor herausgefallen ist, macht er dann doch ein beeindrucktes Gesicht und scheint zu kapieren, dass es Leute gibt, bei denen sich das Betteln mehr lohnt, als bei uns und dass es uns (materiell gesehen) vielleicht doch nicht so gut gehen mag, wie es für ihn vielleicht den Anschein hat.

Nachdem wir uns von den Verkäufern losgerissen haben, steuern wir den Supermarkt an, kaufen Brot, Käse, Sandwichspread und eine Gurke und machen gleich auf dem Parkplatz vor dem Supermarkt – den die Damaraverkäufer übrigens nicht betreten dürfen – eine Mittagspause.

Als Heike und Ansgar vor zwei Jahren das letzte mal hier waren, hatte es hier noch eine von einem sehr netten Patrick betriebene Lodge gegeben, aber die scheint inzwischen durch die neue Luxus-Lodge verdrängt worden zu sein. Wo Patrick jetzt ist, kann uns keiner sagen, und so verlassen wir Uis wieder, sobald wir aufgegessen haben.

Noch einmal fahren wir an etlichen der Wellblechhütten der Damara vorbei und noch einmal frage ich mich, wie es kommen kann, dass es für Damara erstrebenswerter ist, ihre Häuser aus dem Schrott der Zivilisation zu bauen, als aus ursprünglichem Baumaterial wie Holz oder Stein, dass nicht nur so viel schöner aussieht, sondern garantiert auch den hier herrschenden klimatischen Gegebenheiten so viel besser entspricht und angepaßt ist. Bevor es hier Industrieabfall wie Blechfässer und Plastikplanen gab, müssen die Damara ja auch irgendwie ihre Hütten gebaut haben und es ist ja nicht so, dass es hier keine Steine geben würde...

Von Uis aus fahren wir Richtung Westen nach Omaruru. Wir hoffen, hier einen Campingplatz zu finden, aber die einzige Lodge, die auf ihrem Schild auch einen Campingplatz ausweist, hat über die Feiertage geschlossen und das Geld für ein B&B wollen Heike und Ansgar nicht ausgeben.

Also fahren wir weiter nach Karibib, haben hier aber genau so wenig Glück. Zwar gibt es hier einen Campingplatz, aber der sieht genau so wenig einladend aus wie die ganze Stadt selbst, so dass wir uns, obwohl es schon ziemlich spät ist und wir schon ziemlich lange im Auto sitzen, uns entschließen, auch noch die 120 km Richtung Okahandja in Angriff zu nehmen.
Spätestens dort – das weiß Heike ganz sicher – gibt es gleich mehrere Campingmöglichkeiten.
 
Auf der Strecke gucken wir immer mal wieder nach Schildern, die auf Gästefarmen hinweisen. Davon gibt es auch eine Menge, aber keine der Hunting Lodges scheint auch einen Campingplatz zu haben.
Übrigens hat es, seit wir die Namib hinter uns gelassen haben, gleich mehrere Male kräftig geregnet!

Selbst als wir Okahandja endlich erreichen, gestaltet sich die Suche nach einem Zeltplatz noch schwierig: Die ersten beiden ausgewiesenen Campingplätze, die wir ansteuern – die Okahandja Lodge und ein Reiterhof – haben über die Feiertage geschlossen. Erst im nicht sehr optimal an der Hauptstraße nach Windhoek gelegenen Okahandja Rest Camp finden wir für ziemlich teure N$ 165,- eine Übernachtungsmöglichkeit.
Der Platz an sich ist sehr schön und sauber – nur liegt er halt direkt neben der ziemlich viel befahrenen Straße.
Wir beeilen uns, die Zelte noch vor Einbruch der Dunkelheit und vor dem nächsten Regen aufzubauen.
Über die Essensfrage gibt es einiges Hick-Hack, denn Heike hat keine Lust zu kochen (weil es schon so spät ist und weiß sie schon wieder den ganzen Tag im Auto sitzen mußte und jetzt KO ist) und Ansgar hat keine Lust auf Take Away-Fast Food.
Schließlich kommen bei dem hin und her lustige Dosenthunfisch-Sandwich-Spread-Toaste (für Ansgar, Daan und mich) und Haferflocken mit Kompott-Birnen (für Heike) dabei raus...
Um 21:00 Uhr ist es stockdunkel und da es eh die ganze Zeit stippert und nicht wirklich gemütlich ist, ist es schon wieder ziet, sich ins Zelt zu verkriechen, noch eine Runde zu schreiben und dann gemütlich dem Regen lauschend wegzudrömseln...

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