MONTAG, 13. DEZEMBER 2004

Als ich aufwache sind es bis zur Landung in Johannisburg noch ca. zwei Stunden Flugzeit. Es gibt Frühstück bei dem ich bald wieder von links zugetextet werde, aber auch das geht ja schließlich vorbei und wir landen in Südafrika. Ein kurzes Umsteigen, dann noch mal 1 ¾ Stunden Flugzeit bis zur Landung in Windhoek.

Die Landung ist kraß!
Es ist mittag, 30° C heiß, Windhoek liegt 1.700 m über dem Meeresspiegel und die Luft ist extrem dünn. Man merkt, dass es fast keinen Luftwiederstand gibt, auf dem das Flugzeug landen könnte. Das Flugzeug wackelt und schaukelt sich zu Boden, plumpst immer wieder in kleinere Luftlöcher und ich meine, spüren zu könne, dass dies hier selbst für erfahrene Piloten eine Landung „für Fortgeschrittene“ ist.

Beim Aussteigen schlägt mir eine knochentrockene Hitze entgegen. Es ist interessant: Feucht-warme Länder wie Malaysia oder Thailand verbinde ich automatisch mit einem Geruch. Namibia hingegen riecht nicht! Nach gar nichts! Die Luft hier ist einfach zu trocken, als dass sich irgendwelche Gerüche daran binden könnten. Wie ein Fön schlägt mir die heiße Luft ins Gesicht, aber ich empfinde das nicht als unangenehm. Im Gegenteil: Nach dem regnerischen Winterwetter Hamburgs freue ich mich darauf, in den nächsten vier Wochen nicht frieren zu müssen, sondern mich von der Sonne so richtig durchwärmen zu lassen.

Bei der Einreise habe ich ein kleines Problem, weil ich nicht in der Lage bin, eine Adresse, bei der ich wohnen werde, beizubringen.
Ich bin mir sicher, dass Heike Rubbert nichts dagegen hat, wenn ich ihren Namen und ihre Adresse angebe; das Problem ist nur, dass ich von ihr lediglich eine Postfachadresse habe und nur mit der will mich die Einreisebeamtin nicht ins Land lassen. Sie kassiert erst mal meinen Reisepaß ein und schickt mich los, die zu dem Postfach gehörende Adresse heraus zu finden. Mir bleibt nichts anderes übrig, als meinen Koffer in Empfang zu nehmen (was zum Glück problemlos klappt), mit meiner VISA-Card aus einem Automaten Geld zu ziehen und es am Bankschalter in Kleingeld wechseln zu lassen, eine Telefonzelle (vor dem Flughafen) zu suchen, Heike anzurufen und mir von ihr ihre Adresse geben zu lassen. (Das ich ja auch ganz einfach von meinem Handy aus hätte anrufen können, fällt mir in dem Moment par tout nicht ein – vermutlich, weil ich ursprünglich vor gehabt hatte, das Handy gar nicht mit zu nehmen und mich erst in letzter Minute doch noch umentschlossen hatte...) Mit der Adresse geht’s zurück zu der Dame an der Immigration, die immer noch nicht so ganz begeistert ist, mir aber schließlich meinen frisch gestempelten Paß aushändigt und mich einreisen läßt.

Ob sie in der Zwischenzeit vielleicht meinen Namen durch den Computer gejagt und dabei festgestellt hat, dass ich schon zwei Mal hier war, das Land aber auch jedes Mal wieder brav verlassen habe?

Vor dem Flughafen finde ich einen Minibus, der zwei andere Frauen (die beide die ganze Fahrt über non-stop am Telefonieren sind) für je N$ 100,- (= ca. € 15,-) ins 42 km entfernt gelegene Windhoek fährt. Die ältere der beiden Frauen, die als Gepäck u. a. einen Reifen dabei hat, läßt sich am Windhoeker Stadtflughafen Eros absetzen, die jüngere Frau will ins Kalahari Sands und da das mitten in der Stadt ist und Heike Rubbert mich von dort aus gut abholen kann, steigt auch ich dort aus.
 

Windhoek
 
Der Ovambo-Markt

Jetzt doch vom Handy aus rufe ich Heike an und fünf Minuten später fährt ihr Auto vor. Weitere fünf Minuten später sitze ich bei ihr am Küchentisch, als wäre ich nie weg gewesen. Ich finde es immer wieder faszinierend, wie verhältnismäßig wenig es manchmal für den Erhalt einer Freundschaft braucht. Heike und ich haben uns zuletzt vor zwei Jahren gesehen und haben weder damals noch vor vier Jahren, als ich das erste Mal in Namibia und bei ihr war, extrem viel Zeit miteinander verbracht und trotzdem ist es irgendwie so, als würden wir uns alle paar Tage zum Kaffeetrinken treffen.
Wir klönen da weiter, wo wir irgendwann vor zwei Jahren aufgehört haben.
Heike erzählt mir von ihrer inzwischen leider gescheiterten Ehe mit Christian, von Kajas Schwierigkeiten der ersten Schultag und den Bauarbeiten, die sie gerade an der ihr Grundstück umgebenden Mauer vornehmen läßt und die „afrikanisch“ lange dauern (drei Monate – darunter ist hier nichts möglich...). Wir unterhalten uns über die derzeitige Situation der weißen Farmer in Namibia. Wenn man der deutschen Presse glauben mag, klingt es so, als stünden alle weißen Farmer Namibias kurz vor der endgültigen Enteignung ihrer Farmen, das dann durch den Staat an „irgendwelche dahergelaufenen Schwarzen“ verteilt werden würde.
Ganz so ist dem aber wohl nicht. Richtig scheint zu sein, dass der Staat jetzt ein Vorkaufsrecht für alle zu veräußernden Farmen hat und dieses auch nutzen kann. Tut er das, landet die Farm später gut möglich in den Händen einflußreicher aber in Sachen Farmwirtschaft völlig ahnungsloser Schwarzer. Der weiße Nachbar muß dann an allen Ecken und Enden einspringen, helfen und retten und die Farm verkommt – und das nur, weil sie nicht bei den Schwarzen, die vorher unter der Hand der Weißen auf eben dieser Farm gearbeitet haben, und sie daher kennen und verstehen und zu bewirtschaften wissen, gelandet ist, sondern in den Händen von irgendwelchen Politikern und deren Freunden, die eben keine Ahnung vom Farmen haben...
Ein spannendes Thema, zu dem ich mir noch mal mehr erzählen lassen muß, denn ich bin sicher, dass es da etliche unterschiedliche Sichtweisen gibt...

Am späten Nachmittag kommt dann noch eine Freundin von Heike vorbei, mit der wir uns in der Küche festquatschen, so dass ich fast meinen Bus verpasse! Allerdings war ich auch davon ausgegangen, dass es reichen würde, zur Abfahrtszeit von 18:00 Uhr am Busbahnhof zu erscheinen. Dass man ähnlich früh wie am Flughafen zu scheinen hat, erfahre ich erst, als das eh schon viel zu spät ist!
In windeseile fährt Heike mich die paar hundert Meter zur Haltestelle mitten in Windhoek. Auf dem großen Parkplatz an der Independance Avenue stehen drei Busse, die offensichtlich alle – mit unterschiedlichen Zielen – um 18:00 Uhr abfahren werden.
Mehrere Mitarbeiter der Intercape Busgesellschaft sind dabei, die Mitreisenden und ihr Gepäck mit größter Sorgfalt auf die Busse zu verteilen. Alles wird doppelt und dreifach gecheckt, in Listen eingetragen, abgehakt und protokolliert.

Drei Fahrer und zwei „Flugbegleiter“ werden diese Fahrt, die bis nach Livingstone (Sambia), wo der Bus erst morgen Mittag ankommen wird, geht, begleiten.
Alles ist wirklich übergründlich organisiert. Jedes Gepäckstück wird mit einem Aufkleber versehen und zurück bekommt man es nur, wenn man den entsprechenden Kontrollabriß präsentieren kann.
Reisepaß und vor allem Fahrkarten werden gleich mehrmals kontrolliert. Nur über die spätere Überprüfung meiner Kreditkarte (mit der ich meine Fahrt schon vom Hamburg aus über das Internet bezahlt habe) wundere ich mich ein wenig: Mit Hilfe des nicht schreibenden Endes eines Kugelschreibers werden die geprägten Details meiner Karte „durchgepaust“. Dieses sozusagen mit „Wasserlinien“ gekennzeichnete Blatt muß ich dann gegenzeichnen... Ich bin gespannt, ob das funktioniert... (vor allem, weil meine Kreditkarte in der Zeit zwischen meiner ursprünglichen Buchung und heute abgelaufen ist...)

So sehr sich die Intercape um das Wohl der Mitreisenden bemüht, so langweilig und ermüdend ist die Fahrt trotz alle dem. Und vor allem laaang ist sie...
Von Windhoek aus geht es über Okahandja nach Otjiwarongo. So weit, so gut. Das macht total Sinn, weil es im Prinzip die direkte Strecke nach Grootfontein ist. In den beiden Orten halten wir an der Tankstelle, wo man jeweils ca. 10 – 15 Minuten Zeit hat, pinkeln zu gehen oder sich im Shop mit Lebensmitteln einzudecken, was schon aus purer Langeweile fast alle machen.
Von Otjiwarongo aus geht es dann leider überhaupt nicht mehr direkt weiter:
Zuerst fährt der Bus nach Outjo, dann quer rüber nach Otavi, hoch nach Tsumeb und schließlich fast rückwärts zurück nach Grootfontein... ein ziemlich böses Zick-Zack!
Die Busbetreiber versuchen, die Mitreisenden mit einer grieseligen Version von Mission To Mars, die auf dem einzigen Fernseher des Busses zu sehen ist, zu unterhalten, aber ich kann an dem Film par tout keinen Gefallen finden.

Ehrlich gesagt mag ich eh nicht mehr!
Beim Nachrechnen fällt mir auf, dass ich seit geschlagenen 40 Stunden sitze – kein Wunder, dass meine Beine und Füße geschwollen sind und weh tun! Ich döse ein wenig – habe aber gleichzeitig Angst, komplett einzuschlafen und Grootfontein zu verpassen –  rutsche auf meinem Sitz hin und her, esse aus Langeweile zwei vollkommen geschmacklose Äpfel und zähle die Minuten rückwärts...

E ist ca. 0:30 Uhr als wir schließlich und endlich in Grootfontein ankommen. Natürlich hält der Bus nicht an der Tankstelle, bei der Heike gesagt hatte, dass ich aussteigen soll, sondern an der anderen Seite des Ortes...
Wie verabredet rufe ich Heike auf ihrem Handy an und Ansgar verspricht, mir zu Fuß entgegen zu gehen. Ich habe einen Verdacht, in welche Richtung ich gehen müßte, will um 0:30 Uhr morgens aber auch nicht das Risiko eingehen, Ansgar zu verpassen und bleibe also lieber einfach an der Tankstelle sitzen. Und wie gut das tut, die Beine mal ebenerdig auszustrecken!!!

Nach einer ¼ Stunde kommt Ansgar dann auch. Trotz meiner knapp 20 kg Gepäck bin ich froh, ein paar Schritt gehen zu können. Nach ca. 1 km haben wir den Zeltplatz erreicht. Heike und Ansgar haben ein geräumiges, 3,20 m x 3,20 m großes Zelt geliehen, in dem auch für mich schon eine Matratze liegt. Obwohl ich tot müde bin und eigentlich nur noch schlafen will, fühle ich mich nach der langen Reise so dreckig, dass ich doch noch schnell unter die Dusch muß, bevor ich mich endlich hinlegen und ausstrecken kann und ganz schnell einschlafe!

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