MITTWOCH, 15. DEZEMBER 2004

Der Mittwochmorgenhimmel empfängt uns mit Wolken! Sie sind aber so dünn, dass wir davon ausgehen, dass die Sonne sie im Laufe des Tages wegbrennen wird. Es ist ja erst 6:00 Uhr!
Daan geht es wieder besser aber ganz OK ist sein Magen noch nicht wieder, und auch in Heikes Magen grummelt es, so dass wir überlegen, ob die beiden vielleicht da Fleisch nicht vertragen haben? Wenn man hier Fleisch kauft, kann man nie 100 %ig sicher sein, ob es wirklich die ganze Zeit über gekühlt war oder ob es nicht doch ein paar Stunden irgendwo in der Wärme oder gar der Sonne gelegen hat...
Allerdings hatten Heike und ich während unserer gestrigen Autopane auch eine Wassermelonenähnliche Feldfrucht gefunden, probiert und festgestellt, dass sie total bitter schmeckte – was ja meistens ein Zeichen dafür ist, dass etwas nicht wirklich eßbar ist. Aber falls sie wirklich giftig gewesen wäre, hätte ich ja auch etwas davon merken müssen...
Die einzige mir logisch erscheinende Möglichkeit ist eigentlich Daans Filetsteak von gestern abend, von dem Heike die Reste gegessen hat. Oder halt die Tatsache, dass Daan einfach zu viel gegessen hat, denn er hatte schon den ganzen Tag alles mögliche Essen in sich hinein geschaufelt... aber das soll laut Heike und Ansgar eigentlich immer so sein...

Wir frühstücken Erdnußbutterbrote und trinken Kaffee und Rooibuschtee, dann geht Ansgar zur Lodge um unseren Ersatzteilen hinterher zu telefonieren. Währenddessen schreibe ich.

Es dauert ziemlich lange, bis Ansgar mit einer Lösung zurück kommt: Weder in Grootfontein noch in Tsumeb gibt es einen Land Rover-Dealer, der so kurz vor Weihnachten, wenn das ganze Land Urlaub hat und macht, och arbeitet. In Windhoek hat Ansgar schließlich jemanden gefunden, der das kaputte Teil vorrätig hat und es ihm zumindest bis Grootfontein schicken kann. Dort wird Ansgar es dann abholen und selbst einbauen müssen. Die 700 km nach Grootfontein und zurück werden ihm also nicht erspart bleiben. Außerdem kostet das Ersatzteil auch noch N$ 4.000 (€ 500,-), dazu kommen 2 x 70 – 80 l Benzin, die Ansgar verfahren wird.
Keine billige Aktion also...

Heike, Daan und ich werden hier bleiben. Langsam machen wir uns daran, das Auto auszuladen, denn das Ansgar auch noch jede Menge Ballast – inklusive eines vollen Benzinfasses – hin und her fährt, tut ja nun wirklich nicht Not. Um das Benzinfaß aus dem Auto zu wuchten, brauchen wir allerdings die tatkräftige Unterstützung zweier Buschleute, die für die Lodge arbeiten.
Die restlichen Dinge können wir selbst aus- und abladen. Ansgar wird nur das kleine Zelt (bei dem er den Reisverschluß inzwischen repariert hat), einen Wasser- und zwei Benzinkanister, ein paar Klamotten und Heikes Handy (für den Notfall, der allerdings auch nur in Grootfontein selbst eintreten darf, weil es ansonsten auf der gesamten Strecke und auch in Tsumkwe selbst keinen Handyempfang gibt). Die restlichen Dinge lagern wir im großen Zelt zwischen.
 

Unser Lager in der Tsumkwe Lodge
Ansgar bricht nach Grrotfontein auf
Heike in Tsumkwe

Gemeinsam mit Ansgar brechen auch Heike, Daan und ich auf. Wir wollen in Tsumkwe zum Büro des Nyae Nyae Conservancies, zu einem Gärtner, der gerade neu aufgemacht hat und bei dem es frische Tomaten und Papayas geben soll und möglicherweise auch zum MET – dem Ministry of Environment and Tourism – wo Heike hofft, noch ein paar Informationen für ihre Forschungen zu bekommen.
Das Conservancy Office ist ein Fehlschlag, man kann schon von außen sehen, dass es geschlossen hat. Auch bei der „Gärtnerei“ kommen wir nicht weiter. Wir finden zwar des Gärtners Haus und entdecken auch die dazugehörigen Beetanlagen, aber auch hier ist anscheinend keiner zu Hause. Als wir den „Block“ – wie der Gärtner diese kleine Ansammlung von Häusern etwas außerhalb von Tsumkwe später selbst bezeichnet – wieder in Richtung Tsumkwe verlassen und gerade auf die „große“ Kreuzung (eigentlich eher die einzige Kreuzung!) zufahren, kommt ein Ovambo mit einer Rasta-Frisur und der entsprechenden obligatorischen schwarz-rot-gelb-grünen Mütze auf uns zu. Dank seines auffälligen Aussehens erkennt Heike in ihm den Gärtner und spricht ihn an. „Ja, ja,“ sagt er in ziemlich gutem Englisch, „ich baue Obst und Gemüse an. Aber zu Hause verkaufe ich es nur am Abend nach 17:00 Uhr, denn tagsüber bin ich ja hier.“ Dabei zeigt er auf einen kleinen Souvenir-Stand, der hinter ihm an der Straßenecke steht.
Hui! Hier scheinen wir es mal mit einem echt geschäftstüchtigen Farbigen zu tun zu haben, denn während er seine Souvenirs verkauft, kann man sein Obst und Gemüse bei dem kleinen Laden an der Ecke, in dem auch der mini kleine Postschalter untergebracht ist, kaufen. Das wollen wir dann auch tun. Rudolf – so der Name des Schwarzen, der aber von allen Einheimischen passenderweise nur Rasta genannt wird – bringt immer nur das in den Laden, was gerade reif ist und so gibt es heute zwar weder Tomaten oder Papayas, dafür aber Weintrauben, Granatäpfel und Yams!
Wir kaufen Weintrauben, drei Granatäpfel und ein Brot.
Dann lasse ich mir noch von zwei Buschmannfrauen für N$ 10, bzw. 15,- zwei Glasperlenketten verkaufen.
Leider ist mit den Buschmännern, bzw. –frauen keinerlei Kommunikation möglich, denn sie sprechen kein Englisch.
 

eine der beiden Hauptstrassen von Tsumkwe
Der "Souvenir-Stand" von "Rasta"-Rudolf
"Self Help" - einer der beiden Lebensmittelläden von Tsumkwe

Dann geht es weiter zum MET und hier haben wir, bzw. hat Heike richtig Glück: Normalerweise hat sie hier mit einem weißen Ranger namens Dries Albrechts zu tun, de immer nur sporadisch für Heike Zeit hat, nicht sehr hilfsbereit ist und sich generell eigentlich nur für alles mit dem Khaudum Nationalpark zusammenhängende interessiert – und das, obwohl er genau so auch für das Nyae Nyae Conservancy zuständig ist. Außerdem scheint er, laut Heike, noch nicht wirklich erkannt zu haben, dass Heikes Arbeit für ihn von absolutem Nutzen sein kann, und behandelt sie, als wäre sie ihm lästig und würde ihn mit ihrer Arbeit nur stören. Und das ist wirklich nicht fair, denn Heike, bzw. die Uni Würzburg, bzw. die Stipendiaten ihrer Post-Dok-Stelle investieren jede Menge Zeit und Geld in diese Gegend, ohne dass sie dafür irgend eine Gegenleistung verlagen. Lediglich ein klein wenig Unterstützung wäre wünschenswert. Aber heute ist Dries nicht da, so dass Heike mit einem seiner Buschmann-Mitarbeiter sprechen muß. Und der erweist sich als wahrer Goldgriff!
Von ihm bekommt Heike ohne Probleme all die Informationen, hinter denen sie schon so lange her ist: Auf einer Karte zeigt er ihr die genauen Standorte aller Wasserpumpen, Bohrlöcher und Quellen im Nyae Nyae Conservancy und gibt ihr die jeweils dazugehörigen Informationen: Ob die Pumpen derzeit laufen oder nicht, ob es sich um eine Solar-, eine Diesel- oder eine Handpumpe handelt, u. s. w.
So einfach Informationen eigentlich... Warum tut Dries sich nur so schwer damit, Heike genau diese wenigen Informationen zu geben?

Aber es kommt noch besser: Der nette Buschmann übersetzt Heike auch noch die Namen der Orte, bei denen die Wasserstellen, bzw. die Pumpen liegen. Bei einigen Namen muß auch er passen, aber aufgeben tut er deshalb noch lange nicht: Er holt zwei seiner Kollegen rein und gemeinsam liefern sie Heike tatsächlich alle ihr noch fehlenden Übersetzungen!
Bei der Gelegenheit erfahren wir auch gleich, dass das Nyae Nyae Conservancy eigentlich //oa!ae [sprich: No!ak-ey] heißen müßte und somit gleich zwei der für uns völlig unaussprechlichen Klack-Laute enthält und nur wegen der Touristen die Klack-Laute verschwunden sind. Übersetzt heißt //oa!ae so viel wie Heimatland oder auch Land der Steine. Auch Tsumkwe müßte eigentlich mit einen Klack-Laut ausgesprochen werden und hieße dann Tsum!e!
Während Heike sich die Bohrstellen zeigen läßt, gucke ich mir relativ gründlich und intensiv ein auf dem Tresen liegendes Buch an: Es ist eine Art Sammelmappe für alle Beobachtungen, die in diesem Jahr (2004) im Nyae Nyae Conservancy gemacht worden sind.
Und so erfahre ich ganz nebenbei, das in diesem Jahr ca. 20 Stück Großwild gejagt worden sind, darunter fünf Elefanten (alle männlich) und dass mit einer einzigen Ausnahme ausschließlich Deutsche zum Jagen hier her gekommen sind. Ein Jäger ist dabei, der gleich einen ganzen Zoo zusammengejagt hat: Jeweils ein Kudu, Eland, Oryx und einen Duiker – alle am gleichen Tag.
Später erfahre ich noch, dass der letzte der hier erlegten Elefanten wohl die zweitgrößten Stoßzähne, die jemals bei einem Elefanten gemessen worden sind, hatte! Ein Zeichen dafür, dass es sich nicht nur um einen uralten Elefanten gehandelt haben muß, sondern auch dafür, dass die Elefanten in dieser Gegend größer werden als sonst irgendwo auf der Welt!
Ebenfalls erfahre ich aus dem Buch, dass im Jahr 2004 nicht ei einziges Tier gewildert worden ist. Das finde ich sehr beachtlich und erfreulich!
Nach wie vor ist es so, dass die hier in der Gegen lebenden Buschmänner jagen dürfen, allerdings ausschließlich auf ihre herkömmliche Art mit Pfeil und Bogen - alles andere würde auch bei ihnen als Wilderei angesehen werden.
Es gibt eine Liste, auf der die Sichtungen gefährlicher Tiere (Leoparden, Geparden, Löwen, Hyänen) vermerkt werden, eine Liste, auf der Tiere mit abnormalem Verhalten und was man gegen diese Tiere unternommen hat, vermerkt wird (z. B.: Hyäne hat 3 Ziegen gerissen – getötet!) und eine Liste über die Menge des gefallenen Niederschlags.
Alle Listen sind äußerst penibel, wenn auch handschriftlich geführt.
Für 2005 liege das neue, noch leere Buch bereits daneben.
Am liebsten würde ich das Buch mitnehmen oder zumindest noch viel mehr Zeit haben, es gründlich zu durchstöbern, aber Heike ist am Ende ihres Fragenkatalogs angekommen und wir wollen los.
 

Buschmann-Hütten in Tsumkwe
Die Kirche von Tsumkwe
Sonnenuntergang

Bei sengender Mittagshitze gehen wir die knapp zwei Kilometer zurück zur Tsumkwe Lodge.
Dort angekommen ist uns so hieß, dass wir in der Lodge selbst erst mal einen kühlen Drink zu uns nehmen müssen. „Richtig kühl wird schwierig,“ entschuldigt sich die nette Burin, „wir haben ein Filmteam des WWF [World Wildlife Fund] zu Gast und die haben gerade alle Kaltgetränke weggetrunken!
Aber „laukalt“ ist auch schon toll!
Danach testen wir den kleinen aber sehr netten Pool der Lodge. Das Wasser ist fast badewannenwarm, allerdings sehr trübe. Sogar Daan, der schon lange nicht mehr schwimmen war, traut sich ohne Probleme ins Wasser. Aber er ist ja eh ein extrem verträgliches und unkompliziertes Kind, das auf dieser für Kinder doch recht ungewöhnlichen Tour problemlos mitläuft. Einzig sein permanenter Hunger und die Tatsache, dass er – obwohl er noch keine zwei Jahre alt ist – ½ Liter Apfelsaft ohne abzusetzen austrinken kann, machen mich etwas stutzig.

Bis zum Abendessen verbringe ich die Zeit mit Schreiben. Heike bringt Daan ins Bett, der heute ungewöhnlicherweise ein paar Schwierigkeiten macht.
Wir essen Nudeln mit Zwiebeln und Thunfisch und trinken dazu ein windgekühltes Bier. Danach sind auch Heike und ich so müde, dass wir gleich schlafen gehen.

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