DIENSTAG, 14. DEZEMBER 2004

Obwohl ich so müde bin, schlafe ich die erste Nacht in Namibia nicht sehr gut.
Ich fürchte, ich bin einfach zu müde... Außerdem ist es (zu) heiß und durch die extrem trockene Luft sind meine Schleimhäute ausgetrocknet und ich kriege nur schlecht Luft. Trotzdem bin ich gegen 7:00 Uhr, als alle sich zu regen beginnen, einigermaßen wach.
Zum Frühstück gibt es die Rest von gestern: Einen widerspenstigen Rindfleisch-Reis-Eintopf, der gestern einfach nicht rechtzeitig gar werden wollte!
Ich versuche, mich zu organisieren und so umzupacken, dass ich während der nächsten Tage und Wochen nicht ständig nach allem suchen muß.
Da heute eh noch einige Erledigungen in Grootfontein anstehen, haben wir es nicht so eilig und wir verlassen den Campingplatz (N$ 9,35 = € 1,50 pro Person) gegen 9:00 Uhr (was in Namibia, wo die meisten Menschen mit der Sonne – sprich irgendwann zwischen 5:00 Uhr und 6:00 Uhr – aufstehen, schon „mitten am Vormittag“ ist!).
In Grootfontein kaut Heike noch einige Lebensmittel ein, Ansgar besorgt in einer Werkstatt ein fehlendes und bestelltes Teil für den großen dunkelgrünen 16 Jahre alten Landrover, den Heike und Ansgar sich in Johannesburg gekauft haben.

Wir kaufen Bier und Wein, Steaks (für heute abend – länger als einen Tag würde sich das Fleisch in dieser Hitze niemals halten; nicht mal in einer Kühltasche!) und Biltong (Trockenfleisch), holen Geld von der Bank und kaufen zwei Werkzeuge für einen gewissen Robin, von dem Heike und Ansgar sich Benzin geliehen hatten.
Das Auto verbraucht nämlich wesentlich mehr Benzin als erwartet und berechnet und so ist ihnen während ihrer knapp 2-wöchigen Tour, die sie schon hinter sich haben, mitten im Khaudum Nationalpark das Benzin ausgegangen. Sie hatten großes Glück, denn relativ schnell kam jemand vorbei, der ihnen zumindest mit 20 l, mit denen sie zumindest bei Tsumkwe fahren konnten, aushelfen konnte. Aber das war natürlich nicht annähernd genug, um damit auch die 350 km nach Grootfontein zu schaffen. Das Problem ist nur, dass es in Tsumkwe keine Tankstelle und niemanden der Benzin verkauft gibt... Irgendwann muß es dort mal eine Tankstelle gegeben haben, denn die Zapfsäulen stehen noch dort, aber schon als ich vor vier Jahren das erste Mal in Tsumkwe war, gab es diese Tankstelle nicht mehr.
Das Problem ist, dass die in Namibia mit Benzin handelnden Firmen von jeder Tankstelle eine jährliche Mindestabnahmemenge (von 80.000 l, glaube ich) verlangen, und so eine Menge ist in einem Ort wie Tsumkwe völlig illusorisch.
Und jetzt ist die nächste Tankstelle also mal eben 350 km entfernt... (was so ist, als müßte man, wenn man in Hamburg wohnt, zum Tanken bis hinter Berlin fahren!)
Eine Weile gab es in Tsumkwe die Möglichkeit, Benzin zu bestellen. Das wurde dann Freitags mit dem aus Grootfontein kommenden „Linienbus“ mitgebracht – aber seit dieser Bus eingestellt worden ist, sieht es in Tsumkwe mit Benzin noch schwärzer aus.

Heike und Ansgar hatten also richtig großes Glück gehabt, als sie den englischen Karnivoren-Biologen Robin kennenlernte, der für 1 ½ Jahre nördlich von Tsumkwe im Busch lebt und sich dort um die Erforschung der Wild-Hunde kümmert. Er hat sich dort ein sehr professionelles Lager eingerichtet und war in der Lage, Heike und Ansgar die für die Rückfahrt nach Grootfontein benötigten 80 l zu leihen.

Jetzt haben wir ein 180 l-Fass im Kofferraum und Ansgar hat gestern insgesamt 432 l Benzin getankt und sich damit einen Platz in der best customer of the month-Liste der Tankstelle gesichert! J Unser Auto hat drei Tanks: Zwei davon hinten, die gemeinsam ca. 100 l fassen, und einen weitere, ca. 70 l fassenden Tank unter dem Fahrersitz. Außerdem haben wir auf dem Dach noch 5 Jerry Cans, die jeweils 20 l fassen. Bei der Gelegenheit erfahre ich gleich, warum diese Metallkanister Jerry Cans heißen: Sie wurden früher scheint nur von den Deutschen eingesetzt – den Gerries – aus denen später dann die Jerrys wurden. Der Vorteil dieses Ausdrucks war, dass man so Verwechselungen zwischen dem Wort „tank“, das sowohl „Tank“ als auch „Panzer“ bedeuten kann, ausschließen.

Gegen 11:00 Uhr brechen wir in Grootfontein auf und der Großteil der Fahrt nach Tsumkwe verläuft ziemlich unspektakulär.
Die ersten Kilometer sind wir noch auf der geteerten Straße Richtung Rundu unterwegs, biegen dann aber ab und bis nach Tsumkwe liegen 250 km Schotterpiste vor uns.
 

Die endlose Weite einer Schotterstrasse
Daan hat eine Melone gefunden
Die Einsteckachse gibt den Geist auf

Ich wundere mich übrigens, dass die Sonne, obwohl wir auf der südlichen Halbkugel sind und nach Osten fahren, durch das rechte Seitenfenster ins Auto scheint, komme nach einigem Überlegen aber dahinter, warum das so ist: Da wir uns sehr wohl südlich des Äquators, jedoch nördlich  des südlichen Wendekreises befinden, ist es im in diesen Tagen der Sommersonnenwende, an denen die Sonne mittags eben über dem südlichen Wendekreis im Zenith steht, völlig logisch, dass sie auf dem 20° Breitengrades – auf dem wir uns befinden – von Süden scheinen muß!

Ansgar erzählt, dass se in den Gebieten des Nyae Nyae Conservancies und des Khaudum Nationalparks jetzt wohl noch mehr Elefanten gibt. Waren letztes Jahr ca. 3.200 Elefanten in Khaudum unterwegs, sollen es jetzt schon an die 4.000 sein. Auf dem Gebiet des Nyae Nyae Conservancies ist es noch krasser: Hier hat sich die Zahl der dort lebenden Elefanten in den letzten ein oder zwei Jahren von 800 auf 1.500 Exemplare fast verdoppelt!
Durch Geburten allein – so erfahre ich von Ansgar, der sich ja jetzt intensiv mit Elefanten beschäftigt – können sich die Tiere um maximal 6 % jährlich vermehren. In diesem Fall muß also auch die Migration [= Wanderung] eine nicht unbedeutende Rolle spielen.

Nach zwei ziemlich schlecht geschlafenen Nächten bin ich jetzt total KO und döse während der Fahrt immer mal wieder weg...

Plötzlich schrecke ich durch ein heftiges Geräusch unter dem Auto hoch. Das war definitiv mehr als einer der Steine, die uns ab und an von unten an die Karosserie schlagen. Was war es dann?

Ansgar stoppt den Wagen, was er auch zwangsläufig muß, denn seit dem Geräusch hat er keine Kraftübertragung auf die Räder mehr. Sofort ist klar, dass das Rad, für das wir heute morgen schon ein Ersatzteil gekauft haben, die Probleme verursacht.
Die auf dem Ende der Achse sitzende Staubkappe hatte gefehlt und die neue hatte nicht richtig gepaßt. Aber was ist jetzt passiert?
Das Geräusch klang definitiv ziemlich schlimm! Nach langem hin und her, viel Geschraube und probieren und jeder Menge Öl an Ansgars Händen gelingt Ansgar folgende Diagnose: Durch das Fehlen des Staubschutzes am Ende der linken Hinterachse ist im Bereich des Schaftes feiner Sand in das äußerste Ende der Steckachse gekommen und hat dort böse Spuren hinterlassen: Der Zahnkranz ist komplett abgenutzt. Die ehemaligen Zähne sind durch den wie Schmirgelpapier wirkenden Sand komplett abgeflacht und greifen fast überhaupt nicht mehr ineinander.

Wir wissen nicht, ob und wie wir die Reise nach überhaupt werden fortsetzen können...
Bis nach Tsumkwe sind es laut GPS noch gut 20 km – zu weit, um die Strecke heute noch zu Fuß gehen zu können. Trotzdem müssen wir da irgendwie hin, denn dort gibt es ein Telefon, von dem aus das Ersatzteil in Windhoek bestellt werden kann. Dann muß es „nur noch“ nach Grootfontein geschickt werden und dort von einem von uns abgeholt werden. Ein ziemlicher Akt also.

Aber dazu müssen wir überhaupt erst mal nach Tsumkwe kommen. Nach vielem Überlegen hat Ansgar eine Lösung ausgetüftelt, die uns zumindest die 20 km bis nach Tsumkwe bewältigen können lassen müßte: Auf der Seite des kaputten Zahnkranzes baut er die Steckachse aus und schaltet dann das Differentialgetriebe an. So wird das heile Rad (auf der gegenüberliegenden Seite) korrekt angetrieben, während das kaputte Rad einfach nur mitlaufen kann. So müßte man eigentlich – wenn auch langsam – fahren können.

Vorne im Auto ist ein englischer Text angebracht, den zwar keiner von uns so richtig versteht, der aber vermuten läßt, dass unsere Lösung die richtige ist, dass wir nur eben nicht sehr schnell fahren können.
Also fahren wir mit etwas mehr als den auf dem Schild empfohlenen 5 km/h Richtung Tsumkwe.
Das Auto spielt mir und tuckert brav die Straße entlang. In diesem Tempo vergeht aber noch einmal mehr als eine ganze Stunde, bis wir Tsumkwe erreicht haben. Aber lieber so, als dass noch mehr kaputt gehen würde.

Wir fahren direkt zur Tsumkwe Lodge, wo einer der Angestellten Mechaniker ist und uns möglicherweise irgendwie helfen kann. Allerdings ist er ein überzeugter LandRover-Hasser und unkt, als er von unserem Problem hört, nur rum, dass so etwas ja hätte passieren müssen... In der Tat scheint es bei „Landies“ absolut an der Tagesordnung zu sein, dass etwas kaputt geht. Auf der anderen Seite ist der Vorteil der LandRover, dass sie so „analog“ und einfach gebaut sind, dass man sie in der Regel selbst ohne all zu viel von Autos zu verstehen, wieder fit machen kann. Es heißt, ein LandRover würde einen niemals im Stich lassen, sondern es immer schaffen, einen (irgendwie) nach Hause zu bringen...

Inzwischen ist es nach 17:00 Uhr und heute werden wir eh nichts mehr unternehmen können. Wir werden die Nacht also hier verbringen und die Frage der Ersatzteilbeschaffung morgen in Angriff nehmen.
 

Ankunft
Zeltlager
der Roda von hinten

Wir fahren auf den Campingplatz der Lodge, wo wir auch vorletztes Jahr schon eine Nacht verbracht haben und richten uns ein. Ansgar und ich bauen das große „Hauszelt“ auf und Heike baut währenddessen für mich noch ein kleines 2-Mann-Zelt auf. Es ist sechseckig und durch diese ungewöhnliche Form wird es noch Tage dauern, bis ich eine Möglichkeit herausgefunden habe, es auch alleine aufbauen zu können...
Ärgerlicherweise ist der Reisverschluß des Zeltes nicht in Ordnung, so dass ich später in der Nacht noch ein Moskitonetz über das Zelt lege, am morgen aber trotzdem drei fett vollgesogene Moskitos erlege. Aber abgesehen davon, dass ich mich eh für Malaria -Prophylaxe entschieden habe, dürften die Moskitos hier auch noch keine überträger sein: Frühestens drei Wochen nach dem ersten Regen sollte eine Ansteckung möglich sein und der erste ergiebige Regen des Jahres ist hier erst vor einer Woche gefallen.

Zum Abendessen gibt es die leckeren Rumpfsteaks, die wir in Grootfontein gekauft haben und dazu gebratene Zwiebeln und leckeren Weißkohlsalat und Rotwein.
Nach dem langen heißen Tag, den wir ja fast komplett im Auto verbracht haben, sind wir alle so müde, dass wir gleich nach dem Essen in unsere Betten fallen.

Plötzlich aber fängt Daan an zu weinen und steigert sich schnell in rasendes Gebrüll. Er hat offensichtlich Durchfall und / oder Magenschmerzen und ist eine gute ½ Stunde lang mit nichts auf der Welt zu beruhigen. Ohne wirklich zu wissen, was los ist, habe ich die Vermutung, dass er vielleicht einfach zu viel gegessen hat? Er schreit so laut und so andauernd, dass er schließlich ein Ehepaar aus der Lodge auf den Plan ruft, die sich erkundigen, ob er vielleicht gebissen worden ist oder ob und wie man ihm vielleicht helfen kann.
Durch das Auftauchen der beiden beruhigen sich zum Glück alle, denn auch Heike und Ansgar hatten, weil keiner mehr wußte, was er machen sollte, schon angefangen, sich in die Haare zu kriegen...
Aber zum beruhigen sich dann doch alle und wir können schlafen.

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