Freitag, 01.12.2000
Nachts, so gegen 12:30 Uhr, weckt Bettina mich. „Corinna, wach auf! Direkt vor unserem Zelt stehen drei riesige Oryx-Antilopen!“ Ich bin schnell wach. „Wie dicht?“ – „Direkt am Zelt, fast auf dem Zelt!“ – „Ach, dann war das wohl auch das, was ich vorhin schon direkt neben meinem Kopf gehört hatte?“ – „Vermutlich.“

Ich gucke mit Bettina zusammen aus dem Zelt. Die drei riesigen Antilopen, die eben noch an den Blättern des Kameldornbaumes, unter dem wir schlafen, geweidet hatten, entfernen sich jetzt von dem Zelt. Es sind wirklich beeindruckende Tiere. Ihre kerzengeraden und extrem spitz zulaufenden Hörner sind fast einen Meter lang, ihr Fell ist graubraun, das Rückrad und die Unterseite ihres Bauches fast schwarz, ihr Kopf schwarz-weiß gezeichnet. Am beeindruckendsten aber finde ich ihre Größe, denn ihre Schulterhöhe mißt gut und gerne 1,50 m. Ich hatte bisher nie gedacht, daß es so viele so große Antilopen, bzw. Gazellen-Arten gibt. Bisher hatte ich immer geglaubt, Antilopen und Gazellen wären zierliche Tiere von der Größe eines Rehs, seit ich hier in Afrika bin, bin ich mehrfach eines Besseren gelehrt worden!
Minutenlang haben wir die Chance diese wunderschönen und beeindruckenden Tiere im hellen Mondschein immer noch fast direkt vor unserem Zelt stehend, zu beobachten. Dann schreiten sie langsam davon.
„Wie spät ist es eigentlich?“ frage ich Bettina, als sich die Antilopen immer weiter entfernen. „12:30 Uhr.“ – „So früh noch?“ – „Ja.“ – „Gute Nacht!“

Noch bevor ich die zwei Worte zu Ende gesprochen und mich wieder hingelegt habe, bin ich schon wieder eingeschlafen!

Das nächste Mal, als Bettina mich weckt, ist es 4:40 Uhr. Wenn wir mit Toröffnung um 5:00 Uhr in Richtung Sussos Vlei aufbrechen wollen, um dort den Sonnenaufgang zu erleben, wird es jetzt Zeit, aufzustehen.

Glücklicherweise geht es mir wieder gut, also stehe ich mit Bettina auf. Wir packen ratzfatz Schlafsäcke, Zelt und alle unsere Sachen zusammen und stehen um 5:08 Uhr am Tor.

Der große Autoschub ist vor acht Minuten schon losgefahren, also flitzen wir hinterher. Wir müssen ein wenig auf Tiere achten, denn noch ist es sehr dunkel. Zum Glück ist die Straße hier geteert, was das Fahren um einiges sicherer macht. Tatsächlich sehen wir mehrere Oryx-Antilopen und einige Straßen, aber sie alle sind weit genug von der Straße entfernt.

Um kurz vor 6:00 Uhr sind wir an der sogenannten Düne 45, einer der auf unserem kleinen Touri-Informations-Blatt verzeichneten Sehenswürdigkeiten am Sussos Vlei.

Wir gucken auf die Uhr. Bis Sonnenaufgang in ca. 15 Minuten werden wir es eh nicht mehr bis zum eigentlichen Sussos Vlei schaffen, denn bis zu dem Parkplatz sind es noch ca. 10 km und dann kommen ja noch die letzten 5 km dazu, die wir eh mit unserem Auto nicht gefahren können. Der Fußmarsch dauert fast eine Stunde, und selbst der Shuttlebus – vorausgesetzt die sind nicht eh schon alle unterwegs – braucht immerhin noch 20 Minuten.

Keine Chance also, bis zum Sonnenaufgang an oder sogar auf der großen Düne zu sein. Also bleiben wir an der Düne 45. Zwei ganze Busladungen junger internationaler Touristen (gut möglich Studiosus) haben sich schon an den Aufstieg auf die ca. 100 m hohe Düne gemacht, also klettern auch wir hinterher.
Der Aufstieg ist steil und logischerweise sandig, also ziemlich mühsam. Mir geht’s zwar wieder gut, ich merke aber, daß ich gestern den ganzen Tag nichts gegessen habe, und bin auch so noch nicht wieder 100 %ig fit.

Als die Sonne über den Horizont klettert, sind wir noch nicht ganz oben auf der Düne, haben aber auch von halber Höhe schon einen wundervollen Blick über die vor uns liegenden Dünen.
 
Dünenlandschaft im Sonnenaufgang
Die anderen sind offensichtlich schon oben!
Auch wir haben es geschafft
Touristen auf der Düne

 

Eine unbekannte Frau, die irgendwie wie Paula Yates aussieht...

Hier bleiben wir ca. 20 Minuten sitzen und genießen das prächtige Farbspiel, das sich vor uns ausbreitet. Die Dünen, eben noch nächtlich grau, verfärben sich langsam vor unseren Augen: Zuerst werden sie ein undefinierbares schmutziges dunkelrosa, nach und nach verwandelt sich die Farbe in ein leuchtendes Orange. Der Himmel hinter uns färbt sich im gleichen Maße dunkelblau!

Als die Sonne schon ein gutes Stück über den Dünen steht – sie geht hier ähnlich schnell auf, wie sie abends auch unter geht - klettern wir langsam weiter hoch, bleiben oben noch einmal lange im warmen Sand sitzen, genießen die Aussicht und fotografieren, was das Zeug hält.

Die beiden Gruppen junger Touristen sitzen in unserer Nähe, stören aber nicht weiter – sie scheinen recht nett zu sein. Sie sind in einer Gruppe von knapp 20 Leuten mit einem Auto unterwegs, das eine Mischung aus Unimog und Reisebus ist. Das beste an diesen Autos ist, daß man auf dem Dach sitzen kann – das ist sicher auch eine nette Art, zu reisen!

Bettina ist gerade dabei, ihren Film zu wechseln. Leider rutscht ihr der Film – ihr letzter! – dabei aus der Hand und rollt, noch in der Filmdose eingepackt, mit großem Schwung die Düne vor uns herunter. Wir müssen beide lachen. Trotzdem ärgert Bettina sich, weil es eben ihr letzter Film war. Andererseits spricht ja nichts dagegen, den Film mindestens zu suchen, und zu gucken, ob er die lange sandige Reise die Düne hinter vielleicht sogar unversehrt überstanden hat? Wir hatten vorher schon beobachtet, wie einige der Studiosus neben uns auf dem Rückweg nicht wieder am Dünenkamm entlang hintergestiegen, sondern die Abkürzung quer die Düne runter genommen hatten.
 

Ohne Worte: Die Farben dieser Dünen sind einfach unglaublich beeindruckend!

Also machen wir es auch so. Und das macht Spaß!!! So ähnlich stelle ich es mir vor, auf dem Mond spazieren zu gehen: Man kann ganz große Schritte machen, die wie in Zeitlupe wirken, und muß dabei keine Angst haben, sich den Fuß zu vertreten, oder zu stolpern, denn der Sand ist so weich, daß man, selbst wenn man kopfüber im Sand landet, sich nicht weh tun würde. Am schönsten ist es, wenn man die Schuhe auszieht, und fühlen kann, wie der weiche warme Sand die Beine versinken läßt!!!

Viel zu schnell sind wir unten angekommen. Hier finden wir tatsächlich Bettinas Film, der ganz unschuldig und unversehrt mitten im Sand liegt – scheint noch in Ordnung zu sein.

Wir umrunden jetzt einen kleinen Seitenausfläufer der Düne, und ich beobachte völlig fasziniert einige Ameisen, die eifrigst damit beschäftigt sind, alles umliegende Gras in einem kleinen Erdloch verschwinden zu lassen... die Wüste lebt!

Langsam gehen wir zurück zum Auto, wo wir zunächst einmal frühstücken, bevor wir die restlichen 10 km zum Parkplatz vor dem eigentlichen Sussos Vlei fahren.
 
Sonnenaufgang
Eine Straußenherde
und noch mal der Blick von der Düne

Auch wenn ich dank des Müslijoghurts, das ich zum Frühstück gegessen habe, wieder etwas fitter bin, habe ich noch keine Lust, die sandigen fünf Kilometer zum Vlei zu Fuß zu gehen. Bettina hat Rückenschmerzen und möchte diese durch einen Fußmarsch kurieren. Also trenne wir uns. Bettina läuft los und ich vertraue mich für teure MB$ 57.50 (= ca. DM 20,-) dem Shuttleservice an, der mich in 20 Minuten direkt zum Vlei bringt. Als ich die Strecke, die ich sonst hätte laufen müssen, sehe, bin ich froh und überzeugt, die richtige Entscheidung getroffen zu haben, denn auf der kompletten Strecke gibt es fast keinen Schatten – und inzwischen ist es schon wieder gut heiß geworden – und ca. 1/3 der Strecke führt durch ziemlich tiefen Sand, der das Gehen ja unendlich mühsam macht.

Am Sussos Vlei angekommen, habe ich jetzt eine knappe halbe Stunde Zeit, bis Bettina hier sein wird. Ich entdecke einen wunderschönen, weit ausladenden Kameldornbaum, der ordentlich Schatten spendet, und gehe darauf zu. Auf dem Weg dorthin sehe ich drei Oryx-Antilopen, die gerade von der Dünenseite des Vleis übergewechselt sind. Jetzt laufen sie auf der anderen Seite die Düne hoch, und geben ein phantastisches Fotomotiv an.

Ich gehe zu dem Baum, um es mir in seinem Schatten gemütlich zu machen, aber noch bevor ich sitze, komme eine vierte Oryx-Antilope hinter den anderen her. Genau wie die drei anderen will sie den Weg nehmen, der unter just jenem Baum hindurchführt, unter den ich mich setzen will.
 
 
Plötzliche Begegnung mit...
... einer riesigen Oryx-Antilope...,
die sich schnell aus dem Staub macht!
Gemeinsam mit ihren Freunden zieht sie von dannen.

Ich weiß nicht, ob sie mich nicht sieht, bzw. wittert, oder ob sie einfach Menschen gewöhnt ist, jedenfalls kommt sie direkt auf mich zu, und mir so nahe, daß ich fast Angst bekomme, sie könnte angreifen. Ich habe zwar noch nie davon gehört, daß Oryx-Antilopen Menschen angegriffen haben, aber andererseits habe ich eh noch nie viel über Oryx-Antilopen gehört, und außerdem bin ich sicher, daß fast jedes Tier – wenn es nicht ein reines Fluchttier ist – in einer Gefahrensituation angreifen würde.
Wir stehen keine vier Meter voneinander entfernt.

Ich gehe also lieber einen Schritt zurück und sie läuft an mir vorbei, den anderen hinterher die Düne hoch.

Jetzt kann ich mich in Ruhe hinsetzen und den Blick auf den Vlei genießen: Vor der berühmten ca. 200 m hohen roten Düne, an deren Fuß so malerisch mehrere grüne Kameldornbäume stehen, liegt ein relativ großer flacher See. Rund um sein Ufer stehen Bäume und Sträucher. Die Farbkombinationen sind beeindruckend: blauer Himmel, grüne Bäume, rote Dünen!
 
 .  Ich genieße es, einfach nur in der Gegend herum zu sitzen und zu gucken!  . 

Bettina kommt ca. 45 Minuten später. Sie ist total k.o.. Der Weg war anstrengender, als sie erwartet hatte. Außerdem hat sie das Gefühl, jetzt vielleicht das gleiche zu haben, das ich gestern hatte. (Das wäre für Bettina zwar doof, für mich und letzten Endes auch für sie, allerdings beruhigend, weil wir dann wüßten, daß es nichts -schlimmes ist, sondern nur eine einfach ansteckende Magen- & Darmgrippe oder so etwas.)

Als sie da ist, gehen wir über den lehmigen Boden auf die andere Seite des flachen Sees und legen uns dort unter einen der dort stehenden Kameldornbäume, bis Bettina wieder ein wenig bei Kräften ist.

Der Shuttleservicebus, mit dem wir beide zurück fahren wollen, fährt ½-stündig, und eigentlich planen wir, den Bus um 11:30 Uhr zu nehmen, aber dann lockt es uns doch, zumindest noch ein Stück weit auf die hohe Düne vor uns zu steigen. Diesmal empfinde ich den Aufstieg als wesentlich weniger anstrengend – dafür hat Bettina jetzt mehr Schwierigkeiten mit ihrer Kondition.

Wir klettern immer weiter, bis wir schließlich ganz oben sind. Die Belohnung ist beeindruckend. Von hier aus haben wir einen weiten Rundumblick über die den Sussos Vlei umgebende Dünenwelt.
 
Die große, ca. 300 m hohe Düne am Sussos Vley
Blick von der Düne auf die Umgebung...
... und auf den größtenteils ausgetrockneten See,...
... der an einer kleinen Stelle aber sogar jetzt noch Wasser hat!
Man kann gut sehen, wie das Wasser weniger wird!
Querdüneein und entsprechend schnell ist wieder unser Abstieg. Man muß beim Runterlaufen nur aufpassen, daß man sich nicht verbrennt: Der Sand glüht!

Ziemlich erschöpft und gebraten laufen wir die letzten 500 m bis zu dem Punkt, an dem uns der Shuttlebus wieder einsammeln wird.

Als er – superpünktlich! – kommt, sitzen schon vier Österreicher drin. Zwei von ihnen waren vorhin, als wir noch unter dem Baum lagen, schon an uns vorbeigelaufen; die anderen beiden hatten wir in der Ferne auf zwei andere Dünen klettern sehen.

Jetzt freuen sie sich sichtlich über die nette Damengesellschaft und fragen uns aus. Die vier sind ein singender Skatclub oder so was ähnliches, die ihre Clubkasse in Form einer zwei-wöchigen südliches-Afrika-Rundreise (Botswana, Zimbabwe, Namibia) auf den Kopf hauen. „Nur bei einem hat es nicht gereicht – er hat zusätzlich noch eine Kuh verkaufen müssen,“ lachen die drei anderen. Sie wollen heute noch weiter bis nach Walvis Bay, was uns auf eine Idee bringt: Wir waren, da wir bis jetzt viel schneller, als geplant unterwegs waren, eh schon am überlegen, was wir mit unseren letzten 1 ½ Tagen noch anfangen sollten... Warum fahren wir also nicht auch noch mal an die Atlantik-Küste? Feiner Plan!
Am Auto angekommen trinken die Österreicher, genau wie ich erwartet hatte, erst mal einen Schnaps und schenken uns zwei Käsesandwiches und zwei Pizzabrötchen – das erst europäische Essen seit... ?!?

Auch wir wollen jetzt nach Walvis Bay, also setzen wir uns ins Auto und geben Gas.

Am Campingplatz in Sesriem halten wir noch mal und überlegen, ob wir schnell noch in den Pool springen sollen. Aber der ist voll komischer Menschen, also verwerfen wir diese Idee und trinken statt dessen am Kiosk eine CocaCola, tanken kurz und fahren dann weiter. Es ist jetzt ca. 13:45 Uhr.

Auf der Fahrt durch den Namib-Naukluft Nationalpark stellen wir heute, da die Luft wesentlich weniger dunstig ist, übrigens fest, daß wir gestern doch schon den ganzen Tag an relativ roten Dünen entlang gefahren sein müssen. Allerdings muß es auch hier in der letzten Regenzeit relativ viel Niederschlag gegeben haben, und die Dünen sind an den meisten Stellen mit einer dichten gelben Grasdecke überzogen, so daß man ihre ursprüngliche Farbe kaum noch erkennen kann.

Nach 90 Minuten haben wir die ca. 70 km Schotterpiste von Sesriem nach Solitaire geschafft. Hier soll es ein Café (cum Tankstelle cum Shop cum Campingplatz cum der komplette Ort) gehen, daß nicht nur besonders nett ist, sondern auch den Schauplatz für den Film Café Bagdad hätte abgeben können.

Also halten wir. Es gibt hier nicht nur heißen Kaffee (für Bettina) und kaltes Wasser (für mich) direkt aus Solitaire, sondern auch noch jede Menge second hand Bücher, die zu Gunsten der Pferdefütterung verkauft werden. Bettina findet kurioserweise den Gesamtkatalog der Südafrikanischen EMI 1962 / 1963, den ich sofort kaufen muß! Das Café ist wirklich ein Kuriosum. Es besteht aus einem großen, fast leeren Raum, an dessen einer lange Wand eine Theke ist. Hier kann man kalte und warme Getränke bekommen, alkoholische und alkoholfreie, Kuchen und warmes Essen, aber auch Lebensmittel in Dosen, Klopapier, Zeitungen und Zeitschriften, Zigaretten und Tabak und alles, was man mitten in der Namib sonst noch zum (Über-)Leben brauchen könnte. In einem Nachbarraum stehen ein Fernseher, ein Videorekorder und eine Menge von überall zusammengesuchte Sessel. Ist dieses der Aufenthaltsraum für mögliche Übernachtungsgäste? Vor dem Café sind im Schatten eines Vordaches einige Tische und Stühle aufgebaut, vor dem Haus ist eine ehemalige Tankstelle, die aber nicht mehr in Betrieb zu sein scheint. Auf der einen Seite des Hauses steht ein Wassertank, der gut möglich im Bedarfsfall auch als Schwimmingpool genutzt werden kann – jedenfalls führt eine Treppe in das Becken hinein und es ist in der typischen hellblauen Schwimmbad-Farbe angestrichen. Dahinter ist ein Toiletten- & Duschenhaus aufgebaut. Ein Schild weist an, daß hinter dem Haus ein Campingplatz ist, auf dem Weg dorthin stehen mehrere Lattenroste. Ob man sich auf die drauflegen soll, um vor möglichen Schlangen und Ungeziefer sicher zu sein? Last but not least gibt es ein Nebengebäude, das keine Tür hat, sondern nur jede Menge große Fenster. Hier steht eine Tischtennisplatte drin, und ich vermute, daß es der Raum ist, über den wir schon in einem Reiseführer gelesen hatten: Auch hier kann man – auf staubigen Boden – seine Isomatte ausrollen.
 
endlose...
... endlose Weite...
... in der weißen Namib

Das ganze Café wirkt tatsächlich wie die Kulisse zu einem skurrilen Film!

Wir sitzen auf der Terrasse und trinken unsere Getränke, als wenig später ein uns schon bekanntes Auto vorfährt, und die Österreicher wieder da sind. Damit hatten wir schon fast gerechnet! Ich finde sie allerdings etwas anstrengend, vor allem, weil ich teilweise echt Schwierigkeiten habe, sie zu verstehen!
Bald sitzen wir wieder im Auto und fahren weiter.

Die Fahrt wird land: In den nächsten drei Stunden legen wir 230 km Schotterpiste hinter uns, halten nur ab und an zum Fotografieren. Die Landschaft ist wenig spannend. Irgendwann hören die Berge, die sonst immer noch rechts von uns waren, auf. Auch die Dünen werden weniger, von Büschen und Bäumen kann schon lange keine Rede mehr sein. Wo wir hingucken nur Steine, Schotter, Geröll. Zwischendurch gibt es noch zwei oder drei Stellen, wo es kurzfristig mal etwas spannender wird. Der Gaub-Pass und der Kusib-Pass, von denen wir uns noch mal ein wenig Abwechselung erhofft hatten, erweisen sich sozusagen als Paradox-Pässe: Es geht nicht über einen Berg rüber, sondern hinunter durch ein Flußtal. Hier ist es landschaftlich ganz nett, aber es dauert eben jedes Mal kaum eine viertel Stunde, bis wir das Flußtal wieder hinter uns gelassen haben, und rechts, links, vor uns und hinter uns nichts sehen außer... NICHTS!
Auch die Österreicher sind lange schon wieder an uns vorbei gefahren.
 
Begrenzungen für den Straßenbau in der Namib
Erinnerungen an die "Heimat" findet man hier überall
Bei keinen Kurven und ewig breiten Straßen, fällt das nicht schwer!
Der "Blödmann"-Umweg!

 

Uns langweilt vor allem die letzte Stunde Fahrt. Die Namib besteht hier wirklich aus NICHTS. Vorhin hatten wir ab und an noch mal ein paar Straußen gesehen, inzwischen gibt es nicht mal mehr Kurven in der Straße. 100 km NICHTS!!!

Als möglichen Übernachtungspunkt hatten wir das in allen unseren Karten verzeichnete Vogelfederberg Restcamp anvisiert, aber selbst das besteht aus so viel NICHTS, daß wir da nicht übernachten mögen, und gelangweilt die verbleibenden 50 km bis nach Walvis Bay fahren.

Walvis Bay ist eine komische Stadt. Sie liegt eingekeilt zwischen der heißen Namib und dem, durch den kalten, direkt aus der Antarktis kommenden, Benguela Strom, meist eisigen Atlantik. Irgendwie sieht man das dem ganzen Stadtbild an: Alles wirkt eingemauert und verrammelt. Die meisten Privathäuser sind von hohen undurchsichtigen Mauern umgeben, die vermutlich gleichermaßen vor heißen Sandwinden aus der Wüste und kalten Nebelschwaden vom Atlantik schützen sollen. Bäume und Sträucher wachsen nur, wo bewässert wird. Um die ganze Stadt herum sind hintereinander mehrere Bambuszäune gezogen. Auch sie sollen sich den Treibsand aus der Stadt fernhalten. Ich habe das Gefühl, daß diese Stadt einen permanenten und eigentlich recht aussichtslosen Kampf gegen die Naturgewalten führt. „Warum zieht ihr nicht weg, es gibt so viele Plätze auf der Welt, wo das Leben einfacher ist,“ möchte man den Menschen sagen. Aber das ist schwer, denn man sieht hier keine Menschen auf den  Straßen.
 
Die Häuser direkt am Atlantik, wo wir auf der Suche nach einer Herberge vorbei fahren, sind beeindruckend groß und sehen ungewohnt amerikanisch aus.

Einen Campingplatz scheint es in dieser Stadt nicht zu geben, was mich nicht weiter wundert. Bettinas Vorschlag am Strand zu campen verwerfen wir, sobald wir einen Blick auf den Strand geworfen haben: Es gibt keinen. Eine Uferpromenade trennt das Meer von der breiten Straße dahinter. Außerdem stinkt es.

Nach einer Weile finden wir ein nettes und einigermaßen erschwingliches Hotel Garni in einer supernetten Frau am Empfang. Unser Zimmer hat allen erdenklichen Komfort und nachdem Bettina und ich unsere zentimeterdicken Staubschichten abgekratzt haben, genießen wir unser erstes Namibische TV-Dinner!

Ich schreibe noch ziemlich lange. Gegen 22:30 Uhr geht das Licht aus.
 
 

Samstag, 02.12.2000
Um 7:00 Uhr sind Bettina und ich wieder wach, müssen aber noch fast eine Stunde warten, bis es frühstück gibt. Danach packen wir schnell unsere restlichen Sachen zusammen und machen uns auf den Weg.

Zuerst fahren wir noch einmal in den Küstenteil von Walvis Bay, wo wir gestern zuerst nach einer Unterkunft gesucht hatten. Hier will ich ein paar Fotos von den beeindruckend großen und architektonisch sehr ungewöhnlichen Häusern machen.

Dann verlassen wir Walvis Bay in Richtung Swakopmund. An mehreren Stellen entlang der Küste halten wir, um uns den Strand anzugucken – riesige Miesmuscheln und riesiger Seetang! – um die Wassertemperatur zu testen – „Um diese Jahreszeit (immerhin Frühsommer) kaum mehr als 14°C,“ informiert uns ein Einheimischer – um die frische Seeluft zu schnuppern – die stinkt auch hier leider noch – und um noch ein paar mehr Fotos zu machen.

Die Straße zwischen Walvis Bay und Swakopmund führt 30 km lang geradeaus. Auf der linken Seite ist der Atlantik, rechts ein breiter schneeweißer Dünenstreifen, der an vielen Stellen offensichtlich zum Scooterfahren genutzt wird.

Swakopmund ist viel bunter, fröhlicher und belebter als Walvis Bay. Das mag vielleicht daran liegen, daß Samstag ist und alle Geschäfte nur bis 13:00 Uhr geöffnet haben, sich die Menschen mit ihren Wochen(end)einkäufen also entsprechend beeilen müssen, vielleicht ist in der Stadt aber auch generell mehr los. Irgendwie wirkt es hier viel weniger feindlich und verbissen, als die Industriestadt Walvis Bay, die auf mich so trostlos gewirkt hat. Vielleicht ging die Freude zusammen mit den nicht mehr so reichlich zu fangenden Walfischen? Swakopmund wirkt auf mich einfach lebendiger.
 
Unser Kofferraum ist nach der Fahrt durch die Namib völlig versandet
Swakopmund - bunte, kalte Stadt am Meer
... aber hübsch!

 

Der Riesen-Quarz im Museum von Swakopmund

In unserem Hotel in Walvis Bay hatten wir einen Werbeprospekt des Edelsteinmuseums von Swakopmund eingesteckt; ich habe jetzt Lust, mir das Museum anzugucken. Bettina möchte sich derweil lieber die Stadt angucken. Also trenne wir uns für die nächste Stunde. Das Museum ist mittel-spannend. Es werden einige wenig wertvolle, dafür aber riesengroße (bis zu 3 x 3 x 3 m!!!) Kristalle (hauptsächliche Quarze) gezeigt. Hier vier Fenstern sitzen vier Menschen, die die Edelsteine auf unterschiedliche Art weiter verarbeiten, und die man dabei beobachten kann. Vor allem, weil die Menschen auch noch unterschiedlichen Stämmen angehören, ihre jeweilige Nationaltracht tragen, und auf den Schildern neben ihren Arbeitsplätzen nicht nur etwas über ihre Arbeit, sondern auch Informationen über ihre Herkunft und Tracht stehen, erinnert mich diese Zur Schau Stellung der Menschen ziemlich an einen Zoo. Andererseits bekommen die vier dafür mehr Geld und haben bessere / angenehmere Arbeitsbedingung, als die meisten anderen Farbigen.

Im Museumsshop kaufe ich nach ungewöhnlich langem Zögern noch einen ?????, einen Stein, den es nur in Namibia gibt. Dann treffe ich mich vor dem Museum wieder mit Bettina, und wir verlassen Swakopmund in Richtung Windhoek.

Wir fahren nur wenige Kilometer Richtung Windhoek, dann biegen wir ab auf eine Nebenstraße, die Richtung Oase Goanikontes führt und dann weiter – und das ist viel wichtiger – zu einer der wenigen Punkte Namibias, wo die Welwechia Mirabelis wächst.
 
Die Welwechia Mirabelis.
Eine bis zu 2.000 Jahre alte Riesenpflanze,...
... die offensichtlich von einigen "geliebt" wird!
Klein ist sie wirklich nicht!

Diese bis zu 2.000 Jahre alte Pflanze, die es ausschließlich in Namibia, und dort auch nur an ganz wenigen Stellen gibt, läßt sich Biologisch in keine bekannte Pflanzengruppe einordnen. Mit ihren bis zu 20 m langen Wurzeln ist sie so ziemlich die einzige, die in dieser kargen Gegend überleben kann. Obwohl die Pflanze zu einem Knäuel von bis zu einem Kubikmeter (wenn man das mal so ausdrücken kann) heranwachsen kann, besteht jede Pflanze nur aus zwei einzelnen Blättern. Diese Blätter spalten sich in immer feinere Stränge, so daß es aussieht, als hätte sie so viele Blätter, wie andere Pflanzen. Die Pflanze ist in jeder Beziehung ein Kuriosum, und der Grund, warum Maren auf meine Reise nach Namibia neidisch war. Und das, obwohl wir ursprünglich ja gar nicht geplant hatten, in dieser Gegend vorbei zu kommen!
Es dauert aber, bis wir die Pflanzen endlich finden. Etliche Kilometer fahren wir auf einer eng gewundenen und ständig hoch und runter führenden Straße an einer skurril zerklüfteten Mondlandschaft – die auch so heißt – entlang, dann endlich biegt der richtige Weg in ein Tal, in dem wir schließlich einige wundervolle Exemplare der Welwechia Mirabelis finden und fotografieren.

Erst gegen 14:00 Uhr sind wir wieder unterwegs auf der C 28 Richtung Windhoek. Jetzt sollten wir erst mal etwas Strecke gewinnen, denn von Swakopmund bis Windhoek sind es immerhin ca. 350 km – Schotterstraße wohl gemerkt – und ich würde schon gerne heute zumindest einen Großteil der Strecke hinter uns gebracht haben, damit wir morgen ganz in Ruhe Zeit für den Rest der Strecke haben, und nicht dauernd mit einem Auge auf die Uhr und unseren bevorstehenden Abflug schielen müssen.
 
ungewöhnliche...

 
... Geologie

 
eine wahre Mondlandschaft...
... und eine Oase

 
Corinna und Bettina

 

Unterwegs sehen wir noch mehrere Straußen und eine Herde Oryx-Antilopen. Ich frage mich immer, wo von sich diese großen und durchaus kräftigen und wohlgenährten Tiere in dieser Umgebung, wo es doch wirklich praktisch NICHTs gibt, ernähren?

Nachdem wir die Namib in ost-west-Richtung komplett durchquert haben, und an die Grenze des Farmlandes kommen, machen wir eine kurze Mittagspause und halten zwischendurch immer mal wieder an, um kurz ein paar Fotos zu machen.
 
Ein Köcherbaum
Noch ein Köcherbaum
Die Rinde eines Köcherbaums

Schon von weitem sehen wir, daß sich über den Bergen westlich von Windhoek ein ordentliches Wetter zusammen braut. Je näher wir kommen, desto dichter werden die Wolken. Man kann gut erkennen, daß es an vielen Stellen bereits kräftig regnet.

Schon bei trockenem Wetter würden wir den vor uns liegenden Bosua-Paß (Steigungen bis zu 20 %) mit unserer Schüssel nicht hochkommen, bei möglichem Regen und aufgeweichten Schotterstraßen erst recht nicht. Also entschließen wir uns, kurz bevor wir die Berge erreichen dazu, recht ab auf die D 1980 zu fahren. Jetzt fahren wir ein gutes Stück Richtung Süden, und damit parallel zum Regen entlang. Als wir dann aber wieder nach links und in Richtung Osten auf die D 1982 biegen, fahren wir unvermeidlich direkt auf den Regen zu. Jetzt liegt auf dem Weg zwischen uns und Windhoek zwar immer noch ein Paß, aber der Us-hoogte-Paß hat eine maximale Steigung von nur 10 % - das sollten wir schaffen.
Aber heute kommt das für uns eh nicht mehr in Frage. Es wird bald dunkel und da wir bis Windhoek noch ca. drei Stunden zu fahren hätten, haben wir beschlossen, daß wir versuchen wollen, auf der einzigen an unserer Strecke liegenden Gästefarm – der Farm Niedersachsen – zu übernachten. Eigentlich wäre ja auch eine Nacht im Zelt, bzw. auf den Stretchern sehr nett gewesen, aber in diesem Wetter verwerfen wir den Gedanken schnell wieder.
 
!!!Ein kräftiges Gewitter zieht auf
Es regnet - mitten in der Namib!

Bis zur Farm Niedersachsen sind es jetzt noch ca. 30 km. Jetzt fängt es tatsächlich an zu regnen. Wir müssen den Scheibenwischer einschalten und ein bißchen langsamer fahren, was eh ganz angebracht ist, weil die Straße in den beginnenden Bergen extrem kurvig wird. Nach einer Weile fahren wir dann sogar durch Pfützen und neben der Straße läuft ein kleines Rinnsaal entlang. Und das mitten in der Wüste!
Gegen 18:00 Uhr finden wir die Gästefarm Niedersachsen und ein überaus verrammeltes Tor. Bettina klingelt mehrmals vergeblich. Ein Rhodesian Richback, der sich vor der Haustür weit oben bewegt, ist das einzige Lebenszeichen.
 
 .  Es wäre sehr gut, wenn jemand zu Hause wäre, anderenfalls wären wir nämlich ein wenig stuck for the night... Wir probieren es mit Hupen. Ein zaghaftet tut-tut nützt gar nicht, erst ein energische Törööö ruft dann doch einen Mann auf die Veranda vor dem Haus. Er öffnet uns das Tor und wir fahren auf ihn zu.
Unsere Rettung: Die Farm Niedersachsen

„Die Klingel hatte ich wegen des Gewitters abgestellt,“ entschuldigt er sich, „mir hat erst vor ein paar Wochen ein Blitz sämtliche elektronischen Geräte im Haus zerschossen. Kommt erst mal rein. Wollt Ihr was trinken?“ Und schon folgen wir ihm durch das dunkle Innere des Hauses hinaus auf eine große, das ganze Haus umlaufende Terrasse. Der Blick von hier oben ist atemberaubend, und macht zumindest mich für mehrere Sekunden komplett sprachlos! Unter uns – weit unter uns! – liegt eine kleine grüne Oase mit Gras, Sträuchern, Bäumen und einem angelegten Gemüsegarten. Weiter links erkennt man einen kleinen Staudamm, hinter dem zur Zeit zwar kein Wasser steht, aber auch hier sprießt grünes Gras. Hinter der Idylle reicht der Blick unendlich weiter über die Hügel und Täler der Prenamib.

Zusammen mit dem vom Regen noch wolkenverhangenen Himmel ergibt sich ein Bild, das Caspar David Friedrich nicht prächtiger hätte malen können!

Bettina und ich sind der Magie diese Ortes sofort verfallen. Die Frage nach dem Preis der Übernachtung ist relativ belanglos geworden; es steht schon fest, daß wir hier bleiben wollen!

„Barbara, wir haben Gäste,“ informiert Karl Ahlert jetzt auch seine Frau über unsere Ankunft. Er selbst hat uns schon Kaktussaft und Farmwasser gebracht und bittet uns, an dem Tisch unter dem breiten Vordach Platz zu nehmen.

Die Ahlerts wirken zunächst nicht überschwenglich freundlich, aber das ist erstens ja etwas, was mir schon bei fast allen Namibiern aufgefallen ist, und außerdem ist es verständlich, da wir sie ja ziemlich überfallen haben. Willkommen fühlen wir uns trotzdem.

Die nächsten zwei Stunde verbringen wir staunend auf der Terrasse und lauschen dem, was Herr Ahlert uns über Namibia und sein Leben auf der Farm Niedersachsen zu erzählen hat:

Zum Beispiel, daß dies die Farm ist, auf der sich die beiden Geologen und Kriegsflüchtlinge – Dr. Hermann Korn und Henno Martin –, deren Tagebuch später unter dem Titel „Wenn es Krieg gibt, gehen wir in die Wüste“ erschienen ist, monatelang versteckt gehalten haben.

Oder daß das Land so karg ist, daß er ohne Gästebewirtung nicht in der Lage wäre, die Farm zu unterhalten. Abgesehen von den Haustieren – zehn Hunden, zwei Katzen, drei Eseln und einigen Hühnern – halten Ahlerts jetzt noch 460 Karakul-Schafe, die hauptsächlich wegen ihres Persianerpelzes begehrt und gut zu verkaufen sind. Die Schafe werden gerade von einem der farbigen Farmarbeiter zur Tränke im Tal geführt, was wir von unserem Logenplatz aus gut beobachten können. Die Farm Niedersachsen hat ungefähr die Größe des Fürstentum Lichtensteins und ist damit zu groß um sie einzuzäunen. Daher gibt es nicht immer Wild auf der Farm, denn das Wild zieht dem Regen hinterher.

Der heutige Regen wird sofort gemessen, am Haus hat es 13 mm geregnet, auf einem anderen Teil der Farm sogar 14 mm. Bei einem durchschnittlichen Jahresniederschlag von nur ca. 140 mm ist das schon eine erfreuliche Menge.

Die letzte Regenzeit war auch auf der Farm Niedersachsen sehr gut. So gut, daß der Damm nicht nur voll war, sondern eine komplette Woche lang überlief!

Wir erfahren, daß die farbigen Farmarbeiter ihren Lohn nicht mehr Samstag, sondern Montags ausgezahlt bekommen, und auch nicht mehr eine Pauschale bekommen, sondern einen Stundenlohn, wodurch sie größtenteils schlechter dastehen, aber es war ihr eigener Wunsch gewesen, nicht mehr Pauschal, sondern nach Stunden bezahlt zu werden.

Als es den Lohn noch am Samstag hab, gab es jeden Samstag abend eine große Party mit allen Nachbarn und Verwandten, viel Alkohol und in der Regel Ausschreitungen, denn die meisten der Farbigen können mit Alkohol einfach nicht umgehen. Montags waren dann immer Köpfe zu flicken, Kater zu kurieren und das Geld war alle – die Familie mußte die Woche über sehen, wie und wo sie etwas zu essen bekam. Wenn es den Lohn Montags gibt, gibt es diese Probleme fast nicht mehr.

Ich bin ein wenig geschockt, wie simpel manches auf dieser Welt doch noch ist...

Zusätzlich zum Lohn bekommt jeder Arbeiter jede Woche auch eine Lebensmittelration. Auch so soll verhindert werden, daß alles Bargeld sofort in Alkohol verwandelt wird.

Insgesamt bin ich doch ein wenig überrascht und schockiert, wie hart und deutlich die Rassenunterschiede auch heute und in einem Land, in dem Farbigen und Weiße schon seit mehr als hundert Jahren einigermaßen friedlich zusammen leben, noch sind. Unter all den Farmen, die wir besucht habe, war nur eine einzige dabei (Farm Nr. 905 – Spoar), die einem Herero gehörte. Alle anderen Farmen gehörten weißen Farmern. Und nur auf einer einzigen Farm (Farm Nr. 1004 – Kalaharikroon) hatte ich das Gefühl, daß Schwarze und Weiße zu einem freundlichen und fairen Miteinander gefunden haben. Auf allen anderen Farmen war / ist die Machtverteilung klar: Ein weißer Farmer wohnt (mit oder ohne Familie) in einem herrschaftlichen Haus, daß jeglichen Standard, bzw. Luxus hat und herrscht über eine große Zahl farbiger Farmarbeiter, die mit ihren oft großen Familien in einfachsten Stroh- oder Blechhütten wohnen.

Die Farbigen nennen den Farmer „Mister“, der Farmer spricht meist von seinen „Niggern“, „Negern“ oder gar „Kaffern“, obwohl das Wort, das seinen Ursprung aus dem arabischen Kafan – Ungläubiger – zieht,  offiziell wohl aus dem Namibischen Wortschatz gestrichen ist.

Das ist auch auf der Farm Niedersachsen kaum anders.

Dem herrlichen Blick von der Terrasse kann dies allerdings keinen Abklang tun. Herr Ahlert verschwindet in regelmäßigen Abständen in der Küche, um den Kochtopf umzurühren, denn eine Übernachtung auf der Farm beinhaltet automatisch ein Abendessen mit Familienanschluß – so die Philosophie der Farm. Zwischendurch bekommen wir die überall im Garten liegenden riesig großen Halbedelsteine, für die sich Bettina als Mineralogin natürlich besonders interessiert, gezeigt, und an Hand ihnen die Geologie der Kalahari in Ausschnitten erklärt, und wir bekommen Lesetips zum Thema Namibia und Kalahari.

Um den malerischen Blick von unseren Augen zu vervollkommnen, steht seit einer ganzen Weile ein Regenbogen am Himmel.
 
Der Staudamm...

 
... der im Tal eine Art Oase bildet.
Abendstimmung über der Farm
Ein Regenbogens schmückt die Berge
Sonneuntergang auf Nierdersachsen!

Die Sonne – die zwischen den Regenwolken hervorlugt – versinkt spektakulär hinter den Bergen und das Essen wird serviert. Es gibt Salat, Blumenkohl, Kartoffeln – „Nicht zu viele Essen, die müssen wir alle aus Windhoek holen!“ – und... Oryx-Antilopen-Gulasch – „Da könnt Ihr ordentlich reinlangen, davon gibt’s hier massig!“! Na, da freue ich mich doch, daß ich nie kompletter Vegetarier geworden bin.
Schmeckt ganz schön lecker!

Lange sitzen wir noch auf der Terrasse, hören Herrn Ahlert zu und lassen uns dabei leider ziemlich doll von Mücken (keinen Moskitos!) zerstechen.

Gegen 22:30 Uhr gehen wir in unser Zimmer. Hier ist es leider entsetzlich heiß und wegen der Fliegengitter vor den Fenstern kommt leider kein Luftzug ins Zimmer. Nach dem Gewitter ist es schwül und ziemlich unerträglich.

Ich kann leider überhaupt nicht einschlafen...
 
 

Sonntag, 03.12.2000
Ich habe wirklich überhaupt nicht gut geschlafen, aber was soll’s...

Um 8:00 Uhr haben wir frühstück bestellt. Diesmal sitzen wir auf der anderen Seite des Hauses.

Absurderweise steht bei fast 40°C und immer noch erdrückender Luftfeuchtigkeit ein Adventskranz auf dem Tisch! Jaja, wir sind bei einer deutschstämmigen Familie und haben heute den ersten Advent!

Wir haben es heute nicht besonders eilig, denn bis Windhoek sind es nur noch ca. drei Stunden Fahrtzeit. Also machen wir zunächst noch einen kleinen Spaziergang auf den Hausberg. Dabei werden wir von vier der zehn Hunde begleitet: Dem 8-monatigen Richbackrüden Leo, der 5-monatigen Richback-Hünding Senta, der kleinen schwarzweißen Mischlingshünding Bessy und einem Kuriositätsrüden namens Lümmel. Lümmels Eltern waren ½ Rottweiler, ½ Terrier einerseits und ½ Boxer, ½ Dackel andererseits. Durchgesetzt haben sich bei Lümmel der Rottweiler für Farbe, Statur und Körperbau und der Dackel für Form und Länge der Beine!

Lümmel ist ein gemütliches Trotteltier, ein Hund zum zwei Mal hingucken, und der erste, der auf unserer kleinen Wanderung schlappt macht und gen zu Hause strebt. Leo macht als zweiter den Abgang – typisch Männer (na gut, er hat auch eine läufige Freundin zu Hause sitzen...)! Senta dreht auch irgendwann um, einzig und allein Bessy schafft es, mit uns zusammen den kleinen Hügel zu erklimmen. Das ist heute aber auch ein schweißtreibendes Unterfangen, denn nach dem Regen ist die Luft auch heute noch feucht und heiß.

Völlig naßgeschwitzt kommen wir nach einer guten Stunde und einem herrlichen Ausblick auf die Farm Niedersachsen wieder auf der Ahlerschen Terrasse an. Wir bekommen noch eine Kanne kaltes Farmwasser, lachen über Bessy, die klein und verschwitzt genug ist, in der Hundetrinkschale ein Vollbad zu nehmen, schreiben ins Gästebuch und bekommen die Rechnung in die Hand gedrückt die wir aber erst von Deutschland aus zu begleichen brauchen.

Dann heißt es goote Pad und we’re on the way towards Windhoek.

Die ersten knapp 100 km schlängelt und windet sich die relativ grob geschotterte Straße die Hügel hinauf und hinunter, immer wieder führt der Weg durch trockene Flußtäler, bei denen ich froh bin, daß es gestern nicht noch viel mehr geregnet hat; wenn diese Omurambas Wasser führen würden, hätten wir sicher an manchen Stellen Schwierigkeiten, hier weiter zu kommen!

Es geht oft so steil bergauf und bergab, daß ich oft nur im zweiten Gang fahren kann. Wir verbrauchen entsprechend viel Benzin.
 
 .  Erst nachdem wir den Us-hoogte-Paß überfahren, und damit die Hochebene von Windhoek erreicht haben, wird die Straße flacher und weniger kurvig und wir kommen so zügig voran, den Kupferberg-Paß, den wir auch noch überfahren, bekommen wir gar nicht mehr mit, da er auch nur eine Steigung von weniger als 10 % (1:12) hat. Schon um 14:30 Uhr sind wir in Windhoek.  . 
Die Ebene von Windhoek

Bei Steiners ist zwischen 13:00 und 15:00 Uhr Mittagspause. Da wir sie dabei nicht stören wollen, fahren Bettina und ich noch mal hoch zur Heinitzburg, wo wir uns einen letzten Namibia Sundowner gönnen, und noch einmal den herrlichen Blick über die unter uns liegende Stadt genießen.

Kurz nach 15:00 Uhr sind wir dann bei Steiners. Hier laden wir die von Heike und Ansgar, bzw. dem Graduiertenkolleg geliehene Ausrüstung aus, Duschen noch einmal schnell und packen unsere Sachen ein und um.

Anja und Holger – die Nachbarn von Heike und Christian – bringen uns noch einen ganzen Stapel Post, die wir bitte mit nach Deutschland nehmen sollen; wir haben jetzt beide eine ganze Menge Gepäck. Die beiden bleiben eine ganze Weile, in vor allem Anja, die mich so sehr an Angie erinnert, daß ich sie frage, ob die beiden vielleicht verwandt sind, mag ich besonders gerne.

Um 17:30 Uhr fahren wir dann noch mal bei Heike und Christian vorbei, um ihnen tschüß zu sagen, aber da ist keiner zu Hause – wie schade!

Dann geht’s weiter zu Camping Car Hire, wo schon jemand auf uns wartet, um unseren Leihwagen wieder in Empfang zu nehmne. Ein Fahrer der Agentur fährt uns dann zum Flughafen. Das Einchecken dauert fürchterlich lange und ich habe arge Zweifel, daß alles Gepäck an seinem jeweiligen Bestimmungsort ankommen wird.

Mit ein wenig Verspätung geht’s dann los...

Bye-bye schönes Namibia!

Der Flug ist angenehm ruhig und unspektakulär – ich kann verblüffend gut schlafen.
 
 

Montag, 04.12.2000
In München angekommen – und noch völlig unausgeschlafen – gehe ich mit Bettina zusammen zur Gepäckausgabe, wo ich tatsächlich – wie beim Einchecken schon vermutet – meinen Rucksack auf dem Fließband entdecke. Das Zelt nicht. Beides hätte theoretisch direkt nach Hamburg gesollt. Naja, nicht so schlimm. Ich habe genug Zeit, mit Bettina zusammen aus dem Fluggastbereich rauszugehen, mich dort von ihr zu verabschieden, und im anderen Terminal meinen Rucksack wieder einzuchecken.

Auch der Weiterflug nach Hamburg ist nicht weiter erwähnenswert.

In Hamburg angekommen habe ich dann drei Tage lang bannig Schwierigkeiten, mich in dem alltäglich Leben in Deutschland wieder zurecht zu finden...

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Wer sich bis hier her durchgelesen hat, hat damit bewiesen, daß er / sie einerseits ein eifriger Leser ist, andererseits er / sie zumindest ein bißchen an der Kalahari, bzw. Namibia interessiert ist.

Wenn dem so ist, dann kann ich hier ja auch noch drei Leseempfehlungen loswerden:

Dr. Hermann Korn (und Henno Martin):
Wenn es Krieg gibt, gehen wir in die Wüste
Erschienen bei TWO BOOKS © 2001
ISBN 3-935453-00-0

Laurens van der Post:
Die verlorene Welt der Kalahari
Erschienen bei Diogenes (detebe 22804) unter der ISBN-Nummer 3-257-22804-X
Und
Laurens van der Post:
Das Herz des kleinen Jägers
Erschienen bei Diogenes (detebe 22821) unter der ISBN-Nummer 3-257-22821-X

Das erste der beiden Bücher ist der Bericht über eine nur nach großen und langwierigen Schwierigkeiten erfolgreichen Expedition in die Kalahari die Mitte des vergangenen Jahrhunderts (ca. 1950) statt fand, und die der Auffindung und Erforschung des noch frei in der Kalahari lebendes Buschmanns galt.

In dem zweiten Buch geht Laurens van der Post dann noch sehr viel ausführlicher auf die Gedanken, das Empfingen, Sitten und Gebräuche, Wertvorstellungen und Gewohnheiten – eben das Herz – des Buschmanns ein.
 
 .  Zwei der schönsten Bücher, die ich in letzter Zeit gelesen habe. Und das nicht nur ob des Themas, das mich eh interessierte, sondern auch vom Stil und der Atmosphäre, in dem Laurens van der Post von seiner Reise berichtet.

Viel Spaß beim Lesen!

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