Wir stehen relativ spät auf und gehen
den Tag wieder sehr gemütlich an. Bis Ansgar meint, dass wir vielleicht
doch möglichst bald losfahren sollten, bevor der Sand in der Mittagshitze
zu weiche wird. Der schwierigste Teil der heutigen Strecke von Krone nach
Gai-As und Klein Gai-As wird vermutlich die Ausfahrt aus dem Revier des
Huab sein. Dort könnte es sehr sandig sein und das letzte Mal, als
Heike und Ansgar diese Strecke während ihrer Flitter-Safari gefahren
sind, waren sie genau dort stecken geblieben und während die im 7.
Monat schwangere Heike auf der Rückbank geschlafen hatte, hatte Ansgar
zwei Stunden buddeln müssen, bis das Auto wieder frei war.
Also packen wir einen Gang schneller. Unter
einem der Steine, die die Folie, die Heike und Ansgar die beiden letzten
Nächte unter ihrer Luftmatratze gelegt hatten, beschwerten, findet
Ansgar einen kleinen, hellen und ziemlich angriffslustigen Skorpion. (Es
stimmt also tatsächlich, dass Skorpione am liebsten unter flachen
Steinen sitzen!). Zum Glück reagiert Ansgar schnell genug und der
Skorpion hat keine Chance, ihn zu stechen sondern wird von Ansgar und mir
mit der Waschschüssel eingefangen und weit genug weg wieder frei gelassen.
Jetzt gilt es, aus dem Revier wieder heraus zu kommen. Aber wir haben Glück und finden fast sofort eine Stelle, an er wir problemlos die Uferböschung hoch kommen. Später soll sich dann allerdings herausstellen, dass es durchaus einen Grund dafür gibt, warum die Ausfahrt so viel einfach war, als das letzte Mal, als Heike und Ansgar hier unterwegs waren...
Wir fahren jetzt Richtung Ost-Süd-Ost,
eine flache Ebene hoch. Der Track ist zwar gut zu sehen, wird aber sicher
nicht sehr oft befahren. Wir sehen Oryx-Antilopen und Springböcke
und einen der absolut bizarren Elefantenbäume, die in der Tat wie
ein auf dem Rücken liegender und die Beine in den Himmel reckender
Elefant aussehen.
Langsam geht die steinige Ebene in eine
Grasfläche über. Mir ist nicht ganz klar, warum hier an einigen
Stellen Gras wächst und einige hundert Meter weiter nicht. Liegt das
an wirklich extrem lokalen Regenereignissen? Oder daran, dass diese Grasflächen
unterhalb einiger kleiner Berge liegen und das Wasser von den Bergen diese
“Wiese“ tränkt?
Kaum zu glauben, daß man hier überall mit dem Auto lang fahren kann:
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Auf der Grasfläche sehen wir jetzt auch
einzelne Straußen und immer wieder Oryxe und Springböcke.
Am Ende der Ebene müssen wir einen
steinigen aber niedrigen Bergrücken überwinden, aber im Vergleich
zu dem Felsrücken über den wir auf dem Weg nach Krone gefahren
sind, ist dies hier für Roda und uns ein Kinderspiel! Weiter geht
es über eine steinige Ebene. Wir fahren immer noch Richtung Ost-Süd-Ost
und die nächsten 1 ½ Stunden wechseln sich steinige, sandige
und grasbewachsene Ebenen immer wieder ab und werden gleichermaßen
oft von flachen Steinrücken und kleinen sandigen Revieren, die es
zu überwinden, bzw. durchqueren gilt, unterbrochen. Der Pad, auf dem
wir fahren, ist überall relativ gut zu erkennen, und wir brauchen
keine Angst zu haben, ihn zu verlieren. Die Landschaft, die uns umgibt
ist bizarr, faszinierend und natürlich menschenleer.
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Wir passieren ganze „Plantagen“ von Welwechia
Mirabilis-Pflanzen (Pflanzen, die es nur hier in dieser extrem trockenen
Gegend gibt, deren Wurzeln zig Meter tief in den Boden hinein reichen und
die bis zu mehreren tausend Jahren alt werden können), einige Talerbäume,
deren Blätter wirklich wie Münzen aussehen und entdecken auf
unserem Pad eine recht frische Spur, die entweder von einem Leoparden oder
sogar von einem Löwen stammt. Nur die dazugehörige Großkatze
sehen wir nicht.
Ich bin mir sicher, dass nicht viele Menschen von diesem Stein wissen, oder ihn schon gesehen haben – er liegt einfach zu weit im Nichts!
An einer anderen Stelle stellt der Roda wieder die Kraft seines Motors eindrucksvoll unter Beweis: Nach der Durchquerung eines weiteren kleinen Reviers geht die Uferböschung auf der einem guten Meter Strecke in einem 45°-Grad-Winkel nach oben. Das ist eine Steigung von 50 %! Wir halten vorher kurz an und fragen uns, ob Roda das wohl schaffen wird, aber er beantwortet die Frage, in dem er die Steigung im Leerlauf nimmt!!!
Und so schaukeln wir weiter und weiter durch diese faszinierende Landschaft: Über Ebenen und Steinrücken, durch Reviere und über Grasflächen.
Wir fahren weiter Richtung Osten, bis wir
gegen Mittag an einem Abzweig ankommen. Wir biegen auf den rechten der
beiden Wege, der sich kurz darauf ein zweites Mal teilt. Jetzt entscheiden
wir uns für den linken Abzweig, fahren einen kleinen Abhang hinunter
und stehen auf einer Geröllhalde, auf der der Pad nicht mehr zu sehen
ist. Wir suchen uns einen eigenen / neuen Weg und kommen so an das Revier,
das diese Ebene durchquert. Wir durchqueren es, bleibe dabei aber fast
im Sand stecken. Nachdem wir auf der anderen Seite des Reviers ein paar
Meter weit gefahren sind, auf einen Pad und vermuten, dass das der Pad
ist, der bei der ersten Abzweigung nach links geführt hatte. Ansgar,
der bisher ganz souverän navigiert hat, wird langsam etwas unsicher,
ob wir hier auf dem Weg, den er für uns gedacht hatte, sind.
Heike holt das GPS-Gerät hervor und
schaltet es ein.
Die Koordinaten, die wir wenig später
geliefert bekommen, verwirren uns alle komplett: Wir befinden uns auf 20°40’00’’
südlicher Breite und 14°16’00’’ östlicher Länge und
wenn wir das mit der Karte vergleichen, dann sind wir überhaupt nicht
dort, wo wir sein sollten / wollten, sondern viel zu weit nördlich
und vor allem viel zu weit östlich. Theoretisch hätten wir jetzt
bei ca. 20°38’00’’ südlicher Breite und 14°08’00’’ östlicher
Länge sein sollen. In Kilometer umgerechnet entspricht das einer Differenz
von ca. 7 oder 8 km, und das ist in dieser Gegend mit dem schlechten Untergrund,
auf dem man in einer Stunde oft kaum mehr als 5 km zurück legen kann,
schon eine Menge !
Heike und ich sind etwas ratlos und Ansgar
schweigt sich zunächst einmal aus. Irgend etwas muß schief gegangen
sein...
Wir fahren zurück zu der ersten der
beiden Abzweigungen, nehmen noch einmal den rechten Track, biegen dann
aber auch an der zweiten Weggabelung nach rechts ab. Aber auch hier kommen
wir nicht weit – nach weniger als einem Kilometer stehen wir sozusagen
am Ende eines kleinen Tals, aus dem es für Autos ganz offensichtlich
keinen Ausweg gibt. Also fahren wir erneut zurück und beratschlagen.
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Irgendwo hier endet unsere Orientierung! |
Langsam wird Heike und mir klar, dass Ansgar eigentlich schon vor einer ganzen Zeit hätte nach Süden abbiegen wollen, aber keinen passenden Track gefunden hatte. Jetzt ist die Frage, ob und wie weit wir zurück fahren wollen oder ob wir den Track, auf dem wir bis eben unterwegs waren, weiter folgen und so das komplette südlich von uns liegende Bergmassiv umrunden, statt durchfahren sollen. Da sich aber keiner von uns erinnern kann, in letzter Zeit einen Abzweig nach Süden gesehen zu haben, haben wir die Befürchtung, dass wir möglicherweise schon gleich zu Anfang – nämlich bei der Ausfahrt aus dem Huab – etwas falsch gemacht haben. Und bis dort hin zurück zu fahren, würde sicher drei Stunden dauern...
Ich bin über unsere derzeitige Position
ehrlich gesagt etwas geschockt. Später wird mir (mit Hilfe einer detaillierten
Erklärung von Ansgar und vielen genau so detaillierten Karten) allerdings
klar, dass ich von vornherein von komplett falschen Gegebenheiten ausgegangen
war:
A:Der Weg, den wir gefahren sind.
B:Der Weg, den wir hätten fahren wollen. C:Der Weg, von dem ich dachte, dass wir ihn
hätten fahren wollen.
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In sofern finde ich unser Verfahren viel
„dramatischer“, als es eigentlich ist.
Aber – wie gesagt – das erfahre ich erst
später durch einen Blick auf die Karte.
Zunächst einmal gehe ich noch davon
aus, dass wir den ganzen Tag lang komplett in die falsche Richtung gefahren
sind und finde das entsprechend schlimm und unbegreiflich – vor allem,
wo Ansgar sich in dieser Gegend doch eigentlich so gut auskennen müßte...
Außerdem kann ich nicht ganz nachvollziehen,
warum Ansgar zwar schon seit Stunden gemerkt hat, dass der Weg, auf dem
wir fahren, nicht so ganz in die von ihm angestrebte Richtung führt,
er aber weder mit uns darüber gesprochen hat, noch zwischendurch mal
das GPS konsultiert hat, um seine Zweifel zu überprüfen...
Auch Heike findet dieses Verhalten von Ansgar
nicht gerade löblich...
Daher plädiere ich auch dafür,
keine weiteren Experimente einzugehen, sondern den angefangenen (Um)Weg
jetzt auch zu Ende zu fahren und dann eben von der falschen Seite kommend
in Klein Gai-As zu landen.
Heike stimmt mir dazu zu und so können
wir Ansgar schließlich dazu bringen, nicht weiter nach dem Weg nach
Süden zu suchen, sondern einfach dem (Um)Weg zu folgen.
Und so fahren wir dann noch ein gutes Stück
weiter Richtung Osten und schließlich sogar ein wenig gen Norden,
bevor der Pad einen scharfen Bogen nach Süden macht.
Kurz darauf trifft unser Pad mit dem aus
dem Norden von Twyfelfontein kommenden Pad zusammen und ca. ½ Stunde
später treffen wir auf den in Ost-West-Richtung verlaufenden Pad,
der nach Klein Gai-As führt und auf den wir in jedem Fall hätten
stoßen wollen.
Ich kann nicht einschätzen, wie viele
km der Umweg jetzt ausgemacht hat, aber bei der Langsamkeit, mit der wir
uns in diesem Gelände fortbewegen, ist klar, dass wir etliche Stunden
länger unterwegs waren, als geplant. Vor allem für Daan ist das
natürlich nicht gerade lustig, aber er ist heute genau so tapfer wie
schon die letzten drei Wochen und fängt selbst bei sechs Stunden Autofahrt
nicht an zu murren.
Andererseits mache ich mir aber auch klar,
dass dieses Rumgefahre zur Zeit seine Normalität darstellt. Er kennt
es nicht anders und geht vermutlich davon aus, dass jedes knapp zwei-jährige
Kind jeden Tag stundenlang in einem Auto sitzt und bei 40° C durch
die Wüste geschaukelt wird. Warum sollte er sich darüber also
beschweren?
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An der Stelle, an der unser von Twyfelfontein kommende Pad mit dem Ost-West-Pad zusammen trifft, treffen wir auch wieder auf Menschen: Vier oder fünf 4-by-4-Fahrzeuge sind hier gemeinsam „auf Pad“. Etwas später treffen wir noch zwei weitere Landrover – einen davon sogar mit Anhänger, auf dem zwei Kinder mitfahren. Ganz offensichtlich sind wir hier wieder in einer belebteren Gegend und in dem immer beliebter werdenden Off-Road-Terrain angekommen.
Wir haben jetzt bis nach Klein Gai-As immer
noch eine knappe Stunde zu fahren. Die Landschaft auf dieser Seite des
Berges ist wenig spannend. Eine Weile fahren wir noch nördlich an
Doro’s Krater entlang, dann aber fahren wir fast die ganze Zeit lang über
eine riesige, flache, steinige Ebene. Außerdem sind hier so viele
Autos unterwegs, dass ein Großteil der Pad mit einem nervigen, alles
durchschüttelnden Wellblechmuster bedeckt ist. Last but not least
hat einer der Hinterreifen ein kleines Loch und wir müssen zwischendurch
anhalten und aufpumpen.
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Schließlich erreichen wir Klein Gai-As.
Es ist nicht mehr als eine kleine ca. 200
m x 200 m große Senke, in der es ein paar Büsche und zwei große
Kameldornbäume gibt. Angeblich soll es hier zeitweise eine Quelle
geben, aber so genau weiß das keiner.
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Wir parken Roda, fahren als erstes das Sonnendach
aus und während Ansgar den kaputten Reifen wechselt, fangen Heike
und ich sofort mit den Abendessensvorbereitungen an, denn wir haben keine
Mittagspause gemacht und sind alle schrecklich hungrig. Hätten wir
vorher gewußt, dass unsere heutige Tour nicht 1 ½, sondern
6 Stunden dauern würde, hätte wir garantiert eine Pause eingeplant.
Ein weiterer Landrover fährt in die
Oase von Klein Gai-As ein. Am Steuer sitzt ein allein reisender Fotograf,
der mit jeder Menge Benzin und Wasser ausgestattet auf dem Weg in den Huab
ist, wo er ca. drei Wochen bleiben und fotografieren will.
Seine einzige Landkarte ist allerdings ein
sehr grobmaßstäbiges Satellitenbild, auf dem nur einige wenige
größere Straßen eingezeichnet sind.
Wie er hier her gekommen ist, ist und ein
Rätsel und wie er mit dieser Karte den Weg zum Huab finden will, erst
recht...
Gerade vorhin noch hatte uns der Fahrer
einer der beiden uns entgegen kommenden Landrover erzählt, dass erst
letztes Jahr ein holländisches Paar auf der Strecke, die wir gerade
gefahren waren, verdurstet ist. Sie hatten die Orientierung verloren, keine
guten Karten oder ein GPS und zu wenig Wasser und Benzin dabei gehabt...
Erst nach zwei Wochen waren sie gefunden worden – da war bereits alles
zu spät.
Ich finde, die Pläne des waghalsigen
Fotografen klingen ziemlich riskant – aber er muß selbst wissen,
was er da tut...
Zum Abendessen gibt es Reis mit Baked Beans
– eine zugegeben leicht sonderbare Kombination, die auf einen Fehlkauf
von Ansgar zurück zu führen ist, aber erstaunlich gut schmeckt
– und super leckeren Weißkohlsalat.
Nach dem Essen machen wir noch einen kleinen
Spaziergang durch die südlichen „Ausläufer“ der Oase und entdecken
dabei tatsächlich die Quelle von Klein Gai-As!
Hydrogeologisch und auch sonst hoch interessant
tritt das Wasser hier direkt aus dem Fels aus; und zwar dort, wo die oben
liegende poröse Steinschicht zu Ende ist und die wasserundurchlässig(er)e
untere Schicht beginnt. Das Wasser fließt hier nicht wirklich aus
dem Stein, aber die Decke der kleinen Höhle, die sich hier gebildet
hat, ist feucht und einzelne Tropfen fallen auf den nach feuchter Muttererde
riechenden Boden.
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Dann findet Ansgar noch weitere „spannende
Geologie zum Anfassen“: Einen ca. 4 m breiten vulkanischen Schlot! Rechts
und links dieses Ganges ist das Gestein durch die seinerzeit mit Hochdruck
nach oben strebende Lava senkrecht zerkratzt und in der Mitte des Ganges
liegt noch ein großer Haufen schwarzen Granits: Die erkaltete Lava!
So anfaß- und nachvollziehbar aufgeschlossen
findet man die Geologie der Erde sicher nur an ganz wenigen Stellen!
Heike, Ansgar und Daan liegen schon vor 21:00 Uhr in ihren Betten; ich schreibe erst noch eine Weile, bevor auch ich mich hinlege.
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