Freitag, 24.11.2000
Es ist bewölkt! Es hat zwar in der Nacht nur ein paar Tropfen Regen gegeben, aber noch hängt der Himmel voll Wolken. Aber ich bin sicher, daß die Sonne auch heute die Kraft haben wird, die Wolken wieder wegzubrennen.

Wir frühstücken, packen ein und fahren die wenigen Kilometer nach Tsumkwe.

Tsumkwe ist schon etwas größer, als die sechs Häuser, auf die Heike uns vorbereitet hatte, aber mehr als zwanzig gemauerte Häuser hat der Ort, der mich in gewisser Weise an eine amerikanische Kleinstadt erinnert, wohl kaum. Es gibt eine Touristen-Lodge, eine Kirche und das dazugehörige Haus der Reverends, zwei Regierungsgebäude, in dem unter anderem das Nature Conservation & Tourism Office untergebracht ist, zwei Supermärkte, eine Schule – die wohl einzige Schule im ganzen Buschmannland – und ein aus zwei Zimmern bestehendes Krankenhaus, einen Tower für den Flughafen und noch ca. zehn weitere feste Gebäude, in denen vermutlich die Menschen wohnen, die hier offizielle Funktionen einnehmen.
 
Die Telefonleitungen des Landes reichen noch nicht bis Tsumkwe, Funk ist der einzig mögliche Kontakt mit der Außenwelt. Die Straßen sind grob geschottert, überall laufen erstaunlicherweise Dalmatiner herum.

Neben den schon erwähnten Gebäuden gibt es noch eine ganze Anzahl Stroh- und Wellblechhütten, in denen die hier ansässigen Buschmänner wohnen. Auch wenn auch die Buschmänner zu den Völkern gehören, die mit Alkohol nicht umgehen können, bzw. noch weniger als die meisten Weißen, und es auch in Tsumkwe viele resident drunks gibt, die vor einem der beiden Supermärkte auf der Straße herumlungern, hat der Ort trotzdem eine freundliche Atmosphäre. Später auf unserer Reise werden wir noch durch den etwas gleichgroßen Herero-Ort Gam fahren, in dem die Atmosphäre eine völlig andere sein wird.

Hier in Tsumkwe ist es vielleicht auch keine gute Idee, sein vollbepacktes Auto stundenlang unbewacht in einer Nebenstraße stehen zu lassen, aber man braucht keine Angst zu haben, daß einem alles unter den Augen weggeklaut wird. Auch gibt es hier fast keine Bettler, die aufdringlich zu uns Weißen ans Auto herankommen – das paßt einfach nicht zu der Mentalität der Buschmänner.

Wir fahren zuerst zum Nature Consevation & Tourism Gebäude. Hier hat Heike bei ihrem Besuch um letzten Jahr einen der Officer gebeten, Regenproben für sie zu sammeln. Wir müssen eine kleine Weile warten, weil er gerade unterwegs ist, als er aber zurück kommt, erinnert er sich sofort an Heike, geht zu einem Schrank in seinem Büro und holt tatsächlich zwei Probenflaschen hervor, in denen er im Verlauf des letzten Jahres Regenproben gesammelt hat.

So etwas ist vermutlich nur in einer Gegend wie dieser möglich. Wenn ich in Deutschland jemanden bitten würde, so etwas für mich zu tun, und dann über ein Jahr nichts von mir hören lasse – ich glaube kaum, daß ich nach so langer Zeit ohne jegliche Umschweife die Proben in die Hand gedrückt bekäme!

Als Dank für seine Arbeit hat Heike ihm und seinen Kollegen eine Din A0-Luftaufnahme von der Gegend um Tsumkwe mitgebracht – ein, wie ich finde, sehr nettes und passendes Geschenk für eine Umweltbehörde!

Danach fahren wir einige Häuser weiter, zum Haus des Reverends. Der baut gerade um, hat aber in der Garage neben seinem Wohnhaus einen kleinen Verkaufsraum eingerichtet, in dem er von Buschmännern hergestellte Souvenirs verkauft. Es gibt teilweise wunderschön geschnitzte Tiere: Antilopen in den unterschiedlichsten Körperhaltungen mit langen spitzen Hörnern, die man zum Transport praktischerweise abnehmen kann, Elefanten, Großkatzen und Giraffen in jeder Größe, Art und Ausführung aber auch viel Schmuck: Geschnitzte Straußeneierschalen, ebenfalls aus Straußeneierschalen hergestellt Perlenketten und Armbänder, oder auch die Werkzeuge der Buschmänner: Kleine Äxte, Bogen und Pfeile im Köcher – freundlicherweise ohne vergiftete Spitze – und kurze Speere. Wir verbringen viel Zeit in dem Laden, Bettina ersteht die einzige wirklich große Giraffe, die eine Höhe von mehr als einem halben Meter hat, und damit ein zusätzliches Gepäckstück darstellt, Heike läßt sich ein geschnitztes Straußenei transportsicher verpacken, und Ansgar entscheidet sich für eine der schönen Antilopen. Genau wie im Omatako-Buschmancamp, in dem ich meine geschnitzten Tiere gekauft habe, hängt auch hier an jedem Tier ein kleiner Zettel, der Auskunft darüber gibt, wer dieses Tier geschnitzt hat. So kann sichergestellt werden, daß auch wirklich der Künstler derjenige ist, der das Geld für seine Arbeit bekommt. „Häufig,“ so erzählt der Reverend uns, „ist es aber viel besser, den Buschmännern kein Geld zu geben, sondern sie in Naturalien zu bezahlen. Wenn sie Geld bekommen, können sie damit eh nicht umgehen, und geben nur alles ganz schnell und meistens für Alkohol aus. Das kann nicht Sinn der Sache sein, als bringe ich ihnen lieber gleich Maismehl und andere Eßsachen, die sie gebrauchen können.“ Der Reverend, den Heike noch nicht kennt, weil er erst innerhalb des letzten Jahres seinen Job hier angetreten hat, scheint sowieso einen Großteil seiner Zeit damit zu verbringen, in seiner Gemeinde von Ort zu Ort zu fahren, und die Buschmänner zu besuchen und ihnen zu helfen.

Die Tiere, die hier verkauft werden, sind zwar um ein vielfaches perfekter gearbeitet, als die, die ich im am Omatako gekauft habe, ich bereue aber meine Entscheidung keinesfalls. Im Gegenteil: Ich finde es noch viel schöner, fast ganz genau zu wissen, wer meine beiden Tiere geschnitzt hat. Außerdem sind sie vielleicht vom Körper her nicht perfekt, haben dafür aber so lustige und freundliche Gesichtsausdrücke, wie die Buschmänner selbst!

Als nächstes fahren wir dann in die beiden Supermärkte. Wir wollen ein paar Vorräte aufstocken, stellen aber schnell fest, daß es in den beiden Supermärkten eigentlich gar nicht viel gibt, was uns wirklich fehlen würde. Frisches Obst und Gemüse – das einzige, was wir wirklich gerne haben würden, gibt es eh nicht. Unter großen Diskussionen kaufen wir im ersten Laden eine Dose Erbsen (Nicht alle hier mögen Erbsen!) und ein paar weitere Kleinigkeiten, in den zweiten Laden gucken wir nur kurz hinein. Dies ist ein Laden, in dem die Kunden gar nicht selbst an die Regale gehen können, sondern sich von einem Verkäufer hinter der Theke die Dinge, die sie kaufen wollen, anreichen lassen müssen. Zum Laden gehört auch ein Postschalter, an dem Bettina eine Karte aufgibt, die sie und ich an Petra geschrieben haben – mal sehen, ob sie jemals ankommen wird...

Dann müssen wir uns noch um die Auffüllung unseres Tankes kommen, denn auch jetzt steht uns wieder eine weite Strecke ohne Tankmöglichkeit bevor. Die Touristen-Lodge hat zwar keine offizielle Lizenz zum Verkauf von Benzin, hat aber meistens einige Fässer Benzin auf Lager, aus denen man neuen Treibstoff bekommen kann. Die burische Lodge-Herrin ist bereit, uns 60 l Benzin zu verkaufen. Das Tanken an sich ist etwas mühsam, weil der Schlauch, der an der Handpumpe, die wiederum auf die Fässer aufgeschraubt wird, sitzt, nicht in unseren Tank paßt. So muß das Benzin per Hand aus den Fässern in unsere Reservekanister gepumpt, und von dort in die beiden Tanks gefüllt werden. Das dauert entsprechend lange.

Sowohl mit dem Officer vom Nature Conservation Centre, als auch mit der Frau auf der Lodge sprechen wir noch mal über die Buschbrände, die uns in den letzten Tagen begleitet haben.

„Ja,“ bekommen wir die Bestätigung, „das ist dieses Jahr ein Problem. Da es letztes Jahr so viel geregnet hat, ist das Gras höher gewachsen, als in sonstigen Jahren. Jetzt, nach der langen Trockenzeit, hat es keine Feuchtigkeit mehr und brennt gut. Daß ist in jedem Jahr gut, und oft werden die Feuer ja sogar absichtlich gelegt, nur ist es in diesem Jahr verheerender, da so viel trockenes Gras und Buschwerk da ist, das abbrennen kann, daß die Feuer schnell groß werden und außer Kontrolle geraten.“
Als wir auf die Frage, wo wir den Buschbränden denn so nahe gekommen werden, erzählen, daß wir von Alt-Nhoma aus kommen, der Nhoma-Omuramba in Richtung Nhoma-Post gefolgt sind, ernten wir einige erstaunte Blicke. Diese Pad scheint in den letzten Jahren wirklich so gut wie nie mehr befahren worden zu sein. „Hattet ihr wenigstens ein Funkgerät dabei?“ Als wir die Frage verneinen ernten wir einen noch erstaunteren Blick. „Na, gefunden hätte man Euch da niemals.“

Auch mir ist nach wie vor bei dem Gedanken daran, wie lange wir am nächsten Tag bei Helligkeit gebraucht haben, um aus dieser Gegend wieder herauszufinden, nicht ganz geheuer... Sicher ist ein Auto in der Regel schneller, als ein Buschbrand, aber wenn wir jetzt in der Dunkelheit vor einem Feuer hätten flüchten müssen – ich weiß nicht, ob das so besonders gut geklappt hätte...

Egal, wie sind ja wieder draußen!

Last but not least füllen wir unsere Trinkwasserkanister noch mit frischem Wasser auf. Das Wasser ist jetzt teilweise schon seit einer Woche in den Kanistern, und auch Wasser kann bei diesen Temperaturen umkippen.

Dann geht’s weiter, sozusagen zum zweiten Teil unserer Expedition: Dem südlich von Tsumkwe gelegenen Pan-Field, einer Gegend, in der er besonders viele der ausgetrockneten Pfannen gibt, die Heike sich ansehen möchte. Heike möchte auch in dieser Gegend noch möglichst viele Wasserprobe sammeln, denn hier verläuft vermutlich die dritte Wasserscheide ihres Forschungsgebietes. Gleichzeitig möchte sie mit Hilfe von Infiltrationstest die Bodenbeschaffenheit in einiger dieser Pfannen untersuchen, und weiterhin zusammen mit Ansgar möglichst viele Kalahari-Aufschlüsse angucken und in ihrem gelben Notizbuch beschreiben.
 
 .  Wir fahren von Tsumkwe aus Richtung Süden und kommen schon nach wenigen Kilometern an ein Schild, das uns verkündet, daß wir uns nun im Nyae-Nyae-Conservatory (sprich: Niai-Niai) befinden, keinem eingezäunten Nationalpark, sondern einem nach allen Seiten offenen Naturschutzgebiet. Wir fahren auf einer gut ausgefahrenen Pad weiter Richtung Süden, stoppen ab und an um ein paar mitten auf der Pad liegende Aufschlüsse anzugucken, und Heike fliegt beim Aufschlagen eines Steines ein großer Steinsplitter mit solcher Wucht gegen die Hand, daß sie zwei Finger mehrere Tage lang nur unter Schmerzen bewegen kann.

Dann kommen wir schon recht bald und relativ überraschend an ein tatsächlich noch Wasser führendes Wasserloch: Der Gura-Pan.

Wir fahren langsam und vorsichtig an das Wasserloch heran, den schon von weitem sehen wir Tiere! Es sind fünf oder sechs getupfte Hyänen, die auf der gegenüberliegenden Seite der Wasserstelle in der Sonne liegen. Sie haben uns auch entdeckt, gucken wachsam, bleiben zunächst einmal aber liegen.

Etwas entfernt vom Wasserloch steht ein nagelneu gebauter Ausguck. Wir halten an und klettern hinauf. Ich bin verblüfft, wie sicher, solide und vor allem gesichert dieser Ausguck gebaut ist. Er ist ca. 3 m hoch und die Fläche, von der aus man die Tiere beobachten kann, ist sicher 3,5 x 1,5 m groß. Ein Holzdach schützt die Tier-Beobachter vor der erbarmungslosen Sonne, grob gezimmerte Holzbänke machen das Warten auf Tiere angenehmer. Die acht soliden Beine des Ausgucks sind in tonnenschwere Zementblöcke gegossen, alles verbaute Holz wirkt extrem stabil und belastbar. Am erstaunlichsten aber finde ich einen um den Ausguck herum aufgebauten Steinwall. Dieser Steinwall, der einen Durchmesser von sicher 10 m hat, ist ca. 1 m breit und ebenso hoch und komplett aus spitzen, kantigen und völlig lose aufeinander aufgeschichteten Steinen aufgebaut. Es gibt keinen Eingang, man muß über die Steine hinweg klettern, was nicht leicht ist, da sie schon bei der leichtesten Berührung ins Wanken geraten.
 
Geier
Hyänen
Tierbeobachtungsposten
Abendessen auf dem Hochsitz

Hier muß es jemand mit dem Schutz der Menschen sehr ernst genommen haben. Das wundert mich in sofern, als daß sich in diese Gegend vermutlich kaum je ein Tourist verirrt...

Andererseits scheinen hier offensichtlich wirklich Tiere zu beobachten zu sein. Die Hyänen liegen immer noch faul auf der anderen Seite des Wasserloches auf dem Gras und lassen sich durch uns wenig stören. Auf der anderen Seite des Wasserloches, das ca. 100 m von uns entfernt liegt, sehen wir einen Schakal und diverse Vögel, die wir aus dieser Entfernung nicht wirklich bestimmen können. Ich vermute, daß die größten beiden vielleicht Kormorane sind, zwei weitere Vögel müßten Flamingos oder Störche sein, die meisten anderen sind vermutlich ganz banale Enten. Über uns kreisen mehrer Adler.

Wir bleiben ca. eine halbe Stunde auf dem Ausguck. Die Hyänen verziehen sich nach einer Weile. Heike, die ansonsten verblüffend viel für die touristischen Gelüste ihrer Mitreisenden übrig hat, hatte erst nicht so viel Lust auf eine Hochsitz-Pause, jetzt aber werden wir uns einig, daß wir heute Abend wiederkommen, und die Nacht auf diesem Hochsitz verbringen wollen. In der Abend- und Morgendämmerung werden sicher noch mehr Tiere hier an die Wasserstelle kommen. Das klingt nach einem guten Plan, also verlassen wir jetzt den Hochsitz, steigen wieder ins Auto und fahren weiter.
Die Gautscha-Pan ist Heikes nächstes Ziel: Hier soll es einen sehenswerten Kalahari-Aufschluß geben. Der Weg ist nicht weit und führt uns an dem größten Baobab-Baum vorbei, den wir je gesehen haben. Baobabs sind Bäume, die aussehen, als hätte man sie versehentlich mit der Krone in den Boden gesteckt, und würde jetzt nur die in die Luft ragenden Wurzeln sehen können. Dieser Eindruck verstärkt sich noch, wenn die Baobabs, wie in den meisten Jahren ob der großen Trockenheit keine Blätter tragen. Dieses Jahr ist aber alles anders, der Baobab trägt nicht nur Blätter, sondern sogar Blüten und bis zu kopfgroße Früchte, und sieht etwas weniger verkehrt aus. Dieser Baobab hat einen Stammumfang von vermutlich mehr als 30 Metern! Wir machen ein paar schnelle Fotos, aber Heike drängt zur Weiterfahrt. Auch hier können wir nachher noch einmal vorbei kommen, und eine etwas ausführlichere Pause machen.

So ist die Gautscha-Pan schnell erreicht. Bevor wir jedoch in die Pfanne hineinfahren und nach dem Aufschluß Ausschau halten, entdecken wir links von uns einen riesigen silbernen Wassertank.

Wo ein Wassertank ist, kann auch die Quelle, bzw. der Brunnen nicht weit sein, und da Heike ja nicht nur an Aufschlüssen, sondern auch an Wasserproben interessiert ist, steuern wir zunächst auf den Tank zu. Kurz bevor wir ihn erreichen, steht uns dann jenseits einer halb vertrockneten Wasserstelle und in nur 20 – 30 m Entfernung ein riesiger Elefantenbulle gegenüber!!! Zwei weitere Elefanten sehen wir gerade noch in den Büschen auf der anderen Seite der Wasserstelle verschwinden. Der Bulle aber bleibt stehen und dreht sich zu uns um. Er ist riesig! Im Gegensatz zu den Asiatischen Elefanten, die wir aus Zoos und Zirkussen kennen, ist dieser Elefant fast doppelt so groß. Seine Schulterhöhe beträgt gut und gerne vier bis fünf Meter, seine Stoßzähne sind weit über eineinhalb Meter lang, sein Gewicht wird vermutlich fünf bis sechs Tonnen betragen. Seine beiden Ohren zusammengenommen sind größer als meine Bettdecke. Der riesige Bulle hat uns fest im Blick und scheint unschlüssig zu überlegen, ob er uns ignorieren oder drohen soll.

Auch wir sind nicht ganz sicher. So ein einzelner Riese kann auch schon mal sehr gefährlich werden. Stärker als unser Toyota Hilux, der neben ihm wie ein Spielzeugauto aussieht, ist er allemal. Eine Weile stehen wir uns still gegenüber, dann beschließt der Bulle sich mal ein wenig Eindruck zu verschaffen:
Er wedelt mit den Ohren – das erste hab-acht-Zeichen eines Elefanten: Ich habe Euch gesehen, paßt auf, daß ihr mir nicht zu Nahe kommt! Daß zweite Achtung-Signal eines Elefanten in freier Wildbahn (man muß sich immer wieder vor Augen führen, wir sind hier nicht in einem Nationalpark, sonder wirklich in freier Wildbahn!) ist, wenn er den Rüssel hebt. Dann meint er die Sache schon ernst. Wenn er dann auch noch an zu Trompeten fängt, ist Holland in Not, und man sollte sehen, daß man sich schleunigst aus dem Staub macht!
 
Ein Elefant!
Ein Elefant!!!
Na, pfui Ansgar!

Unser Elefant wedelt eine Weile, uns immer fest im Blick behaltend, mit den Ohren. Wir warten ab. Als er dann aber seinen Rüssel hebt und einen bestimmten Schritt in unsere Richtung macht, zögert Ansgar, der am Steuer sitzt, nicht lange, sondern legt sofort den Rückwärtsgang ein, und fährt einige Meter zurück. Das scheint dem Elefanten schon als Zeichen unserer Unterlegenheit und Rückzugsbereitschaft zu genügen. In einer herrlich macho-haften Geste legt er sich seinen Rüssel jetzt lässig über den linken Stoßzahn, verlagert sein Gewicht ein bißchen zur Seite und guckt uns, im wahrsten Sinne des Wortes schräg an. Ich habe fast das Gefühl, daß er uns angrinst, weil er stolz ist, daß er so schön einfach und überzeugend seine Überlegenheit bezeugen konnte.

Er bleibt noch eine kleine Weile, den Rüssel lässig über den Stoßzahn gehängt und uns beobachtend, stehen, dann dreht er sich – seines Sieges gewiß – gemächlich um und beginnt relaxt an den Büschen zu seiner Seite zu weiden.

Einige Minuten können wir ihn noch ungestört beobachten, dann trottet er gemächlich davon.
Was für ein beeindruckendes Erlebnis!

Jetzt fahren wir in die Gautscha-Pan hinein. Wir finden genau den Aufschluß, nachdem Heike und Ansgar auf Grund ihrer mitgebrachten Beschreibung, gesucht hatten. Direkt daneben ist noch eine kleine Wasserstelle, an der eine spektakulär große Kolonie häßlicher Geier sitzt. Es sind sicher 20 – 30 dieser riesigen Vögel! Mitten auf der großen Pfanne sehen wir dann noch ein extrem elegant aussehendes Red Hartlebeest – eine Antilopenart. Die Gegend hier scheint wahrlich extrem tierreich zu sein!
Wir fahren weiter; verfahren uns etwas. Unser nächstes Ziel ist die Nyae-Nyae-Pan, die wohl größte Pfanne in diesem Conservatory. Nachdem wir unseren Kartenlesefehler – die Gautscha-Pan ist auf der Karte größer eingezeichnet, als wir sie sehen – bemerkt haben, finden wir den richtigen Weg schnell wieder, und fahren bald in die riesige, sehr trockene Nyae-Nyae-Pan ein. War der Boden in der Gautscha-Pan an einigen Stellen noch leicht feucht gewesen, so daß man sich gut vorstellen konnte, daß hier noch vor relativ kurzer Zeit Wasser gestanden haben könnten, ist dies in der Nyae-Nyae-Pan kaum vorstellbar. Vor uns liegt eine riesige Wiese trockenen Grases, den charakteristischen dunklen Pfannenboden können wir an keiner Stelle entdecken.

Statt dessen sehen wir etwas viel besseres: Giraffen! Wow!!!

Drei große und eine kleine Giraffen stehen ca. 400 m von uns entfernt am Rand der Pfanne. Leider haben sie uns vermutlich gesehen oder gehört, und sind im Begriff, in den Büschen und Bäumen am Rand der Pfanne zu verschwinden, so daß wir nur noch ein oder zwei Minuten die Chance haben, sie zu beobachten und ein paar schnelle Giraffen-Such-Bilder zu schießen. Schade, aber immerhin! Ich hatte es zwar gehofft, aber nicht wirklich damit gerechnet, daß wir sogar Giraffen zu sehen bekommen würden!

Nach diesem Erlebnis haben wir alle jegliches Interesse an der Nyae-Nyae-Pan verloren. Heike, die auf dem immer mehr in der Sonne liegenden Vordersitz sitzt, ist schon seit einer Weile unerträglich heiß, und so entscheidet sie bald, daß wir den Rückweg antreten sollten. Aus geologischer Sicht ist die Nyae-Nyae-Pan nicht weiter interessant, da sie keine wirklichen Ufer hat, an denen man sich Aufschlüsse angucken könnte.

Wir entdecken eine Pad und überlegen, ob der vielleicht eine Abkürzung zurück zur Gura-Pan sein könnte? Ansgar biegt in die Pad ein, stellt aber schnell fest, daß er uns vermutlich nicht viel weiter bringen wird. Frische Reifenspuren deuten zwar darauf hin, daß die Pad vor relativ kurzem und auch recht regelmäßig befahren werden muß, allerdings sind die Reifenspuren an Hand ihrer Breite unschwer als die eines Lastwagen zu erkennen. Es ist also eher unwahrscheinlich, daß diese Pad zu dem touristischen Aussichtsturm zurück führen wird.

Also drehen wir um. Bei diesem Manöver entdecken wir unweit von uns einen ganzen Haufen durchsichtiger Plastiktüten oder –säcke, die im Gras am Rand der Pfanne liegen. Wir wundern uns. Auf der ersten Blick sieht es wie eine Müllhalde aus. Aber: Hier eine Müllhalde? Wohl kaum. Außerdem fehlen die für eine Müllhalde in dieser Gegend obligatorischen Dosen und Flaschen. Das müssen wir uns also aus der Nähe angucken. Wir fahren hin, steigen aus und gehen auf die Säcke zu.

Dank unserer Geologen haben wir sehr schnell durchschaut, was hier passiert ist:

Die Frau in der Touristen-Lodge in Tsumkwe hatte uns schon erzählt, daß die Regierung begonnen hat, jetzt auch im Nyae-Nyae-Conservatory nach Diamanten, bzw. nach Kimberlit, dem Mineral, in dem die meisten (großen und wertvollen) Diamanten liegen, gesucht wird. Hier haben wir also eine der Stellen gefunden, an der gerade eine Probebohrung gemacht wird!

Schnell haben wir auch das Bohrloch gefunden. Die daneben liegenden Tüten, die wir aus der Ferne gesehen hatten, enthalten den Bohrkern und sind mit den Meterangaben, aus der die entsprechende Bodenprobe hochgebohrt worden ist, versehen. Wir gucken uns einige der Tüten genauer an.
 
 .  „Und ich glaube, sie haben den Kimberlit auch schon gefunden,“ verkündet Ansgar, der neben einer Tüte steht, die die Meterangabe 40 – 41 m trägt und praktischerweise ein kleines Loch hat, aus der er eine kleine Handvoll Erde hervor geholt hat. Die Bodenprobe enthält kleinere und größere grüne Körnchen: Den Kimberlit!

Plötzlich machen noch ein paar andere Auffälligkeiten, die wir den ganzen Tag über schon beobachtet hatte, Sinn: Kleine rosa und orange an Büsche gebundene Bändchen, die mir heute schon mehrfach aufgefallen waren, weisen offensichtlich den Weg zum Bohrloch; und der LKW, der uns heute entgegen kam, auf dem so viele blaue Rohre lagerten und der von einem Mann gefahren wurde, der so überhaupt nicht nach Wildpfleger oder Conservatory-Arbeiter aussah.

Hier haben wir also eine potentielle neue Diamantenmiene entdeckt! Wir notieren uns die GPS-Daten und nehmen uns ein paar kleine Sandproben aus der Tüte 40 – 41 m mit, die Ansgar in Würzburg analysieren lassen wird. Mit etwas Glück (das uns allerdings wenig nutzen wird) wissen wir sogar noch vor der Namibischen Regierung, ob es hier Diamanten in lohnender Menge gibt, oder nicht! Traurig ist allerdings, daß, wenn es hier wirklich Diamanten gibt, die Zukunft des Conservatories in großer Gefahr ist. Wenn hier in einer Tiefe von 40 – 41 m Diamanten abgebaut werden sollen, das bedeutet auf jeden Fall einen einschneidenden Eingriff in die Natur. Und das ausgerechnet hier, wo sich uns Natur in Tierwelt noch so unzerstört präsentieren...

Jetzt fahren wir auf dem schon bekannten Weg zurück in Richtung Schlafplatz.
 
 .  Dabei kommen wir auch wieder an dem riesengroßen Baobabbaum vorbei, an dem wir auf dem Hinweg schon kurz zum Fotografieren angehalten hatten. Hier möchten Heike und vor allem Bettina, die immer Kaffeedurst hat, gerne eine Kaffeepause einlegen. Darüber bin ich nicht besonders glücklich, ich würde lieber gleich an die Wasserstelle, denn es ist schon 17:00 Uhr und etwas kühler geworden, und ich bin überzeugt, daß die ersten Tiere sicher bald an die Tränke kommen werden.

Aber wir müssen ja leider erst Kaffeepause machen. Auf dem kleinen Propangaskocher dauert das Wasserkochen fatal lange. Und dann muß der Kaffe ja auch noch getrunken werden.
 
 . 
OK, fairerweise muß ich zugeben, daß der Baobabbaum wirklich sehr beeindruckend ist, und daß dies hier wirklich eine der schönsten Stellen ist, die man sich für eine Kaffeepause vorstellen kann, aber der Zeitpunkt paßt mir gerade gar nicht...
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So ist es dann kurz vor 18:00 Uhr, als wir wieder ins Auto steigen und die wenigen hundert Meter bis zum Wasserloch fahren. Hätte ich gewußt, daß der Weg so nah ist, hätte ich auch einfach schon mal vorgehen können – allerdings wäre das vermutlich auch nicht ungefährlich gewesen, wenn jetzt wirklich Tiere an der Wasserstelle sind.

Als wir sozusagen um die Ecke biegen und die Sicht auf die Wasserstelle frei wird, wird meinen Nörgeleien leider auch noch Recht gegeben: Wir sehen sechs Elefanten, die gerade auf dem Weg nach Hause sind... wir ärgerlich!

Auch die beiden Kaffeetanten Bettina und Heike sind jetzt etwas enttäuscht, ob man die Pause vielleicht doch hätte verschieben können... Zu spät, die Elefanten sind weg. Schade. Aber zum Glück waren das ja nicht die ersten, die wir (heute) gesehen haben.

Und – wer weiß – vielleicht sind sie ja auch wirklich von unserem Auto verscheucht worden, und wären auch weggegangen, wenn wir ohne Kaffeepause direkt und eine Stunde früher an die Wasserstelle gefahren wären. Oder sie wären gar nicht erst gekommen, wenn wir schon dagewesen wären. Who knows?!
Wir klettern jetzt trotzdem noch auf den Hochstand – vielleicht kommen ja noch mehr Tiere. Wir nehmen schon ein paar Schlaf- und Eßsachen mit hoch und Heike macht auf dem Propangaskocher zwei wenig befriedigend schmeckende Dosen Baked Beans warm.

Während wir essen kommen dann wirklich noch drei Elefanten an die Tränke. Schon von weiten kann man sie an ihren Schritten erkennen. Langsam, schwer und knirschend bahnen sie sich einen Weg an die Wasserstelle. Leider ist es jetzt schon ziemlich dunkel, so daß man nur noch mit einiger Mühe etwas erkennen kann.

Noch lange spähen wir durch alle zur Verfügung stehenden Fernrohre, die das verbleibende Licht freundlicherweise verstärken können, dann machen wir es uns (sehr früh) auf dem doch recht ungemütlichen Holzbohlenboden so gut es geht bequem und versuchen, einzuschlafen.
Die drei Elefanten hören wir noch lange trinken und im Wasser spielen.
 
 

Samstag, 25.11.2000
Die Nacht ist etwas anstrengend. Auf den runden Bohlen gibt es für jeden von uns maximal eine Position, in der man einigermaßen bequem schlafen kann, jedes Umdrehen tut weh und macht die Lage sozusagen nur noch schlimmer. Je länger die Nacht, desto ungemütlicher wird es. Ich bin, glaube ich, die einzige, die überhaupt einigermaßen schlafen kann.

Gegen morgen fängt es dann an, sehr streng zu riechen. Als es heller wird, wissen wir schnell, warum: Am Wasserloch steht eine Herde von sicher 30 Gnus! Wir beobachten sie, während die Sonne wunderschön direkt hinter dem Wasserloch aufgeht! Die Gnus trinken, grasen, und rennen Kämpfe und Streitereien austragend, durch die Gegend, wobei sie vor der aufgehenden Sonne große Staubwolken aufsteigen lassen.

Es ist unglaublich malerisch!

Als die Gnus zu Ende getrunken haben, und wegziehen, klettern wir von unserem Turm herunter und machen uns frühstück.

Dann fahren wir los. Zuerst noch einmal zur Gautscha-Pan, wo wir probieren, an der Stelle, an der wir gestern die ersten Elefanten gesehen hatten, doch noch eine Wasserprobe zu nehmen. Leider läuft der Dieselmotor an der Pumpe allerdings nicht und eine Kurbel zum Anwerfen des gut in Schuß aussehenden und geölten Motors, ist nirgends zu sehen. Wir probieren, die Pumpe anderweitig anzuwerfen, und ich bin sicher, daß wir es auch geschafft hätte, aber Heike hat dazu nicht die nötige Geduld. Sie will lieber schnell noch mal in die eigentlich Pfanne fahren, wo sie und Ansgar den Aufschluß von gestern noch einmal genauer angucken wollen, bevor es zu heiß wird.

Während die beiden auf den Steinen rumklopfen und Notizen in Heikes gelbes Buch machen, bleibe ich im Auto sitzen und schreibe.

Dann meldet Bettina Tiere. Zuerst sehen wir nur eine Menge Red Hartlebeests, aber das letzte sieht irgendwie anders aus...?!? Es ist: Ein Zebra! Hoorah! Damit hatte ich nun wirklich nicht gerechnet, denn wir haben ja noch nicht mal viele Zebraspuren gesehen! Etwas irritierend finde ich, daß das Zebra allein ist. Sind das normalerweise nicht Herdentiere? Warum ist dieses Zebra allein? Und warum hat es sich offensichtlich einer Herde Red Hartlebeests angeschlossen?

Später erfahren wir, daß Zebras, die aus irgendwelchen Gründen aus ihrer Herde verstoßen werden, sich anderen Tierherden anschließen, was von denen meist auch geduldet wird.

Wir gucken ihm eine Weile zu, zum fotografieren ist es für mich zu weit weg. Heike probiert es mit ihrem Zoom.
 
 .  Nachdem die Red Hartlebeests und das Zebra am Rande der Pfanne in den Büschen verschwunden sind, fahren auch wir weiter Richtung Süden. Unser nächstes Ziel ist die Nama-Pan. Auf dem Weg dorthin sehen wir auch noch ein Chamäleon und halten alle Nase lang an, um die Steine auf dem Weg zu untersuchen. Teilweise ist es wirklich spannend, wenn man sehen kann, wie, wo und an welchen Stellen sich unterschiedliche Steine, bzw. Gesteinsarten an die Oberfläche geschoben habe, in welcher Richtung diese Verschiebungen stattgefunden haben und welche anderen Gesteine dabei mittransportiert oder eingeschlossen worden sind. Ich lerne ein bißchen was!

Wir fahren sozusagen ein mal quer in nord-südlicher Richtung durch das Nyae-Nyae-Conservatory, bis wir am südlichen Rand bei dem Dort Nama, am nördlichen Rand der Nama-Pan wieder auf Zivilisation in Form von Menschen und einem Buschmanndorf treffen.

Kurz vorher kommen wir noch an einem Bohrloch vorbei. Auch hier steht eine betriebsbereite und fit aussehende Dieselpumpe neben dem alten und nicht mehr funktionstüchtigen Windradbohrturm, aber auch hier läuft die Pumpe nicht.

Im Gegensatz zu dem Bohrloch an der Elefantenwasserstelle heute morgen entdecke ich hier jedoch die Kurbel zum Anlassen der Pumpe, die – halbherzig versteckt – unter zwei Steinen liegt. Vielleicht ist sie sogar nur der Elefanten wegen versteckt, denn auch um das ganze Bohrgelände ist ein hoher und stabiler Elefantenzaun gezogen.

Mit zweidreimal Kurbeln gelingt es Ansgar, die Pumpe in Betrieb zu nehmen, und Heike kann endlich einmal wieder eine Wasserprobe einsammeln.

Sobald sie den Krach der Pumpe gehört haben, kommen übrigens drei Buschmannkinder auf Pferden zu der Pumpe geritten, was uns in dem Moment etwas verwundert, weil wir noch nicht wissen, wie dicht an dem Dorf wir schon sind.

Nachdem wir das Dorf passiert haben, biegen wir dann auf die (Haupt-)Schotterstraße in Richtung Gam, verlassen sie aber fast sofort wieder, um in östlicher Richtung auf die Ahaberge und die Grenze nach Botswana zuzufahren.

Die Ahaberge möchten Heike und Ansgar sich aus geologischer Sicht angucken. Wir fahren bis an die ersten beiden Bergausläufer ran, parken das Auto, ziehen uns feste Schuhe an und besteigen den kleineren der beiden Berge, was selbst für mich unerfahrenen Bergsteiger nicht weiter schwer ist, weil er nur ein paar Meter hoch ist.
 
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Er besteht aus wunderschönen roten und gelben Steinen, die verblüffende kreuz-und-quer-Muster aufweisen. Wenn ich mir meine Schuhe fester zubinde, bin ich auch ein wenig trittsicherer.
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Heike und Ansgar analysieren eine Weile die Steine, dann steigen wir wieder bergab. Den zweiten Berg schenken wir uns, ob der heute erschreckend schwülen Hitze von 42°C. Man kann schon von unten erkennen, daß große Berg aus dem gleichen geologischen Material bestehen wird, wie der kleine.
Wir gehen zurück zum Auto und fahren bis direkt an den Grenzstreifen zu Botswana. Der Grenzstreifen ist eine offensichtlich regelmäßig befahrene Pad, und so fahren wir eine ganze Zeit lang an der Grenze entlang Richtung Norden, bis wir plötzlich ein ungutes Geräusch von unterhalb des Autos hören. Wir halten. Ein fester Draht hat sich um die Achse des rechten Hinterrades gewickelt. Ihn wieder ab zu bekommen ist noch relativ einfach, allerdings hat der Draht die Handbremse dieses Rades um fast 90° verbogen. Jetzt hilft’s nix, das Rad muß runter, damit Ansgar an das verbogene Teile ran kann.
Wir haben gerade alle Radmuttern gelöst, als Heike schon wieder von einer Biene gestochen wird. Schreck und Schmerz sind groß, Ansgar setzt das Schlangebißset an, versucht den Stich so gut es geht auszupumpen, und Bettina und Heike setzen sich ins Auto, während ich versuche, Ansgar bei der Reparatur behilflich zu sein. Allerdings verstehe ich von Handbremsen gar nichts, bis also nicht wirklich eine große Hilfe, bestenfalls noch eine nette Unterhaltung in der sengenden Hitze.
 
 .  Unser Held Ansgar kriegt die Handbremse tatsächlich wieder funktionierend! Das Rad wird wieder festgeschraubt, und die Fahrt kann weitergehen.
Wir fahren weiterhin auf dem Grenzstreifen entlang. Heike ändert ihren Plan ein wenig. Sie will nicht noch auf einen der hohen Berge steigen, sondern begnügt sich jetzt mit der Besteigung eines weiteren kleinen Hügels, den ich Mount Morten taufen darf, weil er noch keinen Namen hat.  . 

Dann ist das Tagwerk getan. Wir wollen uns einen geeigneten Campingplatz suchen. Das ist gar nicht so einfach, denn hier steht an den meisten Stellen das Gras sehr hoch und ist sehr trocken. Das ist für Feuer machen eigentlich zu gefährlich. Außerdem ist die Wahrscheinlichkeit in so hohem Gras auf eine Schlange zu treffen, relativ groß, und in dieser Gegend gibt es unter anderen mehr oder weniger fiesen Schlangen, auch sie schwarze Mamba, die ihrer Beute nicht nur aus einem Versteck heraus auflauert, und sich mit einem großen Sprung auf sie stürzt, sondern in der Regel auch noch innerhalb einer halben Stunde tödlich ist. Not very ermutigend!

Wir fahren also eine ganze Weile weiter Richtung Norden, immer nach einem geeigneten Campingplatz Ausschau haltend. Wir tun uns heute wirklich schwer. Eine freie Stelle unter einem großen Kameldornbaum sieht sehr einladend aus, allerdings haben das auch schon Elefanten festgestellt, wie man an den frischen Dunghaufen – die auch sonst schon den ganzen Tag über in sehr regelmäßigen Abständen auf der Straße liegen – unschwer erkennen kann. Im Schlaf von einem ärgerlichen Elefanten, auf dessen Ruheplatz man sich breit gemacht hat, überrascht werden? Nee, nicht wirklich! Schließlich finden wir eine Stelle, an der es vor kurzem schon gebrannt hat. Dies ist zwar garantiert kein romantisches Plätzchen, aber es bietet immerhin ein wenig Sicherheit vor Feuer und Schlangen. Also schlagen wir unser Lager mal wieder auf verbrannter Erde auf.

Natürlich dauert es nur wenige Minuten, bis die Bienen wieder bei uns sind. Es sind schon wieder hunderte. Heike und Bettina verhalten sich möglichst ruhig, während Ansgar und ich das meiste aufbauen.
Ich wasche mich zur Abwechselung mal wieder, was erstaunlich wenig Bienen interessiert; und daß, obwohl ich mich mit Wasser – dem einzigen Ziel ihrer Attacken auf uns – hantiere! Ob ich zu dreckig bin?

Erst als es so dunkel ist, daß die meisten Bienen verschwunden sind, beginnen wir mit Essenkochen. Es gibt wieder lecker Kürbisrisotto und hinterher backt Heike im Poijkie in Öl ausgelassene Brötchen!
Bettina hatte ohnehin lieber im Zelt aus auf dem Stretcher schlafen wollen und langsam denke ich, daß die Entscheidung, das Zelt aufzubauen, vielleicht nicht so dumm war, denn wir sehen jede Menge große gelbe Spinnen verschiedenster Art und Ausführung.

Und dann entdeckt Ansgar plötzlich einen Skorpion; einen gelben noch dazu, die sind angeblich noch gefährlicher, als die schwarzen. Er ruft mich zu sich, damit ich ihm mit meiner Taschenlampe – die ich nach Anbruch der Dunkelheit und auch die ganze Nacht lang immer an einem langen Band um den Hals trage – zu sich, damit ich den Skorpion beleuchten kann, während wir gemeinsam überlegen, was wir jetzt mit ihm machen sollen. Wir sind unschlüssig und versuchen zuerst, ihn auf die Schaufel, die Ansgar in der Hand hält, zu heben, um ihn entweder weit weg zu schleudern oder ins Feuer zu werfen, aber er läßt sich nicht fangen. Eine ganze Weile stehen Ansgar und ich in respektvollem Abstand um den drohend seinen Schwanz hebenden und hin und her tänzelnden Skorpion herum, dann entscheidet Ansgar sich spontan zu einem brutalen Kraftakt, und zerteilt den Skorpion mit einem gezielten Spatenhieb in zwei Teile. Ich bin erschrocken! Die beiden noch zuckenden Hälften wirft er ins Feuer.

Hinterher tut es uns beiden entsetzlich leid. Eigentlich hatte der arme Skorpion uns doch gar nichts getan... und einfach so ein friedliches Tier töten, nur weil es böse werden könnte, das ist nicht wirklich fair... Zu spät, der Skorpion ist tot.

Wir essen gemütlich – trotz Spinnen, die uns immer wieder über die Füße huschen – zu Ende zu Abend und sitzen dann noch so lange ums Feuer rum, bis die beiden Ladungen Brötchen fertig gebacken sind.
Dann gehen wir schlafen.
 
Sonnenaufgang
grosse Knochen
Sonnenuntergang
 
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