Heute wache ich sogar schon um 5:40 Uhr auf,
bleibe aber noch liegen und nutze die Zeit zum Schreiben. Wir stehen alle
früh auf, frühstücken Haferflocken mit aus Trockenmilchpulver
hergestellter Milch und sind um kurz nach 7:00 Uhr abfahrbereit.
Aus der D 3312 (Tsumkwe è Sikereti)
fahren wir nach Norden bis wir nach wenigen Kilometern an das Dorf //Xa!oba
kommen. Hier soll es eine Handpumpe geben, die Heike beproben will. Die
Buschleute schicken uns aber noch ein paar Kilometer weiter, bis ein großes
weißes Metallschild den Weg zur Ivory Trail – Casa’s Hawkers – einer
mitten im Busch liegenden She-been (so das Damarawort für Trinkhalle)
ankündigt. Auf dem Weg dorthin fahren wir noch an einem verlassenen
Buschmanndorf vorbei, wo ich ein paar Fotos von den Hütten und deren
„Innenausstattung“ mache. Dann erreichen wir die Casa’s Hawkers, drei aus
Stein gemauerte Häuser mit bunten Türen und Fensterrahmen. Ziemlich
offensichtlich der nächste „Kietz“ der Buschleute! Welche Entfernzungen
und Strapazen Buschleute auf sich nehmen, um ihr Ziel zu erreichen, weiß
ich spätestens seit heute morgen, als Slange und Kal aufgebrochen
waren, um zu Fuß zum Shoppen nach Tsumkwe zu gehen. Für die
23 km rechnen sie vier Stunden. Und sie werden auch heute noch wieder zurück
kommen – also noch einmal 34 km und vier Stunden bei sengender Hitze. Man
kann sich also vorstellen, daß die Tatsache, daß man vielleicht
ein paar Stunden laufen muß, wenn man von dieser She-Been nach Hause
will, kaum abschreckend wirken wird.
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Ein paar Meter weiter ist die Handpumpe, von der wir ohne Probleme Heikes Probe nehmen. Ein Buschmann mit einem 20-l-Kanister auf der Schulter kommt vorbei und weil ich gerade so schön am pumpen bin, pumpe ich für ihn gleich weiter, bis sein Kanister voll ist.
Dann fahren wir auf der D 3312 noch ein kleines
Stück weiter gen Norden, biegen dann aber nach Westen und schließlich
wieder nach Norden ab. Jetzt sind wir wirklich tief in der Walachei, aber
hier soll es ein Hunter’s Camp und ein Buschmanndorf geben und an beiden
soll es Wasserstellen, bzw. Pumpen oder Windräder geben. Zuerst fahren
wir an das wunderschöne und romantisch gelegene Wasserloch des Hunter’s
Camps. Hier steht ein riesiges Windrad, das sich, als wir ankommen, aber
nicht dreht. Heike probiert, eine Kurbel und eine Ölpumpe am Fuß
des Rades und letzteres ist von Erfolg gekrönt und das Rad beginnt,
sich zu drehen. Jetzt kann Heike an dem in den kleinen See mündenden
Überlaufrohr ihre Wasserprobe nehmen. Dummerweise tritt sie dabei
volles Brett in den Matsch und muß ihre Kudulederschuhe gründlich
vom Matsch befreien. Auch Daan braucht eine Wäsche – er hat mal wieder
Durchfall.
Übrigens haben heute alle außer
mir Probleme mit ihren Magen, bzw. der Verdauung... ob das Fleisch vielleicht
wirklich nicht mehr so ganz astrein war?
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Ein einzelner Buschmann kommt an die Pumpe
– vermutlich, weil er gesehen hat, daß plötzlich das Windrad
läuft. Er spricht uns aber nicht an, sondern geht sehr bald wieder
in die Richtung, aus der er gekommen ist, zurück.
Auf dem Rückweg würde Ansgar gerne
noch einen schnellen Blick auf das Hunter’s Camp werden. Wir biegen ab
und landen kurz darauf in einem kleinen Buschmanndorf, das sozusagen schon
fast das Jagdcamp ist, denn dieses ist nur durch einen etwas festeren Holzbau,
der an zwei Seiten mit Maschendraht verschlossen ist als ein Hunter’s Camp
zu erkennen. Vor diesem Bau liegen die Unterkiefer von sieben Elefanten
und die kompletten Schädel von drei weiteren Elefanten. Hinter dem
Gatter liegen etliche Geweihe, das einer Elan-Antilope muß ganz frisch
sein, denn es liegt noch in einer mega-eklig aussehenden Brühe, die
das Fleisch von den Knochen ablösen soll.
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Ansonsten wird dem potentiellen Jäger hier keinerlei Komfort geboten. Ganz nach dem Motto walk & stalk muß der Jäger schon einige Strapazen auf sich nehmen, wenn er par tout meint, auf Großwildjagd gehen zu müssen!
Von dieser zweiten Wasserstelle aus fahren
wir weiter Richtung Norden. Es dauert eine ganze Weile, bis wir praktisch
am Ende der Straße zu einem weiteren Buschmanndorf kommen. Hier sind
wir jetzt wirklich fast am Ende der Welt! Dieses Dorf liegt so weit von
jeglicher Zivilisation entfernt, daß man davon ausgehen kann / muß,
daß dieser Clan wirklich noch komplett autark lebt. Von hier bis
nach Tsumkwe (und damit zum nächsten Lebensmittelladen) sind es sicher
50 oder 60 km – selbst für einen Buschmann viel zu weit für irgendwelche
Einkäufe. Und ein Auto, von dem man sich mitnehmen lassen kann, fährt
– wenn überhaupt... – auch erst auf der etliche Kilometer entfernten
D 3312 vorbei.
Ich weiß nicht, ob diese Abgeschiedenheit
der Grund dafür ist, aber kurz vor dem Dorf sind mehrere Felder extrem
ordentlich und penibel durch einen aus Ästen gebauten Zaun abgesteckt.
So ordentlich und organisiert habe ich das bei Buschleuten noch nie gesehen!
Auch sehen wir beim Näherkommen, daß dieses Dorf Rinder besitzt
– auch das ist für Buschleute eigentlich überhaupt nicht üblich.
Viehzucht ist hier in der Gegend eine Errungenschaft der weiter im Norden
lebenden Kavango und nur wenn ein Kavango in eine Buschmannfamilie eingeheiratet
hat, kommt es manchmal vor, daß die Viehzucht auch bei den Buschmännern
einzieht.
Wo dieses Dorf die Idee zur Rinderzucht
her hatte, weiß keiner...
Wir fahren durch das Dorf durch und zur
gut sichtbaren Windpumpe. Während Heike sich von drei kleinen Mädels
die Pumpe anschmeißen läßt, steigt Daan auf Ansgars Arm
aus dem Auto aus. Und sofort ist er die Riesenattraktion. Sicher kommt
es schon ab und an (wenn auch selten) vor, daß Weiße in diesem
abgelegenen Dorf landen. Aber ob es schon jemals welche gegeben hat, die
ein knapp zweijähriges, hellhäutiges, weißblondes und im
Vergleich zu den Buschmännern riesiges und ziemlich moppeliges Kleinkind
dabei hatten? Mit ziemlicher Sicherheit, nicht!
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In den nächsten Minuten bestätigen
sich die Erfahrungen, die ich vor zwei, bzw. vor vier Jahren schon mit
den Buschleuten gemacht habe: Das Bestaunen und Anglotzen ist beidseitig
und daher völlig fair und ausgeglichen. Wie wir so voreinander stehen
und uns gegenseitig anglotzen, brauchen sich weder wir noch die Buschleute
wie Tiere im Zoo zu fühlen.
Mit Hilfe von Gebärden frage ich, ob
es OK ist, wenn ich Fotos mache. Fotos scheinen die Buschleute zu kennen,
denn sofort rücken alle zu einer Art Gruppenbild zusammen und ich
darf knipsen so viel ich will. Die Kinder scheinen sogar Spaß daran
zu haben. Hätte ich doch nur daran gedacht, eine Polaroid-Kamera mitzunehmen
– dann hätte ich etwas, das ich den Kindern hier lassen könnte...
Noch etwas fällt mir in diesem abgelegenen
Dorf auf: Kein einziges Mal werden wir gefragt, ob wir Perlenketten oder
–Armbänder, Pfeil und Bogen oder kleine, mit Straußeneierschalenperlen
besetze Ledertaschen kaufen wollen. Auf die Idee, daß man vorbeifahrenden
Weißen Souvenirs andrehen könnte, scheint hier noch niemand
gekommen zu sein.
Einzig, ob wir Tabak dabei hätten,
werden wir in dem in dem Dorf, in dem wir gerade sind, und von dem ich
leider nie erfahre, wie es heißt, gefragt; aber auch das total unaufdringlich.
Und es gibt auch keine bösen oder enttäuschten Gesichter, als
wir diese Frage verneinen.
Nachdem Heike mit ihrer Wasserprobe fertig
ist, setzen wir uns wieder in den Roda und fahren eine ganze Zeit lang
den Weg, den wir gekommen sind, zurück, bis wir – mitten im Busch!
– an einer großen, übersichtlichen Kreuzung, an der eigentlich
fast nur eine Ampel oder eine 4-way-stop-Regelung fehlt, gen Osten abbiegen.
Nach relativ kurzer Zeit erreichen wir das
nächste Buschmanndorf. Ihre Pumpe liegt ein wenig außerhalb.
Wir bekommen den Weg beschrieben und fahren hin. Eine nicht laufende Dieselpumpe
hinter einem massiven aber komplett niedergetrampelten Elefantenzaun erwartet
uns.
Bevor wir uns aber noch Gedanken machen
können, ob und wie wir diese Pumpe in Gang bringen können, kommen
auch schon fünf kleine Buschjungs und fangen an, sich an der Pumpe
zu schaffen zu machen. Aber so einfach scheint es nicht zu sein, die Pumpe
zum Laufen zu bringen. Sie haben gleich von vornherein damit begonnen,
den Keilriemen abzunehmen und mit dem Schraubenzieher eine Feinjustierung
vorzunehmen, aber so lange sie auch schrauben und kurbeln, mehr als ein
vielversprechend klingendes aber nichts bewirkendes puff-puff ist der Pumpe
nicht zu entlocken.
Da helfen auch Ansgars Lederhandschuhe oder
weitere aus dem Dorf kommende Männer und Jungs oder der schnell aus
dem Dorf herbei geholte Dieselnachschub nichts. Schnell hat sich fast das
ganze Dorf (also auch die Frauen und Mädchen) an der Pumpe eingefunden.
Aber die Pumpe will einfach nicht...
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Es fängt mal wieder an zu regnen. Der typische „wenige, dicke, warme“-Tropfen-Regen, den wir in den letzten Tagen schon kennen gelernt haben und während der Dorfhund ein Bad in der Wasserwanne, die – wenn die Pumpe denn laufen würde – das Wasser aufnehmen sollte, nimmt, verstecken sich die Kinder lauthals lachend unter dem Regentrog. Auch hier ist die Stimmung total freundlich und locker. Schade nur, daß man mit den Buschleuten nicht kommunizieren kann....
Nach mehr als einer ½ Stunde geben
wir den Versuch, die Pumpe in Gang zu bringen, schließlich auf. Vielmehr
sagen wir den Buschjungs, daß sie ohne uns weitermachen müssen,
denn die hat inzwischen der Ehrgeiz gepackt. Außerdem glaube ich,
daß sie es eh weiter versuchen würden, denn schließlich
ist auch das Dorf selbst von dem Funktionieren der Pumpe abhängig.
Wir werden auf dem Rückweg noch einmal
hier vorbei kommen – vielleicht läuft die Pumpe ja dann und wir können
die Wasserprobe doch noch bekommen....
Eine Wasserstelle haben wir noch auf unserem
Tageszettel: Die Solarpumpe am Ende der Welt.
Das wir die Wasserstelle auf diesen Namen
taufen werden, wissen wir aber erst, als wir sie erreichen. Wir fahren
immer weiter nach Osten, wo wir uns langsam aber sicher auf die Botswanische
Grenze zu bewegen. Ganz so weit kommen wir nicht, da uns plötzlich
etwas den Weg versperrt, das wie eine riesige Betonmauer aussieht. Und
wirklich: Es ist eine ca. 2 m hohe, ca. 60 cm starke und aus losen Steinen
zusammengesetzte und festzementierte Mauer. In der Mitte des Mauerkreises,
der einen Durchmesser von ca. 10 m hat, steht eine nagelneue Solarpumpe!
Die Mauer hat an einer Seite einen Durchgang, der aber so eng und so verwinkelt
ist, daß vermutlich nicht mal eine kleine Antilope hier durch kommen
würde. Eine wirklich beeindruckende Konstruktion! (Und vermutlich
eine der wenigen, die auch wirklich mal Elefanten-sicher ist!)
Wenige Meter weiter ist die Wasserstelle,
die von der Pumpe gespeist wird. Auf einer kleinen Erkundungstour entdecken
wir etwas ziemlich ekelhaftes: In ca. 3 m Höhe hängen in einem
Baum ganz in der Nähe der Wasserstelle die Kadaver zweier ziemlich
bös verwester Antilopen. Bäh! Ansgar klart mich auf, daß
das vermutlich eine Anlockfalle für Leoparden sein soll!
Naja, in einer Welt, in der noch gejagt
wird, darf man auch nicht zimperlich sein...
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Heike nimmt und analysiert ihre Wasserprobe, wir machen eine kurze Mittagspause (Schwarzbrot mit Sandwich-Spread) und fahren dann zurück.
Wir halten kurz an einem durch einen Blitzschlag
von innen vollkommen ausgebrannten und verkohlten Baobab, dessen beeindruckendes
Gerippe wirklich gespenstisch aber gleichzeitig sehr cool aussieht. Trotz
allem trägt der Baum sogar noch Blätter!
Zur Abwechselung fährt Heike jetzt
mal den Roda und es ist ein deutlicher Unterschied zu spüren! Sie
fährt viel zügiger und härter als Ansgar. Wo Ansgar versucht,
möglichst langsam über die Bodenwellen zu fahren, ist es Heikes
Taktik sozusagen von Kuppe zu Kuppe zu „fliegen“. So lange ich die Straße
im Blick habe, ist das eine Art zu fahren, die durchaus Sinn macht, denn
wir kommen so auf jeden Fall schneller voran.
So sind wir schon um kurz vor 16:00 Uhr zurück
in Klein Dobe. Robin hatte angekündigt, daß er am Nachmittag
vielleicht noch mit Slange und Kal auf die Jagd gehen wollen würde
und hatte gefragt, ob Ansgar Lust hätte, mitzukommen; aber bis jetzt
sind die beiden Buschmänner noch nicht von ihrem Trip nach Tsumkwe
zurück... Außerdem sitzt Robin in seinem Zelt am durch Solarenergie
betriebenen Laptop und arbeitet an Budgetaufstellungen für seine Geldgeber.
Also wird das Jagen wohl ausfallen...
Statt dessen wollen wir uns das ehemalige
Hunter’s Camp, das nur ca. 500 m von hier entfernt ist, angucken. Dort
sollen, laut Robin, noch ganz viele Elefantenschädel in der Gegend
rumliegen. Als wir das Camp erreichen, kriegen wir fast einen Schreck:
Zwei aus Containern gebaute Hütten stehen ca. 100 m voneinander entfernt
im Busch, rund um eine der beiden Hütten sind mehrere Flächen
zementiert und Wasserrohre ragen in die Luft, so daß man vermuten
muß, daß es hier einmal weitere Hütten oder Zeltplätze
gegeben hat. Das erschreckende aber ist der Zustand dieses Platzes: Alles
sieht total verwahrlost und verlottert aus... Ich mag den Ort hier überhaupt
nicht – er erinnert mich viel zu sehr an die schlimme, brutale Zeit der
Elefantenjagd; ich glaube, hier haben zu viele Menschen mit schlimmen Gedanken
gewohnt und gelebt und der Ort ist auch heute noch nicht davon geläutert.
Gemeinsam kümmern wir uns um die Abendessensvorbereitungen.
Es gibt Kartoffelsuppe mit Zwiebeln und Karotten und Robin hat einen Brotteig
gemacht, den er jetzt in einen flachen gußeisernen Topf mit Deckel
legt. Den Topf stellt er direkt auf die Glut des Feuers, den Deckel des
Topfes bedeckt er ebenfalls mit glühenden Kohlen. Eine knappe Stunde
später holt er ein perfektes Brot aus dem Topf!
Eine Weile sitzen wir nach dem Essen noch
zusammen am Feuer, aber auch heute gehen wir noch vor 22:00 Uhr schlafen.
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