Der Mittwochmorgenhimmel empfängt uns
mit Wolken! Sie sind aber so dünn, dass wir davon ausgehen, dass die
Sonne sie im Laufe des Tages wegbrennen wird. Es ist ja erst 6:00 Uhr!
Daan geht es wieder besser aber ganz OK
ist sein Magen noch nicht wieder, und auch in Heikes Magen grummelt es,
so dass wir überlegen, ob die beiden vielleicht da Fleisch nicht vertragen
haben? Wenn man hier Fleisch kauft, kann man nie 100 %ig sicher sein, ob
es wirklich die ganze Zeit über gekühlt war oder ob es nicht
doch ein paar Stunden irgendwo in der Wärme oder gar der Sonne gelegen
hat...
Allerdings hatten Heike und ich während
unserer gestrigen Autopane auch eine Wassermelonenähnliche Feldfrucht
gefunden, probiert und festgestellt, dass sie total bitter schmeckte –
was ja meistens ein Zeichen dafür ist, dass etwas nicht wirklich eßbar
ist. Aber falls sie wirklich giftig gewesen wäre, hätte ich ja
auch etwas davon merken müssen...
Die einzige mir logisch erscheinende Möglichkeit
ist eigentlich Daans Filetsteak von gestern abend, von dem Heike die Reste
gegessen hat. Oder halt die Tatsache, dass Daan einfach zu viel gegessen
hat, denn er hatte schon den ganzen Tag alles mögliche Essen in sich
hinein geschaufelt... aber das soll laut Heike und Ansgar eigentlich immer
so sein...
Wir frühstücken Erdnußbutterbrote und trinken Kaffee und Rooibuschtee, dann geht Ansgar zur Lodge um unseren Ersatzteilen hinterher zu telefonieren. Währenddessen schreibe ich.
Es dauert ziemlich lange, bis Ansgar mit
einer Lösung zurück kommt: Weder in Grootfontein noch in Tsumeb
gibt es einen Land Rover-Dealer, der so kurz vor Weihnachten, wenn das
ganze Land Urlaub hat und macht, och arbeitet. In Windhoek hat Ansgar schließlich
jemanden gefunden, der das kaputte Teil vorrätig hat und es ihm zumindest
bis Grootfontein schicken kann. Dort wird Ansgar es dann abholen und selbst
einbauen müssen. Die 700 km nach Grootfontein und zurück werden
ihm also nicht erspart bleiben. Außerdem kostet das Ersatzteil auch
noch N$ 4.000 (€ 500,-), dazu kommen 2 x 70 – 80 l Benzin, die Ansgar
verfahren wird.
Keine billige Aktion also...
Heike, Daan und ich werden hier bleiben.
Langsam machen wir uns daran, das Auto auszuladen, denn das Ansgar auch
noch jede Menge Ballast – inklusive eines vollen Benzinfasses – hin und
her fährt, tut ja nun wirklich nicht Not. Um das Benzinfaß aus
dem Auto zu wuchten, brauchen wir allerdings die tatkräftige Unterstützung
zweier Buschleute, die für die Lodge arbeiten.
Die restlichen Dinge können wir selbst
aus- und abladen. Ansgar wird nur das kleine Zelt (bei dem er den Reisverschluß
inzwischen repariert hat), einen Wasser- und zwei Benzinkanister, ein paar
Klamotten und Heikes Handy (für den Notfall, der allerdings auch nur
in Grootfontein selbst eintreten darf, weil es ansonsten auf der gesamten
Strecke und auch in Tsumkwe selbst keinen Handyempfang gibt). Die restlichen
Dinge lagern wir im großen Zelt zwischen.
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Gemeinsam mit Ansgar brechen auch Heike,
Daan und ich auf. Wir wollen in Tsumkwe zum Büro des Nyae Nyae Conservancies,
zu einem Gärtner, der gerade neu aufgemacht hat und bei dem es frische
Tomaten und Papayas geben soll und möglicherweise auch zum MET – dem
Ministry of Environment and Tourism – wo Heike hofft, noch ein paar Informationen
für ihre Forschungen zu bekommen.
Das Conservancy Office ist ein Fehlschlag,
man kann schon von außen sehen, dass es geschlossen hat. Auch bei
der „Gärtnerei“ kommen wir nicht weiter. Wir finden zwar des Gärtners
Haus und entdecken auch die dazugehörigen Beetanlagen, aber auch hier
ist anscheinend keiner zu Hause. Als wir den „Block“ – wie der Gärtner
diese kleine Ansammlung von Häusern etwas außerhalb von Tsumkwe
später selbst bezeichnet – wieder in Richtung Tsumkwe verlassen und
gerade auf die „große“ Kreuzung (eigentlich eher die einzige Kreuzung!)
zufahren, kommt ein Ovambo mit einer Rasta-Frisur und der entsprechenden
obligatorischen schwarz-rot-gelb-grünen Mütze auf uns zu. Dank
seines auffälligen Aussehens erkennt Heike in ihm den Gärtner
und spricht ihn an. „Ja, ja,“ sagt er in ziemlich gutem Englisch, „ich
baue Obst und Gemüse an. Aber zu Hause verkaufe ich es nur am Abend
nach 17:00 Uhr, denn tagsüber bin ich ja hier.“ Dabei zeigt er auf
einen kleinen Souvenir-Stand, der hinter ihm an der Straßenecke steht.
Hui! Hier scheinen wir es mal mit einem
echt geschäftstüchtigen Farbigen zu tun zu haben, denn während
er seine Souvenirs verkauft, kann man sein Obst und Gemüse bei dem
kleinen Laden an der Ecke, in dem auch der mini kleine Postschalter untergebracht
ist, kaufen. Das wollen wir dann auch tun. Rudolf – so der Name des Schwarzen,
der aber von allen Einheimischen passenderweise nur Rasta genannt wird
– bringt immer nur das in den Laden, was gerade reif ist und so gibt es
heute zwar weder Tomaten oder Papayas, dafür aber Weintrauben, Granatäpfel
und Yams!
Wir kaufen Weintrauben, drei Granatäpfel
und ein Brot.
Dann lasse ich mir noch von zwei Buschmannfrauen
für N$ 10, bzw. 15,- zwei Glasperlenketten verkaufen.
Leider ist mit den Buschmännern, bzw.
–frauen keinerlei Kommunikation möglich, denn sie sprechen kein Englisch.
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Dann geht es weiter zum MET und hier haben
wir, bzw. hat Heike richtig Glück: Normalerweise hat sie hier mit
einem weißen Ranger namens Dries Albrechts zu tun, de immer nur sporadisch
für Heike Zeit hat, nicht sehr hilfsbereit ist und sich generell eigentlich
nur für alles mit dem Khaudum Nationalpark zusammenhängende interessiert
– und das, obwohl er genau so auch für das Nyae Nyae Conservancy zuständig
ist. Außerdem scheint er, laut Heike, noch nicht wirklich erkannt
zu haben, dass Heikes Arbeit für ihn von absolutem Nutzen sein kann,
und behandelt sie, als wäre sie ihm lästig und würde ihn
mit ihrer Arbeit nur stören. Und das ist wirklich nicht fair, denn
Heike, bzw. die Uni Würzburg, bzw. die Stipendiaten ihrer Post-Dok-Stelle
investieren jede Menge Zeit und Geld in diese Gegend, ohne dass sie dafür
irgend eine Gegenleistung verlagen. Lediglich ein klein wenig Unterstützung
wäre wünschenswert. Aber heute ist Dries nicht da, so dass Heike
mit einem seiner Buschmann-Mitarbeiter sprechen muß. Und der erweist
sich als wahrer Goldgriff!
Von ihm bekommt Heike ohne Probleme all
die Informationen, hinter denen sie schon so lange her ist: Auf einer Karte
zeigt er ihr die genauen Standorte aller Wasserpumpen, Bohrlöcher
und Quellen im Nyae Nyae Conservancy und gibt ihr die jeweils dazugehörigen
Informationen: Ob die Pumpen derzeit laufen oder nicht, ob es sich um eine
Solar-, eine Diesel- oder eine Handpumpe handelt, u. s. w.
So einfach Informationen eigentlich... Warum
tut Dries sich nur so schwer damit, Heike genau diese wenigen Informationen
zu geben?
Aber es kommt noch besser: Der nette Buschmann
übersetzt Heike auch noch die Namen der Orte, bei denen die Wasserstellen,
bzw. die Pumpen liegen. Bei einigen Namen muß auch er passen, aber
aufgeben tut er deshalb noch lange nicht: Er holt zwei seiner Kollegen
rein und gemeinsam liefern sie Heike tatsächlich alle ihr noch fehlenden
Übersetzungen!
Bei der Gelegenheit erfahren wir auch gleich,
dass das Nyae Nyae Conservancy eigentlich //oa!ae [sprich: No!ak-ey] heißen
müßte und somit gleich zwei der für uns völlig unaussprechlichen
Klack-Laute enthält und nur wegen der Touristen die Klack-Laute verschwunden
sind. Übersetzt heißt //oa!ae so viel wie Heimatland oder auch
Land der Steine. Auch Tsumkwe müßte eigentlich mit einen Klack-Laut
ausgesprochen werden und hieße dann Tsum!e!
Während Heike sich die Bohrstellen
zeigen läßt, gucke ich mir relativ gründlich und intensiv
ein auf dem Tresen liegendes Buch an: Es ist eine Art Sammelmappe für
alle Beobachtungen, die in diesem Jahr (2004) im Nyae Nyae Conservancy
gemacht worden sind.
Und so erfahre ich ganz nebenbei, das in
diesem Jahr ca. 20 Stück Großwild gejagt worden sind, darunter
fünf Elefanten (alle männlich) und dass mit einer einzigen Ausnahme
ausschließlich Deutsche zum Jagen hier her gekommen sind. Ein Jäger
ist dabei, der gleich einen ganzen Zoo zusammengejagt hat: Jeweils ein
Kudu, Eland, Oryx und einen Duiker – alle am gleichen Tag.
Später erfahre ich noch, dass der letzte
der hier erlegten Elefanten wohl die zweitgrößten Stoßzähne,
die jemals bei einem Elefanten gemessen worden sind, hatte! Ein Zeichen
dafür, dass es sich nicht nur um einen uralten Elefanten gehandelt
haben muß, sondern auch dafür, dass die Elefanten in dieser
Gegend größer werden als sonst irgendwo auf der Welt!
Ebenfalls erfahre ich aus dem Buch, dass
im Jahr 2004 nicht ei einziges Tier gewildert worden ist. Das finde ich
sehr beachtlich und erfreulich!
Nach wie vor ist es so, dass die hier in
der Gegen lebenden Buschmänner jagen dürfen, allerdings ausschließlich
auf ihre herkömmliche Art mit Pfeil und Bogen - alles andere würde
auch bei ihnen als Wilderei angesehen werden.
Es gibt eine Liste, auf der die Sichtungen
gefährlicher Tiere (Leoparden, Geparden, Löwen, Hyänen)
vermerkt werden, eine Liste, auf der Tiere mit abnormalem Verhalten und
was man gegen diese Tiere unternommen hat, vermerkt wird (z. B.: Hyäne
hat 3 Ziegen gerissen – getötet!) und eine Liste über die Menge
des gefallenen Niederschlags.
Alle Listen sind äußerst penibel,
wenn auch handschriftlich geführt.
Für 2005 liege das neue, noch leere
Buch bereits daneben.
Am liebsten würde ich das Buch mitnehmen
oder zumindest noch viel mehr Zeit haben, es gründlich zu durchstöbern,
aber Heike ist am Ende ihres Fragenkatalogs angekommen und wir wollen los.
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Bei sengender Mittagshitze gehen wir die
knapp zwei Kilometer zurück zur Tsumkwe Lodge.
Dort angekommen ist uns so hieß, dass
wir in der Lodge selbst erst mal einen kühlen Drink zu uns nehmen
müssen. „Richtig kühl wird schwierig,“ entschuldigt sich die
nette Burin, „wir haben ein Filmteam des WWF [World Wildlife Fund] zu Gast
und die haben gerade alle Kaltgetränke weggetrunken!
Aber „laukalt“ ist auch schon toll!
Danach testen wir den kleinen aber sehr
netten Pool der Lodge. Das Wasser ist fast badewannenwarm, allerdings sehr
trübe. Sogar Daan, der schon lange nicht mehr schwimmen war, traut
sich ohne Probleme ins Wasser. Aber er ist ja eh ein extrem verträgliches
und unkompliziertes Kind, das auf dieser für Kinder doch recht ungewöhnlichen
Tour problemlos mitläuft. Einzig sein permanenter Hunger und die Tatsache,
dass er – obwohl er noch keine zwei Jahre alt ist – ½ Liter Apfelsaft
ohne abzusetzen austrinken kann, machen mich etwas stutzig.
Bis zum Abendessen verbringe ich die Zeit
mit Schreiben. Heike bringt Daan ins Bett, der heute ungewöhnlicherweise
ein paar Schwierigkeiten macht.
Wir essen Nudeln mit Zwiebeln und Thunfisch
und trinken dazu ein windgekühltes Bier. Danach sind auch Heike und
ich so müde, dass wir gleich schlafen gehen.
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