DONNERSTAG, 23. DEZEMBER 2004

Ein strahlend schöner Morgen treibt uns schon um 6:00 Uhr früh aus den Zelten. Vor unseren Augen liegt die Pfanne im frühen Licht. Einzelne Gnus sind auch jetzt schon wieder auf und grasen.
Wir frühstücken gemütlich, kochen uns heute sogar einen Kaffee, packen das Auto und fahren gegen 7:30 Uhr los.

Von der Nyae Nyae Pfanne aus geht es Richtung Süden zurück zur Khabi Pan, wo Heike an der dortigen Pumpe eine Wasserprobe nehmen will.
Auf dem Weg dorthin sehen wir schon wieder vier Straußen, mehrere Riesentrappen, mehrere Herden Gnus mit ihren Kälbern und jede Menge Spingböcke, die ihrem Namen alle Ehre machen und in wilden, hohen Sprüngen“ über die gräserne Ebene springen. Diese Sprünge sind übrigens sogenannte „Sicherungssprünge“: Die Springböcke springen alle paar Schritte so hoch und so weit, dass sie – während des Sprungs – Zeit haben, sich umzugucken und ihren Verfolger im Auto zu behalten. Jedes Tier hat da so seine eigene Art. Oryx-Antilopen, die ja wesentlich schwerer und daher unbeweglicher sind als die Springböcke, können solche Sicherungssprünge nicht vollführen. Sie bleiben statt dessen stehen und gucken sich nach ihren Verfolgern um. Das ist allerdings nicht sehr intelligent, was auch der Grund dafür ist, dass Oryx-Antilopen relativ einfach zu jagen sind...

In Khabi, wo Heike ihre erste Wasserprobe des Tages nehmen will, gibt es aber leider keine Pumpe mehr. Wir können, mit Hilfe des Sisalseils lediglich die Tiefe des Grundwasserspiegels, des sich noch im Bohrloch befindenden Wassers messen und kommen auf einen Stand von 3,30 m.
Die Fahrt geht weiter durch das südlich Nyae Nyae Conservancy weiter und vorbei an der Nuu-gu-Pan, die mir schon letztes Mal als besonders hübsch aufgefallen war.

Wir sind auf der Suche nach dem Abzweig zu einer Viehtränke namens Bobaha, können aber den Weg nach Norden nicht finden.
Statt dessen landen wir an der Dorfschule von //Au-ru [Übersetzt: Kuru]. Nebenan ist die das Dorf mit Wasser versorgende Pumpe und durch Abklemmen eines Schlauches gelingt es Ansgar, eine Wasserprobe zu nehmen.
 

Die Dorfschule von //Au-ru (durchs Fenster fotografiert)
//Au-ru
Die Hütten von //Au-ru aus de Nähe

Wenig später finden wir dann auch das Dorf //Au-ru selbst. Wir fragen die Buschleute, wie wir von hier aus nach Bobaha kommen, aber sie verstehen und falsch und schicken uns zu einem kleinen natürlichen See unweit des Dorfes. Es ist der erste natürliche See, den ich hier in der Gegend sehe! Richtig mit Wasserpflanzen und allem, was ja wohl ein Zeichen dafür sein muß, dass der See ganzjährig hier ist. Total schön!

Immer noch auf der Suche nach dem Weg nach Bobaha, und einem kleinen Seitenpad folgend gelangen wir dann an ein Dorf, dass überraschenderweise komplett eingezäunt ist! So etwas ist hier in der Gegend total unüblich. Auch sonst ist das Dorf sehr ungewöhnlich: Zwei Blechbadewannen hängen an Bäumen, an einem anderen Baum stehe eine Leiter (!) und an vielen Stellen liegt ungewöhnlich professionell aussehendes Equipment (Schubkarre, Abschlepphaken, etc.) herum. Die Hütten sind teilweise so solide gebaut, dass man sie schon fast als kleine Häuser bezeichnen kann.
Außerdem ist das ganze Dorf menschenleer. Einen Brunnen gibt es hier auch nicht, also drehen wir um und fahren zurück auf den Hauptpad.

Einige Kilometer weiter biegen wir einem hölzernen Straßenschild (was es hier auf einem alles gibt!) auf dem mit weißer Farbe de Dorfname ¹Habace aufgemalt ist, folgend, noch einmal Richtung Norden von dem Pad ab. Wir sind alle ziemlich überrascht, als wir einige Zeit später erneut vor dem eingezäunten Dorf anlangen! Nanu? Aber OK – jetzt wissen wir wenigstens, dass dies hier ¹Habace ist!
 
Weiter geht’s bis zum nächsten Dorf Nama. Die zu Nama gehörende Dieselpumpe liegt schon vor dem Ort selbst. Sie ist in gutem Zustand, läuft aber nicht. Aber auch hier hat Ansgar keine Schwierigkeiten, sie nur durch schnelles und kraftvolles Ziehen des Keilriemens zum Laufen zu bringen.

Da wir die Probe ja nun schon haben, fahren wir ohne anzuhalten durch das Dorf durch.
Kurze Zeit später erreichen wir die große geschotterte Straße, die östlich von Tsumkwe Richtung Gam führt. Laut Heikes Karte hätte es vorher eigentlich noch zu einem Ort namens Namtakwarra abgehen müssen, aber den Abzweig haben wir nicht entdecken können.

Von der großen Straße aus finden wir jetzt den Abzweig und folgen ihm ein paar Kilometer in den Busch hinein, stellen aber schnell fest, dass es hier inzwischen wohl weder ein Dorf noch eine Pumpe mehr gibt. Bei Buschmanndörfern ist es ja nach wie vor nichts ungewöhnliches, dass ein Dorf aufgegeben wird und sich der ganze Clan an einem neuen Ort niederläßt. Wenn die Leute vom Conservancy das mitbekommen, gibt es oft auch keinen Grund mehr, die Pumpe dort zu lassen und sie wird abgebaut.

Zurück auf der Hauptstraße weist ein Hinweisschild auf einen sich in nur 80 m befindenden Campingplatz hin. Wir glauben aber, dass das ein Irrtum ist, eigentlich nicht 80 m, sondern 8 km auf dem Schild stehen müßte und damit der Campingplatzes des Dorfes !Obaha gemeint sein müßte. Hier wollen wir die heutige Nacht verbringen. Heike ist mit ihrem heutigen Tageswerk von nur zwei eingesammelten Wasserproben zwar nicht wirklich zufrieden, aber alle weiteren Stellen liegen zu weit, als dass wir sie heute noch erreichen könnten oder wollten. Also verlassen wir die Straße und folgen dem Pad.

Allerdings ist es erst 13:30 Uhr, als wir den Campingplatz von !Obaha, auf dem wir schon vor zwei Jahren einmal übernachtet haben, erreichen.
Kurz nachdem wir angekommen sind, bekommen wir dann auch schon Besuch von den Dorfbewohnern. Zuerst kommen nur zwei Männer, die sehr interessiert zugucken, wie Ansgar zum großen Schraubenschlüssel greift und sich damit unter den Roda legt. Bald danach kommen drei oder vier weitere Männer, sechs oder sieben Frauen und drei ziemlich kleine Kinder.
 

Neugierig kommen die Dorfbewohner näher...
... beobachten uns aber erst mal aus dicherer Entfernung.
"Is she realla such a bad girl?!"

Mittels Daan probieren wir es mit Kontaktaufnahme. Die kommt nur relativ mühsam in Gang, weil vor allem die drei Buschmannkinder vor Daan Angst haben.
Die Buschfrauen versuchen, ihre Jungs zu ermutigen, mit Daan zu spielen, aber keiner der drei traut sich. Daan, der heute seinerseits ungewöhnlich kontaktfreudig und wenig scheu ist, fährt sein ganzes Spielzeugarsenal auf und ganz, ganz langsam bricht das Eis. Allerdings auch erst, als zwei der jungen Buschmannfrauen sich Daans Lastwagen und den Anhänger schnappen und wie kleine Kinder mit ihnen über den Sand schieben, woran sie selbst größten Spaß zu haben scheinen!
 

Zwei Frauen fangen an, mit Daan zu spielen
Zuerst guckt Daan noch etwas skeptisch zu
Aber schliesslich ist das Eis gebrochen

Auffällig ist übrigens auch, dass keines der drei Buschmannkinder auch nur ein einziges Wort spricht. In fast allen Buschmanndörfern, die wir bisher besucht haben, war uns auch schon aufgefallen, dass die Buschmannkinder generell sehr wenig sprechen und wir überlegen, warum das so ist?
 
Ist das Klicken so schwer, dass die Kinder erst so spät (im Alter von vier oder fünf Jahren) sprechen lernen? Oder ist es hier gute „Sitte“, dass man Kinder zwar sehen- aber nicht hören darf? Oder liegt es daran, dass sich Buschmanneltern viel weniger explizit mit ihren Kindern beschäftigen und sich viel weniger Zeit für sie nehmen (können), ihnen das Sprechen beizubringen? Wer weiß...

Die Buschmänner schaffen es, sowohl Heike und Ansgar als auch mir jeweils einen sehr schönen handgearbeiteten Bogen mit dem dazugehörigen Pfeilköcher, vier Pfeilen, einem Wassersaugstab (für die berühmten Saugquellen, die die Buschleute hier im Busch kennen und nutzen) und zwei aus unterschiedlich festem Holz bestehenden Feuerstäben, sowie einem „Werkzeugstab“ zum Reparieren der Pfeile zu verkaufen. Jedes der Sets kostet nur N$ 25,- (€ 3,50) – das Campen hier hingegen soll für uns alle zusammen N$ 100,- (€ 13,-) kosten und dieser Preis gilt auch nur, wenn wir alle in nur einem Zelt schlafen. Kommt ein zweites Zelt dazu, kostet das weitere N$ 100,-!
Und kommt das unangemessen viel vor. Es gibt hier in der Gegend ja mehrere Dörfer, die Campingplätze betreiben und normalerweise braucht man mit nicht mehr als ca. N$ 20,- pro Person rechnen, denn die „Campingplätze“ sind in der Regel nichts weiter als eine an einer hübschen Stelle liegende von Büschen und Ästen gesäuberte Fläche. Wenn man Glück hat gibt es vielleicht noch eine aus Steinen aufgeschichtete Feuerstelle und ein Packen Feuerholz, aber keiner der Campingplätze hier in der Gegend biete irgendwelche sanitären Anlagen oder sonstigen Komfort. Als wir vor zwei Jahren schon einmal in !Obaha waren, war der hiesige Campingplatz total ordentlich und schön gewesen. Heute aber ist klar zu erkennen, dass sich schon seit Monaten niemand mehr um die Pflege des Platzes gekümmert hat. Und dafür sollen wir auch noch einen so hohen Preis bezahlen?
Sicher: Für uns Europäer kommen einem € 13,- für 3 ¼ Personen wirklich nicht viel vor, aber andererseits darf man das wirklich nicht mit Europäischen Preisen und Maßstäben vergleichen. Hier in der Gegend sollte Campen auf einem Campingplatz eben nicht mehr als N$ 50,- oder N$ 60,- kosten und in sofern ist dieser Wucherpreis einfach nicht akzeptabel!

Wir sagen, dass wir maximal N$ 50,- bezahlen würden und die Buschleute ziehen sich zu einer langen Beratung zurück.

Während die Beratung noch andauert, gehen Heike und Ansgar mit Daan zu !Obahas Wasserstelle, um dort eine Probe zu holen.

Nach einer knappen Stunde kommen sie mit schlechten Nachrichten zurück. Nach langem hin und her haben die Beratungen und der Buschmännern, die hier etwas zu sagen haben, ergeben, dass !Obaha auf keinen Fall bei den geforderten N$ 100,- bleiben will.
Und daraus haben Heike und Ansgar die Konsequenz gezogen und den Buschmännern verkündet, dass wir dann eben nicht hier übernachten, sondern uns einen anderen Platz suchen werden. Immerhin haben wir vom MET die Erlaubnis bekommen, wo immer wir wollen auch wild zu campen – dann werden wir das eben so machen...
Ich finde diese Entscheidungen aus zwei Gründen schade: Erstens, weil ich gerade hier die Buschmänner so nett finde und – gerade nachdem wir vorhin ja schon einen ersten Kontakt zu ihnen hatten – gerne noch mehr von ihnen gesehen hätte und zweitens weil das bedeutet, dass wir alles bereits ausgepackte und abgeladene Equipment wieder in und auf dem Roda verstauen müssen und das ist bei 35° C schon eine Menge schweißtreibender Arbeit...

Als der Roda schließlich wieder voll beladen ist, fahren wir die Straße, auf der wir gekommen sind zurück Richtung Hauptstraße und halten Ausschau nach einem geeigneten Campingplatz: Das Gras darf nicht so hoch sein, da es sonst Feuer fangen könnte und ein Schattenbaum sollte möglichst auch in der Nähe sein...
Aber unsere Ansprüche sind für die Gegend hier eindeutig zu och und wir merken schnell, dass wir uns mit weniger werden zufrieden geben müssen.

Schließlich entscheiden wir uns – inzwischen schon ganz in der Nähe der Hauptstraße angekommen – für eine aus der Ferne grünlich schimmernde „Wiese“. Gegen Ende der Trockenzeit ist das Gras hier in der Gegend so trocken, dass es extrem leicht brennen kann. Entweder durch Blitze oder durch Menschenhand gibt es hier jedes Jahr große Buschbrände, die auch uns vor vier Jahren schon zu schaffen gemacht hatten. Dieses Jahr hat es, laut Aussage des METs, auf ca. 70 % der Fläche des Nyae Nyae Conservancies gebrannt.
Auch an der Stelle, an der wir jetzt halten, muß ein Feuer gewütet haben, denn der Boden ist mit verkohlten Grasbüscheln bedeckt, zwischen denen neues, frisches Gras sprießt.

Das störenden an unserem Campingplatz sind nur die abgebrannten Grasstumpen. Sie sind so hart und spitz, dass wir für das Zelt eine mehr als 3 m x 3 m große Fläche in ziemlich mühsamer Kleinarbeit mit Hacke und Schaufel von ihnen befreien müssen. Ohne Schatten ist das ziemlich hart...
 

Heike und Ansgar bauen das widerspenstige Zelt auf
Ansgar gräbt ein Loch für das Feuer
Daan macht "Pause"

 

Sonnenuntergang in der Kalahari

Gleichzeitig sucht Ansgar Feuerholz, gräbt ein Feuerloch (gegen Wind und Funkenflug) und startet das Feuer. Heike und ich bereiten das Abendessen zu: Sauerkraut (!) und dazu Kartoffeln, die später – je nach Geschmack – mit Gemüsebrühwürfeln, Salz, Pfeffer, Sauerkrautsaft und / oder Öl zur Kartoffelpüree verarbeitet werden können. Extrem lecker!!!

Nach dem Essen sind wir alle so satt und faul, dass es noch nicht einmal 21:00 Uhr ist, als wir alle ins Zelt kriechen. Auch ich schlafe heute mit im großen Zelt, da keiner von uns Lust hatte, auch für das kleine Zelt noch eine zweite Stelle von Graswurzeln zu säubern...
 

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