Da wir jeden Tag früher ins Bett gehen,
stehen wir auch jeden Tag ein wenig früher auf. Heute sind um 6:30
Uhr bereits alle Zelte zusammen gefaltet, alle Spuren der Nachtlager beseitigt
und wir sitzen am Frühstückstisch.
Bis zum Aufbruch vergeht dann aber doch
einige Zeit, denn für die für heute geplante Rückfahrt nach
Grootfontein müssen wir unsere restlichen drei noch vollen Benzinkanister
vom Dach holen, einfüllen und wieder auf dem Dach verzurren; und das
dauert so seine Zeit.
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Nachdem das Auto startklar ist, steht noch der Besuch des Holbooms an. Wir machen ein paar Fotos, bleiben aber nicht sehr lange.
Die Dorfbewohner von Tjokwe, wo Heike und Ansgar gestern ja noch die Wasserprobe genommen haben, haben uns eingeladen, heute noch einmal bei ihnen vorbei zu kommen. Sie haben ein Radio und hoffen, den für die Stromerzeugung benötigten Generator mit Hilfe des Benzins, das Ansgar ihnen gestern gegeben hatte, in Schwung zu bringen. Wenn das gelingt, wollen sie für uns singen und tanzen (was sie eh vor haben, weil heute ja Weihnachten ist!).
Als wir jetzt in Tjokwe ankommen, ist aber noch keine Musik zu hören. Und richtig: „Der Generator funktioniert trotz des neuen Benzins nicht...“ teilt uns ein junger Buschmann mit. Er hat ein Megaphon über der Schulter hängen und wenn er mit seinen Klan-Mitgliedern spricht, tut er das fast ausschließlich durch das Megaphon. Das macht überhaupt keinen Sinn, ist aber sehr amüsant!
„Vielleicht kann Ansgar ja versuchen zu helfen,
den Generator in Schwung zu bringen?“ schlagen wir vor und die Buschmänner
nehmen den Vorschlag begeistert an und führen Ansgar in ein großes,
sehr solide aus Steinwänden und mit einem Wellblechdach gebautes Haus.
Von der Größe her ist das definitiv kein Wohnhaus. Und richtig:
Als ich später selbst einen Blick in das Gebäude werde, wird
klar, dass es eine Art „Gemeindehaus“ ist, in dem wohl auch das Tanzen
statt finden soll. Wenn ich mir die schon auf dem Tisch aufgebaute Anlage
angucke, kriege ich allerdings Zweifel, ob uns hier traditionelle Tänzen
geboten werden sollen – für meine Augen sieht das hier mehr nach einer
Rockdisco aus...
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Aber noch läuft der Generator ja eh
nicht.
Während Ansgar und die Buschmänner
an zu basteln fangen, setzen Heike und ich uns draußen vor die Hütte
zu den Frauen und Kindern. Eine ganze Zeit lang passiert gar nichts, aber
irgendwann gibt der Buschmann mit dem Megaphon allen kleinen Mädchen
im Alter von ca. 3 bis ca. 12 Jahren die Anweisung, sich zum Gesang aufzustellen.
Gehorsam leisten sie seiner Anweisung folge und fangen an zu singen!
Gleich das zweite Lied kommt mir bekannt
vor: Es ist die Afrikaans gesungene Version von He’s Got The Whole World
In His Hand. Zwei oder drei Lieder tragen sie so singend und brav nebeneinander
stehend vor; dabei singen sie mit genau den Stimmen, die ich (vom Klang
her) für afrikanische Kinderchöre so charakteristisch finde.
Dann beginnen sie, auch zu tanzen. Sie stellen
sich im Kreis auf und klatschen. Ein älteres Mädchen, die auffallen
gut gekleidet und für Buschmannverhältnisse extrem groß
ist, holt einen leeren Plastikkanister und beginnt darauf sehr rhythmisch
zu trommeln. Und dann tanzen die Mädchen! (Es sind wirklich ausschließlich
Mädchen, die hier im Kreis stehen.)
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Jeweils ein Mädchen tritt in den Kreis
und tanzt einige schnelle Schritte auf der Stelle, während die anderen
Mädchen weiter singen und klatschen. Die größeren Mädchen
(die ca. 8 – 12-jährigen) tanzen immer brav der Reihe nach, die kleineren
(die ca. 3 – 5-jährigen) scheinen sich zuerst nicht zu recht zu trauen,
etwas später legen sie dann aber los und bald sind zumindest zwei
von ihnen überhaupt nicht mehr von der „Tanzfläche“ wegzukriegen!
Die Mädchen sind fast alle super niedlich,
aber besonders ein ca. 3-jähriges Mädel, die einen grün-weiß
karierten Rock und ein überhaupt nicht dazu passendes am Kragen mit
Rüschen verziertes rosa Schlafanzugoberteil trägt hat es mir
besonders angetan! Sie hat ein so unbekümmert und fröhliches
Wesen und erinnert mich an Paulina Raasch!
Heike, Daan und ich sitzen im Halbschatten
einer der Hütten und gucken den Mädchen zu. Die Kinder scheinen
auch selbst viel Spaß an ihrem Singen und Tanzen zu haben und das
erste Mal überhaupt sehe ich, wie Buschmänner ins Schwitzen kommen!
Ich mache eine ganze Menge Fotos; allerdings
ist heute einer der Tage, an denen ich viel lieber meine manuelle Spiegelreflexkamera
dabei hätte. Solche Momente lassen sich mit der viel schöner
und diskreter einfangen, als mit meiner voll automatischen und beim Transportieren
des Filmes unnötig viel Krach machenden Mü. Aber bei all dem
vielen Sand hier ist mir das mit der Kamera doch etwas zu heikel.
Als kleines Dankeschön für das Singen und Tanzen und dafür, dass ich so viel fotografieren darf stifte ich unseren kompletten Bonbonvorrat. (Was für uns doch ein größeres Opfer ist, als es jetzt vielleicht den Anschein haben mag, aber diese Bonbons sind neben einer großen Ladung Fisherman’s Friend die einzigen Süßigkeiten, die wir in den vier Wochen, die wir auf Pad sind, sehen werden!) Kinder wie Erwachsene sind gleichermaßen erpicht auf die Bonbons.
Später erfahren wir noch, dass es bei den Buschmannstämmen wohl so üblich ist, das bei großen Festen immer zuerst nur die Mädchen tanzen. Dann kommen die Frauen an die Reihe und schließlich die Männer. (Ich weiß nicht, ob die Jungen auch noch irgendwann tanzen...?!?) Was wir hier heute miterleben scheint also sozusagen der Auftakt eines großen Festes zu sein.
Eine gute Halbe Stunde singen und tanzen
die Kinder für uns, während Ansgar und die Buschmänner immer
noch versuchen, den Generator zum Laufen zu bringen.
Endlich ist aus der großen Hütte
ein recht vielversprechendes tuff-tuff zu hören, das sofort von allen
mit frenetischem Jubel und einem kollektiven Sprint in Richtung der großen
Hütte begrüßt wird. Als wir jedoch die Hütte betreten,
ist diese mit beißendem bläulichem Rauch gefüllt. Vermutlich
stimmt mit dem Diesel-Benzin-Mischung etwas nicht. Leider können wir
selbst kein weiteres Benzen entbehren und so steht zu befürchten,
dass das mit der Musik heute extrem schwierig werden könnte.
Die Buschmänner reagieren allerdings
prompt und schicken einen ihrer Männer per Pferd in Richtung Tsumkwe.
Mit etwas Glück wird er dort einige Liter Benzin auftreiben können
und wenn alles richtig gut läuft, könnte er in gut sechs Stunden
wieder hier sein – im Land der Buschmänner gelten halt etwas andere
Dimensionen als in einem Land, in dem die nächste 24-Stunden-Tankstelle
selten mehr als einige Fußminuten entfernt liegt...
In Tjokwe es übrigens nicht nur Rinder,
sondern auch Ziegen und mindestens ein Pferd, was ein Zeichen dafür
ist, dass es Tjokwe „wirtschaftlich“ ziemlich gut geht. Möglicherweise
ist die touristische Bekanntheit des Holbooms der Grund dafür, aber
mir kommt es auch so vor, als hätten die Buschmänner hier mehr
Gespür für wirtschaftliche Dinge, als in den meisten anderen
Dörfern, die wir bisher gesehen haben.
Kurz bevor wir abfahren bricht bei den Buschmannkindern
dann doch noch das Eis und plötzlich traut sich eins nach dem anderen,
Daan anzufassen. Sie befühlen seine Wangen, streichen ihm über
die weichen blonden Haare und wollen ihn anfassen und auf den Arm nehmen.
Daan läßt das alles mit einem leicht gequälten Gesichtsausdruck,
aber ohne zu jammern über sich ergehen – man merkt nur, dass er wirklich
todmüde ist!
Aber auch Heike und ich sind für die Buschkinder auf einmal hoch interessant. Auch Heikes Haare wollen von allen berührt werden und bei mir sind vor allem die Mädchen an meinem kleinen bunten dreieckigen Kopftuch, das so ganz anders als ihre eigenen Kopftücher ist, interessiert. Eines der Mädchen gibt mir mit Zeichen zu verstehen, dass sie sich freuen würde, wenn ich ihr das Kopftuch schenken würde, aber das kann ich leider nicht machen, weil ich sonst garantiert einen Sonnenstich bekommen würde.
Gegen 11:00 Uhr verlassen wir das nette Dorf Tjokwe. Wir fahren zurück zum Holboom und von dort ab übernehme ich probehalber mal das Steuer. Ich bin noch nie auf Sand oder im Gelände („off-road“) gefahren und möchte es gerne einmal probieren. Ca. 10 km fahre ich durchs Nyae Nyae Conservancy und dann noch weitere ca. 10 km auf der Schotterstraße bis Tsumkwe.
Tsumkwe ist heute – an Weihnachten – komplett ausgestorben – nicht ein einziger Mensch ist auf der Straße zu sehen!
Wir biegen in Tsumkwe noch einmal Richtung Nyae Nyae Conservancy, denn an dessen Nordrand soll es eine Handpumpe geben, von der Heike gerne och eine Probe nehmen würde. Überraschenderweise finden wir die Pumpe fast sofort (und das obwohl es hier so viele verschiedene sich in alle mögliche Himmelsrichtungen verzweigende Pads gibt). Heike nimmt ihre Probe und dann verlassen wir das schöne Nyae Nyae Conservancy endgültig Richtung Grootfontein.
Die nächsten vier Stunden sind herzlich
unspektakulär und unattraktiv: Die Straße ist land, gerade und
blendend hell, der Roda macht bei 80 km/h viel zu viel Krach als dass man
sich unterhalten könnte, die Sonne brennt heute besonders heißt
und unerbärmlich und auch landschaftlich haben die 250 km zwischen
Tsumkwe und der Straße zwischen Rundu und Grootfontein rein gar nichts
zu bieten.
Auf der ganzen Strecke begegnet uns kein
einziges Auto... auch dafür dürfte der Grund sicher Weihnachten
heißen!
Die einzige Abwechselung ist der Veterinärkontrollpunkt.
Dort ist man weihnachtlich gut gelaunt und interessiert sich heute weniger
für Autonummern und geschmuggeltes Fleisch oder Trophäen als
mehr für kulinarische Tauschgeschäfte. Auf diese Art werden wir
eine Packung Fisherman’s Friends los, verzichten im Gegenzug aber danken
auf das uns angebotene Stück Schaf.
Wir fahren heute nicht gleich bis nach Grotfontein,
sondern übernachten in Roy’s Rest Camp direkt gegenüber der Straßeneinmündung
nach Tsumkwe. Hier gibt es einen Pool, der uns alle lockt und rut und außerdem
ist es dort nett – das weiß selbst ich, weil wir vor zwei oder vier
Jahren (ich bin mir nicht ganz sicher) schon einmal hier waren.
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Kaum haben wir den Roda unter einen Schattenbaum geparkt, liegen wir auch schon om Pool. Von dort aus grinsen und über den Weihnachtsbaum, den die Pächter des Camps auf die Terrasse gestellt haben: Er besteht aus nicht anderem als mehrere zu einer ansatzweise Tannenbaum-förmigen Pyramide aneinander gelehnten Stöcken um die zwei oder drei goldene Perlenfäden gespannt sind! Dagegen waren wir gestern ja richtig kreativ!
Die Zeit bis zum Abendessen verbringen wir
mit Wäschewaschen und Faulenzen und finden ein Chamäleon, das
ich auf meinen Arm krabbeln lasse und das daraufhin vor Angst ganz grau
wird. Entgegen des allgemeinen Glaubens hat die Farbe eines Chamäleons
nämlich nichts mit dem Untergrund, auf dem es sitzt zu tun, sondern
mit der Stimmung in der es gerade ist. Und grau scheint bei Chamäleons
für Angst zu stehen...
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Als Abendessen nehmen wir das Angebot eines
von der Lodge gepackten Braai-Paketes [Braai = Grill(en)] wahr. Für
N$ 50,- pro Person bekommt man je ein Schweine- und ein Lammkotelette,
eine lange einheimische Wurst, an deren Namen ich mich nicht erinnern kann
und einen Kudu-Spieß, sowie Salat und einen sehr leckeren Sandwich
(Toast mit Tomate, Zwiebeln und Scheiblettenkäse, der mit auf den
Grill gelegt wird).
So lecker gesättigt fallen wir schon
wieder gegen 21:00 Uhr in die Zelte.
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