MONTAG, 27. DEZEMBER 2004

Aus der gestern kurz andiskutierten Idee, heute schon mit der Sonne aufzustehen und mit der ersten Toröffnung um 6:15 Uhr zu einem morgendlichen Game Drive aufzubrechen, wird nichts. (In Etoscha werden die Tore der Camps aus Sicherheitsgründen für Mensch und Tier über Nacht geschlossen und man darf sich auf keinen Fall jenseits der Tore aufhalten!)
Im Gegenteil: Ich wache später als gewöhnlich auf. Da die meisten Tiere nun aber mal am Morgen und an Abend unterwegs sind, beeilen wir uns mit dem Frühstücken und Zusammenpacken der Ausrüstung, so dass wir gegen 7:15 Uhr an den lustigen Mangusten, die es auf den Rasenflächen des Camps gibt, vorbei fahren und Namutoni verlassen.
 
Schon auf dem Weg nach Chudop sehen wir ganze Herden von Giraffen,
die in aller Ruhe vor uns über die Straße laufen.

Das erste Wasserloch, das heut morgen auf unserer Strecke liegt, heißt Chudop und ist gleich ein voller Erfolg: Von den diversen Raubkatzen einmal abgesehen sind die einzigen Tiere, die wir bisher noch nicht gesehen haben und die ich ganz besonders gerne mag, die Giraffen. Und von denen bekommen wir hier gleich eine ganze Überdosis präsentiert! Schon auf dem Weg zum dem kleinen, in einer Mulde gelegenen nicht besonders frisch riechende, kleine Wasserloch mit der Schilfinsel in der Mitte sehen wir die ersten vier Giraffen.
Als wir das Loch erreichen, erwartet uns dort eine Herde von 13 Tiere und nach dem diese Familie einige Zeit später die Tränke wieder verlassen hat, kommt gleich eine neue, diesmal sogar aus 17 Tieren bestehende Herde / Familie, in der auffallend viele Jungtiere mitlaufen. Ein wunderbarer Anblick!
Aber auch abgesehen von den Giraffen wird uns hier eine reichhaltige Fauna geboten. Oryx-Antilopen, Elans und Kudus, Springböcke und die kleinen grazilen Impalas, ein Schakal und natürlich jede Menge Zebras.
 

Eine Giraffe
viele Giraffen
an der Wasserstelle von Chudop

Zebras scheint es hier wirklich im Überfluß zu geben. Überall, auch weit ab der Wasserlöcher sieht man Herden – die meisten aufgereiht wie Perlen auf einer Kette – über die weiten Grasebenen ziehen.
Dass wir in Khaudum und im Nyae Nyae Conservancy keine Zebras gesehen haben ist, laut Heike, übrigens kein Wunder, denn im ganzen Nyae Nyae Conservancy solle es nur (noch) ein einziges Zebra geben, das mit einer Herde Wilderbeests mitläuft. Seinerzeit war im Nyae Nyae wohl mal eine ganze Herde Zebras ausgewildert worden, aber die Tiere hatten sich dort nicht gehalten... wenn es auch vor vier Jahren schon nur noch dieses eine Zebra gab, können wir stolz behaupten, es gesehen zu haben!
 
Das zweite Wasserloch, das wir ansteuern, heißt Kalkheuwel und da es immer noch früh ist (ca. 9:00 Uhr) bietet sich uns hier ein ähnlich volles Bild wie in Chudop: Auch hier treffen sich Oryx und Kudu, Perlhuhn und Warzenschwein, Impala und vor allem alle möglichen Arten von Vögeln und eine riesige Zebraherde.

Nachdem wir uns in Chudop ja schon über den Geruch des Wasser gewundert hatten, sind wir auch hier über den Zustand des Wasserlochs überrascht: Das Wasser steht so tief, dass die Zebras in die Betonrinne hinein springen müssen um vernünftig trinken zu können! Heike erinnert daran, dass gerade Weihnachten war und die meisten Parkranger vermutlich frei haben und zu Hause bei ihren Familien sind, aber ich finde schon, dass es auch – und gerade  zu den Feiertagen, wenn besonders viele Touristen hier sind, möglich sein sollte, die wenigen Wasserlöcher, die es in Etoscha gibt, in Ordnung zu halten...
 
Unterwegs zum nächsten Wasserloch treffen wir auf einen direkt neben der Straße stehenden einzelnen Elefantenbullen. Da er intensiv mit Grasen beschäftigt zu sein scheint, halten wir keine 10 m von ihm entfernt an und fotografieren und beobachten ihn.

Er hat nur noch einen Stoßzahn und das sollte ein Zeichen dafür sein, dass wir es hier eigentlich mit einem ziemlich aggressiven Exemplar zu tun haben, denn ein fehlender Stoßzahn ist in der Regel ein Zeichen für einen heftigen Kampf.
Und außerdem bemerkte Robin ganz richtig, dass so ein ausgeschlagener Stoßzahn ja auch gewaltige Zahnschmerzen verursachen kann. Und dass 30 Jahren Zahnschmerzen einen Elefanten etwas griesgrämig werden lassen können, kann man doch absolut nachvollziehen...
Aber trotz ausgeschlagenem Stoßzahn ist unser Elefant die Ruhe selbst!

Und dann – einige Kilometer weiter – entdeckt Ansgar doch tatsächlich ein weißes-, bzw. Breitmaulnashorn (die etwas weniger aggressivere Sorte), das ca. 80 m neben der Straße steht. Das ist etwas ganz besonderes, denn normalerweise verschwinden die paar Nashörner, die es hier gibt, tagsüber im tiefen Busch und das Touristen in Etoscha ein Nashorn sehen, passiert so gut wie nie. Dieses Nashorn aber hat es nicht wirklich eilig, im Busch zu verschwinden! Es ist für uns zwar durch ein paar Büsche halb verdeckt, aber doch absolut nah genug, dass wir es in Ruhe fotografieren können.
 

Zum Finden des Nashorns
Bild anklicken!!!
Soweit Ansgar weiß soll es in Etoscha über 100 Nashörner geben – das klingt erst mal ganz schön viel; aber wenn man bedenkt, dass Etoscha durchschnittlich ca. 250 km lang und ca. 100 km breit und damit von der Fläche her so groß wie Schleswig-Holstein (schätze ich jetzt einfach mal so...) ist, klingt das gleich ganz anders. Und eines dieser Nashörner haben wir jetzt also gesehen!
Eine Wasserstelle steuern wir vor unserer Mittagspause in Halali noch an und die heißt Goas. Auf dem Weg dorthin sehen wir neben dem Nashorn noch die ersten Straußen der Gegend und natürlich weitere Zebras, Gnus und Springböcke.

Die Mittagsstunden verbringen wir dann in Halali. (Die meisten sprechen diesen Ort  Haláli aus, obwohl das am Eingangstor angebrachte Posthorn meiner Meinung nach eher auf die Aussparche Halalí deutet.) Halali ist das mittlere der drei Etoscha-Camps und diente mit seinen zwei kleinen Hügeln in der sonst komplett flachen Umgebung den deutschen Endeckern und Kolonialisten als Übermittlungspunkt für telegrafische Depeschen.
Auf dem Parkplatz vor dem Hauptgebäude basteln wir uns Sandwiche, trinken kaltes Mineralwasser und essen Eis! Dann gehen Heike und ich mit Daan in den wunderschönen großen Pool. Das Wasser ist klar, nicht so doll gechlort und hat die perfekte Temperatur! Hier könnte ich mich tagelang aufhalten!

Bevor wir wieder aufbrechen kommen wir noch mit einem Potsdamer Geographen ins Gespräch: Nach Beendigung seines Studiums ist er mir seiner Freundin zusammen aufgebrochen und hat seit dem die gesamte afrikanische Westküste bereits. Jetzt hat er für ein paar Monate einen Job im Youth Hostel in Tsumeb angenommen, bevor es ab März auf die auf ca. acht Monate angesetzte Rückreise entlang der Ostküste Afrikas gehen soll. Schon faszinierend! Sein Erfolgskonzept lautet: Ruhe bewahren; und wenn ihm ein Grenzbeamter nur gegen eine Bestechungsgebühr passieren lassen will, dann hat er des öfteren auch schon sein Zelt vor dem Grenzbaum mitten auf der Straße aufgeschlagen, um die lokale Bevölkerung auf die unlauteren Machenschaften ihres Landsmannes aufmerksam zu machen. Das behauptet er jedenfalls...
Heike und Ansgar bezeichnen ihn später als typischen Geographen. Da ich nicht weiß, wie Geographen typischerweise sind, nehme ich das einfach mal so hin und gehe ab jetzt davon aus, dass Geolgraphen schon eine ordentlich Portion Phantasie und möglicherweise auch eine Rolle Seemannsgarn mit ins Leben tragen... :)

Den zweiten Teil der Etoscha-Strecke – von Halali nach Okaukuejo – fahren wir etwas zügiger, denn wir haben beschlossen, dass wir nicht noch eine zweite Nacht im Park verbringen wollen. Ersten weil wir N$ 240,- + 110,- = N$ 350,- doch eine ganze Menge Geld finden und zweitens weil weder in Halali noch in Okaukuejo die Zeltplätze wirklich attraktiv sind.
Statt dessen willen wir noch bis in die Nähe von Outjo, ca. 100 km südlich des Parks fahren.
 

Und noch eine riesige Zebra-Herde!
Giraffen müssen sich bösartig verrenken, um trinken zu können
Der erste "6-beinige" Elefant, den wir sehen
Für mich eines der schönsten Tiere der Welt:
Die Oryx-Antilope
Oryx-Antilopen bleiben stehen, um ihre Verfolger im Blick zu haben
Eine Herde Springböcke quetscht sich in den spärlichen Schatten

Also geben wir ein wenig Gas. Jetzt, wo es am heißesten ist, hat man eh die wenigsten Chancen, Tiere zu sehen. Trotzdem sehen wir an einem Wasserloch noch einmal einen Elefantenbullen, der seine Männlichkeit so deutlich zur Schau stellt, dass es aussieht, als stünde er auf sechs Beinen! (4 Beine + Rüssel + Penis). Dafür fehlt von seinem anderen Schwanz ein Stück! Der erste kupierte Elefant, den wir sehen!

Jetzt fehlen uns zu unserem kompletten (Tier-)Glück nur noch irgendwelche Großkatzen, aber die finden wir nicht. Weit entfernt können sie allerdings nicht sein, denn an einer Stelle riechen wir ganz deutlich, dass hier vor kurzem ein Löwe, ein Leopard oder ein Gepard seine Markierung hinterlassen haben muß!

In Okaukuejo halten wir noch einmal kurz an. Wir werfen einen Blick auf das dortige Wasserloch, wo außer einem Zebra und einigen Vögeln, die entweder Störche oder Sekretärsvögel sind, rein gar nichts zu sehen ist. Lediglich in einem Baum neben der Wasserstelle macht eine Kolonie Webervögel ganz unglaublich viel Krach!
 

 Eine typische
Buschmann-Hütte
Eine typische
Kavango-Hütte
Eine typische
Owambo-Hütte

Wir verlassen Etoscha Richtung Süden und fahren eine gute Stunde bis Outjo. Heike erinnert sich, dass ein paar Kilometer vor der kleinen Stadt ein sehr nettes Camp war; aber als wir vor dem Tor stehen hängt dort ein Zettel, der uns mitteilt, dass das Camp bis Anfang Januar geschlossen. Ist...
Auch Ansgar hat hier in der Gegend schon einmal nett übernachtet, aber auch seine Adresse – einige Kilometer hinter Outjo gelegen – erweist sich als Fehlgriff. Das Camp gibt es zur Zeit gar nicht.

Schließlich probieren wir es auf der „Jannie + Mimi Linde“ gehörenden Farm Oppi Klippe. Auch hier sind die Farmbesitzer nicht zu Hause, aber ein Zettel besagt, dass man den Campingplatz trotzdem gerne nutzen kann. Man möchte bitte vorher nur mit dem „Telefon auf dem Vogelkäfig“ Bescheid sagen. Und richtig: Über einem riesigen Vogelkäfig, in dem unzählige bunte Wellensittiche hin und her flattern, steht ein Telefon, auf dem Käfig selbst steht mit Edding die Telefonnummer, die man anrufen soll!
Das probiere ich, lande aber nur auf einer Handy-Mailbox. Ein einigermaßen gut Deutsch sprechender Schwarzer meint aber, dass wir auf jeden Fall trotzdem hier campen können. Wir folgen dem ausgeschilderten Weg und landen nach kurzer Fahrt sozusagen am Ende der Welt: Vor uns türmt sich eine ca. 20 – 30 m hohe Felswand auf: Das ehemalige Flußbett des hier vor Urzeiten geflossenen Ugabs.
 

Eine Schubkarre,
in der man ein Feuer 
anzünden kann
Das sieht hier schon reichlich bizarr aus! Unter einigen ziemlich großen Bäumen sind drei separate Campingplätze vorbereitet. Die zum Platz gehörenden sanitären Anlagen sind in einer Ecke der Schlucht praktisch gegen den Fels gemauert worden. Das ganze hat eine wilde Romantik, wie ich sie mir eigentlich nur in Namibia vorstellen kann!

Auf einem Motorrad und in einem Auto kommen drei Männer, eine Frau und drei oder vier Kinder angefahren. Es sind Verwandte der Oppi Klippe-Farmer und sie sind gekommen um das Geld für die Übernachtung (N$ 20,- pro Person) zu kassieren. Sie erzählen eine ganze Menge, von dem ich aber nicht viel mitbekomme, weil ich noch so mit dem Aufbau des großen Zeltes beschäftigt bin.
Ich selbst werde heute mal das Dachzelt des Rodas ausprobieren und nachdem das große Zelt aufgebaut ist und die Farmer wieder verschwunden sind, zeigt Heike mir, wie diese ausgeklügelte Konstruktion funktioniert.
Wir sind erst nach 18:30 Uhr hier angekommen und bis zur Dunkelheit bleibt uns  nicht mehr viel Zeit. Nach Einbruch der Nacht muß man zwar noch nicht sofort schlafen gehen, aber ohne Licht ist alles gleich viel mühsamer.
Zum Abendessen gibt es Nudeln mit einer Zwiebel-Dosen-Champignon-Tomatenmark-Soße (Zwiebeln anbraten, Tomatenmark mit anbraten, Wasser dazu, Pilze rein – alles bei sehr großer Hitze noch kurz weiter kochen lassen. Fertig!)
Danach schmieden wir noch ein paar vage Pläne für die nächste Woche aber bevor Ansgar sich morgen nicht noch mal in seine Karten vertieft hat, Benzin- & Wasserbedarf und die Befahrbarkeit der avisierten Strecke überprüft hat, kann eh noch nichts entschieden werden.
Also bleibt es bei einigen groben Ideen und gegen 21:15 Uhr liegen wir alle schon wieder im Bett.
Ich schreibe noch ca. eine Stunde.

zurück oder weiter im Text