Der „heilige Morgen“ fängt für uns genau so an wie jeder andere Morgen. Gegen 6:00 Uhr aufstehen, Sachen zusammen packen, Frühstück vorbereiten, etc.
Plötzlich aber stehen drei Buschmänner
vor uns. Einer von ihnen hat einen laminierten Zettel in der Hand, auf
dem das Logo des Nyae Nyae Conservancies zu erkennen ist. Schnell wird
klar, dass sie von jedem von uns N$ 15,- für die Übernachtung
haben wollen. Aber Heike und Ansgar haben ja das Permit und die Erlaubnis
des METs, überall im Conservancy übernachten zu können.
Es entbrennt eine ziemlich lange Diskussion:
Die Buschleute wollen nicht auf ihr – wie sie meinen rechtmäßiges
– Geld verzichten und Heike versucht, ihnen klar zu machen, dass sie von
uns kein Geld zu erwarten haben (zumal wir ja nicht mal auf einem Campingplatz,
sondern in der freien Natur gezeltet haben) und dass das Conservancy nur
versäumt hat, alle Dörfer über unser Kommen zu informieren;
was ihr von Dries Albrechts eigentlich zugesichert worden war...
Schließlich schreibt Heike für die Buschmänner die wesentlichen Details ihres Survey & Reserach Permits ab, womit die drei einigermaßen zufrieden sind und abziehen.
Kaum sind sie weg, fangen Heike und Ansgar an, sich ziemlich heftig zu streiten. Es geht um die Art, die jeder der beiden für die richtige hält, um den Buschmännern unser Anliegen und unsere Position klar zu machen. Da beide dabei recht unterschiedliche Herangehensweisen haben und für richtig erachten, kommen sie nicht wirklich auf einen Nenner.
Ich bin in solchen Situationen immer nicht
sicher, wie ich mich verhalten soll. Speziell wenn die Sache schon eskaliert
ist! Maul halten und gar nichts sagen? Oder einmischen? Partei ergreifen?
Oder versuchen zu schlichten? Meine persönliche Meinung sagen? Oder
eben lieber das Maul halten?
In diesem Fall entscheide ich mich dafür
ein mal kurz meine Meinung (die ziemlich genau zwischen denen von Heike
und Ansgar liegt) kund zu tun, mich dann aber wieder rauszuhalten.
Etwas später stellt sich allerdings heraus, dass Heikes eigentlicher Unmut gar nicht so viel mit Ansgar oder den Forderungen der Buschleute zu tun hat, sondern mit der Tatsache, dass das Conservancy Office (und namentlich Dries Albrechts) einmal mehr unter Beweis gestellt hat, dass sie Heikes Arbeit – für die sie ja von dem Conservancy keinerlei Geld bekommt, die der ganzen Gegend aber von extremem Nutzen sein kann – nicht wirklich ernst nehmen und / oder zu würdigen und zu schätzen wissen. Das ist in den letzten Tagen und Wochen ja schon immer mal wieder durchgedrungen, aber hier wird es in Heikes Augen ein mal mehr ganz deutlich. Und darüber ärgert sie sich nicht nur maßlos, sondern ist gleichermaßen enttäuscht!
Irgendwann ist ihr Ärger dann aber auch wieder etwas verflogen und es wird doch noch ein schöner Weihnachtsmorgen mitten in der Kalahari.
Gegen 8:00 Uhr brechen wir auf, denn wie bei vielen Deutschen ist auch bei uns der Vormittag des 24.12. ein ganz normaler Arbeitstag und bei uns stehen heute fünf Wasserproben auf dem Plan.
Allerdings haben wir es heute im Vergleich zu den letzten Tagen entschieden einfacher, denn drei der fünf Proben liegen entlang und dicht an der geschotterten Straße zwischen Tsumkwe und Gam, so dass wir nicht – wie sonst – mit Tempo 30 – 35 km/h durch den Busch holpern müssen, sondern vergleichsweise flott voran kommen.
Unser erstes Ziel ist das (am weitesten südlich
gelegene) Dorf Tamboti.
Gerade als wir von der Hauptstraße
auf den zum Dorf führenden Pad abbiegen wollen, sehen wir an der Straße
zwei Tramper, die auf dem Weg Richtung Tsumkwe sind. Wir erklären
ihnen, da wir zuerst kurz noch in ihr Dorf wollen, sie danach aber gerne
ein Stück weit mitnehmen können. Sie sind einverstanden.
Wir biegen ab und fahren zum Dorf. Hier fällt mir sofort auf, dass zwischen den Hütten mindestens drei total gut und ziemlich neu aussehende Fahrräder stehen! In Tamboti fährt man also Rad! |
Von einem der Buschmänner, der zu uns
ins Auto steigt, lassen wir uns den Weg zur Handpumpe zeigen. In der Zwischenzeit
sind dann auch unsere beiden Tramper in spe wieder bei uns aufgetaucht.
Einer von ihnen trägt rosa-pink gemusterte Schuhe, wie man sie sonst
nur an den Füßen eines schwarzen amerikanischen Popstars à
la Prince erwarten würde! Auch seine glänzend anthrazitfarbene
Ballonseidenhose paßt zu diesem Image, aber nicht wirklich in die
Gegend! Nur zu einem passenden T-Shirt hat es wohl nicht mehr gereicht!
:)
Er spricht sehr gut Englisch, versteht noch
viel mehr und ist an dem, was Heike mit ihrer Wasserprobe macht, extrem
interessiert. Und das zweite Mal bekommen wir mit, dass er seinem Clan
alles, was er von uns auf Englisch gesagt und erklärt bekommen, übersetzt.
Das hat es bisher wirklich nur in dem Dorf, in dem wir mit Slange und Kal
waren gegeben.
Gemeinsam mit den beiden Trampern, die nebeneinander auf dem Vordersitz Platz nehmen, fahren wir in das ca. 10 km weiter nördlich liegende Dorf Xamsa.
Auch hier steht gegenüber des Dorf-Abzweigs ein Tramper, der auf der Suche nach einer Mitfahrgelegenheit nach Tsumkwe ist. Wir setzen unsere beiden Jungs bei ihm ab, damit sie ihm erklären könne, dass sie – wenn sie das möchten – in ca. ½ Stunde weitere ca. 10 km (bis zum nächsten Dorf) mit uns mitfahren können. Nur bis nach Tsumkwe werden wir sie auf keinen Fall bringen können. Selbst wenn wir z. B. weil Weihnachten ist, richtig nett sein würden und sie direkt bis nach Tsumkwe fahren wollen würden – was gar nicht mal so ein großer Zusatzweg wäre – können wir das nicht tun, weil unsere Benzinvorräte so knapp bemessen sind, dass wir eh schon nicht sicher sind, ob wir damit noch ganz bis nach Grootfontein kommen werden. ..
Während die drei Buschleute beratschlagen
fahren wir ins Dorf. Hier treffen wir niemanden, der auch nur ansatzweise
englisch spricht und kriegen auf die Frage, wo denn die Pumpe zu finden
sei, nur eine vage Richtung gezeigt.
Aber die angegebene Richtung stimmt. Ein
relativ langer Fußmarsch von ca. 1 km (bei 35°C und ohne Schatten
ist das schon eine Strecke!) führt uns an ein kreisrundes in Beton
gefaßtes Bassin, das fast wie ein (Elefanten-)Schwimmbad aussieht.
Ein paar Meter weiter steht eine Dieselpumpe. Ausnahmsweise sind sowohl
Keilriemen als auch Anlaßkurbel vorhanden und die Pumpe läßt
sich problemlos anschmeißen.
Kaum aber haben die Dorfbewohner gehört,
dass ihre Pumpe läuft (so eine Dieselpumpe hört man sehr weit!)
kommen sie auch schon mit diversen Gefäßen (hauptsächlich
alten Ölflaschen), um Waser zu holen. Da es für Heikes Proben
eh besser ist, wenn das Wasser erst mal eine Weile läuft, so dass
das Pumprohr leer ist und sie sicher sein kann, wirklich frisches „Tiefenwasser“
zu bekommen, lassen wir den Dörflern den Vortritt.
Im Gegensatz zu fast allen anderen Buschmanndörfen
interessiert man sich hier nicht mal für den blonden Daan! Wir werden
nicht umringt und nicht angestarrt und außerdem sind die hiesigen
Buschleute nicht nett zu ihren Hunden, sondern treten und schubsen die
unterernährten Tiere durch die Gegend.
Das Dorf schneidet insgesamt von allen Buschmanndörfern,
in denen ich jetzt schon war, am schlechtesten ab...
Trotzdem kaufen Heike und ich einer der
Frauen je eine Kette (für jeweils N$ 15,-) ab.
Wie verabredet stehen die drei Tramper noch
an der Straße. Sie sind aber noch am diskutieren, ob sie bei uns
mitfahren sollen oder nicht. Es besteht eindeutig die Gefahr, dass sie
durch uns immer weiter von zu Hause weg, ihrem Ziel – Tsumkwe – aber doch
nicht wirklich näher kommen. Denn ob hier heute – an Weihnachten!
– überhaupt noch ein Auto vorbei kommen wird, scheint mehr als fraglich.
Und so entscheiden sie sich schließlich
auch gegen die angebotene Mitfahrgelegenheit und machen sich (vermutlich)
wieder auf den Weg nach Hause.
Wieder nur zu 3 ¼. machen wir uns
auf den Weg nach Bacara, das noch einmal weitere ca. 10 km nördlich
und ein gutes Stück (ca. 8 km) östlich der Straße liegt.
Um die Solarpumpe zu erreichen müssen
wir gar nicht bis nach Bacara selbst fahren. Die Pumpe befindet sich schon
weit vor dem Ort.
Wir fahren zurück zur Hauptstraße.
Genau gegenüber dem Pad nach Bacara
geht es zu unserem nächsten Ziel: Dem Ort Makuri. Kaum haben wir den
Ort erreicht und die obligatorische Frage nach der Pumpe gestellt, erklärt
ein junger Buschmann sich bereit, zu uns ins Auto zu steigen, und uns den
Weg zu zeigen.
Und hier haben wir wieder jemanden, der
ganz ausgezeichnet Englisch spricht! So gut, dass ich ihn, als wir die
Pumpe erreicht haben, bitte, mit bei der Übersetzung des in Bacara
gefundenen Schulbuches zu helfen. Das tut er gern! Allerdings wird dabei
klar, dass er seine eigene Sprache nicht annähernd so gut lesen kann,
wie er Englisch sprechen kann. Er hat größere Schwierigkeiten
den „Grade 1“-Text zu entziffern, zwei der Seiten versteht er gar nicht.
Nanu?
Es scheint, als haben die Buschleute beim
Lernen eine ganze andere Herangehensweise, die sich viel mehr auf Hören
und Sehen stützt. Wie sonst wäre es auch zu erklären, dass
Slange zwar weder Lesen noch Schreiben, dafür aber sieben (!) Sprachen
verstehen und sprechen kann!?
Nachdem Heike ihre Probe zu Ende analysiert
hat bedanken wir uns bei unserem kundigen Buschmann und fahren ihn zurück
in sein Dorf.
Wir selbst fahren auf dem gleichen Pad weiter
in Richtung Westen auf das Dorf Tjokwe zu, in dessen Nähe der berühmte
Hoolbom Baobab steht, unter dem wir den Weihnachtsabend verbringen wollen.
Vor zwei Jahren haben wir schon einmal unter diesem Baum übernachtet. Damals war es eine ganz fürchterlich ungemütliche, stürmische und regnerische Nacht gewesen, die ich in keiner guten Erinnerung habe. Es kann heute also nur besser werden!
Wir parken den Roda unter einem der beiden
riesigen Bäume und laden aus. Zur Feier des Tages trinken wir schon
zum Mittagessen das erste Bier und schmücken einen kleinen Busch neben
der Grillstelle und den Roda mit vier herrlich kitschigen weißen
und roten Glitzerschlangen, die ich extra für diesen Abend aus Hamburg
mitgenommen habe.
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Dann fahren Heike, Ansgar und Daan noch einmal in das Dorf Tjokwe zurück, um dort die beiden Pumpen zu beproben. Ich bleibe unter dem riesigen Baobab sitzen und schreibe.
Unser Weihnachtsabend wird sehr gemütlich.
Sobald Heike und Ansgar zurück sind (sie brauchen ziemlich lange,
weil sie unterwegs aus einem der auf dem Dach sorgfältig festgebundenen
Kanister Benzin nachfüllen müssen) machen wir uns an die Vorbereitungen
des Weihnachtsessens. Es soll das bei uns allen so beliebte Butternut-Risotto
und dazu Weißkohlsalat geben. Außerdem haben wir extra für
den heutigen Abend eine Flasche Rotwein dabei.
Wir bereiten das Essen vor und bauen gleichzeitig
die Zelte auf.
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Das Essen schmeckt herrlich und ich glaube, keiner von uns ist böse und / oder traurig, den Weihnachtsabend diesen Jahres nicht im kalten und dunklen Deutschland, sondern bei lauen 30° C mitten in der Kalahari unter einem riesigen Baobab sitzend und den afrikanischen Sonnenuntergang betrachtend zu verbringen.
Keiner von uns hat irgendwelche Geschenke
mit, was ich sehr cool finde, und so können wir auch heute wieder
schon gegen 21:00 Uhr ins Bett gehen und schlafen!
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