MONTAG, 20. DEZEMBER 2004

Der Tag beginnt mit Regen, der auf das Zeltdach platscht. Nicht schlimm viel, sondern der übliche wenige-schwere-Tropfen-Regen. Kurz vor 7:00 Uhr stehe ich auf.
Da wir heute weder eine lange Strecke noch viele Beprobungen vor uns haben lassen wir uns mit Frühstücken und Zusammenpacken unserer Ausrüstung Zeit. Ansgar füllt Öl und Benzin nach. Einen Teil unserer Sachen können wir hier lassen, da wir morgen abend ja schon wieder hier sind.

Gegen 10:00 Uhr brechen wir auf. Wir fahren auf der D 3301 Richtung Norden. Nach wenigen Kilometern biegen wir nach Westen ab und fahren zu einem Ort namens Xinnie Xurie. (Ich vermute ja, daß das übersetzt „stinkender Busch“ heißt, den irgendein blühender Busch verpestet mit seinem penetrant süßlichen Aroma die Luft. Daß wir kilometerweit mit angezogener Handbremse gefahren sind, macht die Qualität der Luft auch nicht unbedingt besser.
Auf dem Weg nach Xinnie Xurie sehen wir einen Sekretärvogel und eine Riesentrappe, die wir sogar zum Fliegen bringen!

Die Pumpe in Xinnie Xurie ist mit einem Windrad ausgestattet, daß sich aber bei der just herrschenden Flaute nicht drehen will.
Außerdem mündet der Überlauf unter Wasser in die Tränke. Hier ist also gleich an zwei Stellen Handarbeit gefragt: Zuerst müssen wir den mit Draht und Gummilappen am Rohr befestigten Schlauch ablösen, um das Wasser direkt aus dem Bohrloch entnehmen zu können, und dann muß Ansgar auf das Windrad klettern und den Rotorblättern so viel Schwung geben, daß das Wasser zu laufen beginnt. Erst dann kann Heike ihre Wasserprobe nehmen.
 

Heike und Ansgar bestimmen Büsche
Daan vertreibt sich die Zeit

Wir bleiben noch eine ganze Weile in der Nähe der Pumpe und Heike und Ansgar bestimmen einige der hier wachsenden Büsche. Das ist einer der Bestandteile seines Aufbaustudiums Wildlife Management, das er gerade absolviert. Das Projekt, daß er im Rahmen dieses von Süd-Afrika angebotenen Studienganges übernommen hat, beschäftigte sich mit den in der Gegend des Khaudum Nationalpark lebenden Elefanten und ihren Trinkgewohnheiten.
Ich sitze währenddessen auf Rodas Dach und schreibe.
Erst nach ca. zwei Stunden fahren wir weiter – zurück auf die D 3301 und weiter nach Norden.
Nach einer Weile erreichen wir die Wasserstelle von Nhoma Post – die Stelle, an der wir vor vier Jahren nach unserer abenteuerlichen Tour durch die brennende Nhoma Omuramba (Omuramba = das Bett eines ephemeren, also nur selten fließenden Flusses) auf dem nicht zu findenden Pad wieder auf einen halbwegs befahrbaren Weg gekommen waren!
Die Landschaft hier ist total schön: Wir sind hier ja in der teilweise bis zu mehrere hundert Meter breiten Omuramba. Deren flacher Grund ist mit einer Decke dichten, schönen, gold-grünen Gases bedeckt, die nur ganz vereinzelt von niedrigen Büschen durchbrochen wird. An den flachen Rändern der Omuramba werden die Büsche höher und dichter, am oberen Rand schließlich – der ja nur ca. 10 m über der Sole liegt – stehen vereinzelt richtige Bäume.
Nur von Tieren ist leider fast nichts zu sehen, was daran liegt, daß jetzt, zu Beginn der Regenzeit und nachdem es schon ein mal kräftig geregnet hat, überall im Busch Wasser steht und die Tiere nicht mehr auf die von Menschen angelegten Wasserstellen angewiesen sind. Einzig eine Familie Warzenschweine – Mama vorne, dann vier kleine Kinder, hinten der Papa – und ein paar kleine Steenböcke, die vor unserem Roda flüchten, sehen wir.

In der Omuramba kommen wir an einem weiteren Bohrloch vorbei. Es ist allerdings stillgelegt. Das blaue Rohr, das in den Boden hinein führt ist nicht verschlossen. Mit Hilfe eines langen Seils kann Heike zumindest messen, in welcher Tiefe das Grundwasser hier steht. Wir überlegen, ob man – mit Hilfe des Seils – vielleicht auch eine Wasserprobe nehmen kann, aber die Versuche, einen an dem Seil befestigten und zur Beschwerung mit Steinen gefüllten Becher mit Wasser zu füllen, schlagen fehl. Das Wasser, das wir auf diese Weise zu Tage fördern ist einfach zu verunreinigt, als daß man es für Laborzwecke gebrauchen könnte.
Nach einigen Versuchen geben wir also auf.
 

Die schöne Kalahari-Landschaft in der Nähe von Nhoma Post
Das stillgelegte Bohrloch...

 
... und der Versuch, eine Wasserprobe zu nehmen

Wir fahren weiter die Nhoma Omuramba entlang und die Landschaft bleibt gleichmäßig schön!
Ganz heimlich schleichen wir uns irgendwann, sozusagen „von hinten“ in den Khaudum Nationalpark. Da dieser Nationalpark ja nicht von einem Zaun umgeben ist, passieren wir lediglich einen Stein, auf dem zu erkennen ist, daß hier seinerzeit ein Schild das Erreichen des Nationalparks angezeigt hatte. Früher war dieser Weg der Hauptweg, der in dAen Nationalpark führte. Inzwischen gibt es den Pad von Tsumkwe nach Sikareti und die Strecke, auf der wir jetzt fahren, ist für die Öffentlichkeit eigentlich gesperrt. Als Heike und Ansgar vor zwei Wochen aber schon einmal im Khaudum Nationalpark waren, hatten sie sich von den Rangern die Erlaubnis geben lassen, das nächste Mal über diese Straße in den Park zu fahren.

Nach einer ganzen Weile Fahrt kommen wir an eine der wenigen natürlichen Quellen, die es in dieser Gegend gibt: Die Tsuanafontein. In einer kleinen Senke der Omuramba liegt ein ca. 150 m langes und ca. 30 m breites Wasserloch. An einer Seite stehen malerisch vier abgestorbene Akazien, auf der gegenüberliegenden Seite ist in einiger Entfernung von Raleigh International ein im überdimensionalen Leopardenmuster getarnter Ausguckt aufgebaut worden.
Als wir auf die Tsuanafontein zufahren sehen wir aus einiger Entfernung eine Herde von ca. 10 der relativ seltenen und sehr großen Roan Antilopen davonspringen. Ansonsten haben wir auch hier wenig Glück mit Tieren. Ein einsamer Storch steht am Ufer des Wasserlochs und über das Gras kriecht eine dicke Schildkröte, aber von anderen Tieren ist nichts zu sehen.
 

Tsuanafontein

 
Der Hochsitz

 
Blick vom Hochsitz

 
Ansgar nimmt eine Probe
Heike analysiert das Wasser

Wir bleiben hier relativ lange, weil Heike und Ansgar sich ziemlich unnötig und gleichermaßen heftig in die Wolle kriegen, was – wie sich später herausstellt – wohl daran liegt, daß Heike zu wenig gegessen hat...
Daan und ich halten uns raus und passen auf, daß wir nicht von Elefanten angegriffen werden... nicht, daß wir welche sehen würden, aber auf Elefanten aufpassen ist allemal besser und spannender, als sich in einen so nutzlosen Streit einmischen zu müssen!
Wir klettern noch für eine Weile auf den Hochsitz, denn inzwischen ist es auch schon 16:30 Uhr und es gibt eigentlich keinen Grund, warum hier nicht irgendwann und irgendwo mal ein paar Tiere auftauchen sollten, aber auch jetzt haben wir kein Glück.
Also fahren wir weiter. Bis nach Sikareti sind es jetzt nur noch wenige Kilometer.
 

Am Horizont baut sich seit einiger Zeit ein riesiger Wolkenberg auf und wir befürchten, daß es gleich ein mordsmäßiges Gewitter geben könnte, also geben wir uns – als wir den Zeltplatz in Sikareti erreicht haben – größte Mühe zumindest das Zelt so schnell als irgend möglich aufgebaut zu bekommen. 
 

Das erweist sich später allerdings als völlig unnötig, denn weder am Abend noch in der Nach regnet es auch nur einen einzigen Tropfen.

Wir haben übrigens nur das große Zelt mit nach Khaudum genommen und ich werde heute nacht mit Heike, Ansgar und Daan zusammen in dem Zelt wohnen. Dafür gibt es zwei Gründe: Erstens war es praktisch, mein kleines Zelt in Klein Dobe stehen zu lassen uns so die Möglichkeit zu haben, einige Dinge, die wir für die 2-Tage-Tour nicht unbedingt mitnehmen mußten, regensicher zu lagern. Und zweitens hatte es bei Heike und Ansgars letztem Besuch in Zigareti auf dem Zeltplatz von Hyänen nur so gewimmelt. Die Tiere waren nachts teilweise direkt bis an das Zelt gekommen und ehrlich gesagt, ist mir der Gedanke, daß ich heute nacht nicht allein in meinem kleinen Zelt liegen muß, sehr lieb!

Zum Abendessen (Zwiebeln, Weißkohl, Tomatenmark und Reise – alles zusammen im Pojikie gekocht) bekommen wir Besuch von Shivuto, einem der Parkranger des Khaudum Nationalparks, den Heike und Ansgar schon von ihrem letzten Besuch her kennen. Er ist ein Ovambo und dementsprechend tief schwarz. Er spricht vom Vokabular her sehr gut Englisch, allerdings nuschelt er so schlimm und spricht einige Worte so undeutlich und sonderbar aus, daß es nur sehr schwer zu verstehen ist.
Was ich allerdings sehr wohl verstehe ist, daß er versucht, mich über Weihnachten nach Khaudum einzuladen! Er wird ganz allein hier sein müssen und würde sich sehr über meine Gesellschaft freuen. Ich denke nicht, daß das eine so gute Idee ist. Schon allein, weil bei den Ovambo AIDS, bzw. HIV leider ein ganz großes Thema ist, und wie Shivuto sich Weihnachten mit mir vorstellen würde, kann ich mir sehr gut denken...
Leider sind HIV und AIDS inzwischen auch bei den Buschmännern zum Thema geworden. Und zwar hauptsächlich durch junge Buschfrauen, die sich oft für eine Flasche Alkohol oder ein Päckchen Schmink prostituieren und die Krankheit so in ihre eigenen Familien einschleppen... Traurig...

Wir sitzen noch eine ganze Weile gemütlich am Feuer und reden, bis Shivuto Ansgar schließlich bittet, ihn mit dem Auto in das nur ca. 400 m entfernte Camp zu fahren. Vor einiger Zeit schon hatten wir nämlich die Hyänen heulen hören und auch wenn wir bis jetzt noch keine zu sehen bekommen haben, kann man davon ausgehen, daß sie ganz in der Nähe sind. In dieser Situation ist es sicher keine gute Idee, Shivuto allein und zu Fuß zurück zum Camp gehen zu lassen!
Gerade als Ansgar dabei ist, Shivuto zurück in sein Camp zu bringen, hören wir stimmen. Als Ansgar zurück kommt, erzählt er uns, daß die Kollegen von Shivuto schon mit Gewehren bewaffnet losgegangen waren, um ihn zu suchen. Hier in Khaudum gibt es eben doch so viele wilde und gefährliche Tiere (u. a. ca. 40 Löwen), daß man sich schon so seine Gedanken machen sollte, wenn jemand nicht zur verabredeten oder erwarteten Zeit wieder da ist.
Und Shivuto war ja nur losgegangen, um kurz zu gucken, wer da auf dem Zeltplatz angekommen war, hatte dann aber mit uns gegessen und war so weit mehr als eine Stunde weg geblieben.

Die Nacht im Zelt schlafe ich nicht sehr gut. Erstens weil ich immer mal wieder durch Geräusche aufschrecke und denke, daß das vielleicht eine Hyäne sein könnte und zweitens, weil es im Zelt fürchterlich heiß und stickig und voll ist und Daan immer wieder auf mich draufrollt und ich ihn wieder zurück schieben muß.

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