Namibia 2000
17. November - 4. Dezember 2002

Die Reiseroute
Leider sind die Bilder nicht besonder gut - ich hatte keinen Scanner zur Verfügung und mußte die Bilder digital abfotografieren... :(

Kennt Ihr den Film „Beautiful People – Die lustige Welt der Tiere“?
 
 .  Dieser 1974 gedrehte Film war der Grund, warum ich vor gut einem Jahr beschloß, nach Namibia und vor allem in die Kalahari zu fahren.  . 

Auf der 30. Geburtstagsparty einer Freundin in Würzburg traf ich im Oktober 1999 Heike. Heike hat Geologie fertig studiert, und saß schon damals an ihrer Doktorarbeit deren Thema, bzw. Titel ich immer noch nicht korrekt wiedergeben kann, die sich aber mit der Grundwasser-Neubildung in der Nordwestlichen Kalahari beschäftigt. Sie erzählte mir auf dieser Party fast den ganzen Abend in den blühendsten Farben von den zwei Reisen, die sie bereits in ihr Forschungsgebiet [ein Gebiet größer als Bayern im Nord-Osten Namibias, das im Norden bis fast an die Grenze zu Angola und im Osten bis an die Grenze zu Botswana reicht, im Westen durch die Stadt Grootfontein begrenzt ist, und in Richtung Süden bis an die Stadt Gobabis reicht] unternommen hat, und auch, daß sie plant, noch ein weiteres Mal hinzufahren. Ich klebte gebannt an ihren Lippen und fragte sie irgendwann einfach: „Nimmste mich das nächste Mal, wenn Du fährst, mit?“ – „OK,“ lautete ihre simple Antwort.

Ein paar Tage später bekam ich dann ein Mail von Heike, in dem sie mich sinngemäß fragte, ob ich auf dieser Party betrunken war, oder es mit dem Mitkommen wollen ernst gemeint hätte? „Beides,“ konnte ich ihr versichern, und so beschlossen wir damals, tatsächlich zusammen nach Namibia zu reisen.

Im Laufe des vergangenen Jahres hatten wir dann ziemlich wenig Kontakt, weil Würzburg eben doch eine Ecke weiter weg ist als Hannover und die EXPO, aber das eine oder andere Mail wanderte schon hin und her.

Im Sommer war Heike dann auf der Durchreise von Würzburg zu ihren Eltern in der Nähe von Kiel, und machte einen Tag Station in Hamburg. Da fühlte sie mir noch mal ein wenig auf den Zahn, ob ich überhaupt tauglich für eine solche Reise bin. „Dir ist schon klar, daß man sich da mal eine oder zwei Wochen nicht duschen kann, oder? Es ist nicht so, daß es in der Gegend um Tsumkwe viele Campingplätze, geschweige denn Jugendherbergen oder Hotels gibt. Wir werden fernab jeglicher Zivilisation mitten im Busch sein, am offenen Feuer im Poijkie Eintöpfe kochen und nachts nur unter einem Moskitonetz schlafen. Und wenn Dir alles was kriecht und krabbelt nicht geheuer ist, dann solltest Du Dir auch noch mal überlegen, ob die Reise das Richtige für Dich ist...“

„Vor Spinnen, Skorpionen und Schlangen habe ich keine Angst, ich ekele mich auch nicht vor ihnen. Duschen tue ich ein Mal am Tag schon sehr gerne, aber das wird auch klar gehen, es kann also losgehen!“ – „OK!“

Schon die Vorbereitungen für diese Reise sind so spannend und ungewöhnlich, wie nie vorher. Ich reise ja ‚ne ganze Menge, und normalerweise schmeiße ich wenige Minuten vor der Abreise ein paar Klamotten in eine Tasche und los geht’s. Nicht so, wenn man in die Kalahari fährt. Auf meiner Shoppingliste standen unter anderem: Schlangebißsichere Stiefel, Moskitonetz, Taschenlampe mit ausreichend Batterien, Malariaprophylaxe, ... und auch das Flugticket Hamburg – München – Windhoek läßt sich nicht einfach pauschal bei Neckermann aus dem Katalog buchen.

Inzwischen hatten sich übrigens noch Heikes Freund Ansgar, Seinäszeichens (mein Rechtschreibprogramm will, daß ich das so schreibe!) ebenfalls Namibia-Doktorand, der seine Doktorarbeit allerdings gerade abgegeben hat, und eine weitere Würzburger Mineralogin namens Bettina, Heike und mir angeschlossen, so daß die Reise für mich nicht nur zu einem Abenteuer in der Wüste werden würde, sondern gleichzeitig auch noch etwas Big Brother-mäßiges hatte: 2 ½ Wochen auf engem Raum (meist im Auto) und ohne die Chance auf Flucht (in der Wüste gibt es keine Linienbusse!) mit drei Leuten, die ich mehr oder weniger nicht kenne!

Am 15. November trifft sich unsere Reisegruppe also auf dem Münchener Flughafen, wo wir gemeinsam in die 747 nach Windhoek steigen. Der Flug ist ruhig und gemütlich, ich kann sogar einigermaßen gut schlafen. Ich bin immer noch etwas traurig, daß es seit einigen Wochen keine tagsüber-Flüge mehr nach Windhoek gibt, sehr gerne hätte ich mir die Sahara und den sich im Süden anschließenden Dschungel zumindest aus der Luft angeguckt. So muß ich mich mit den letzten zwei Stunden begnügen, in denen es schon wieder hell ist.

Bei der Landung bin ich verblüfft, wie wenig Probleme mir meine Ohren machen. Und daß, obwohl ich gerade ein wenig erkältet war, und damit gerechnet hatte, ziemliche Ohrenschmerzen zu kommen. Später wird mir klar, warum das nicht passiert: Windhoek liegt in einer Höhe von fast 1.800 m über NN, das Flugzeug braucht also gar nicht so tief runter zu gehen, wie wenn es z. B. in Hamburg landen würde, und wir erreichen gar nicht die Schichten, in denen die Luft so dicht es, daß es den Ohren Probleme macht!

Jetzt stehen wir an einer Tankstelle in Okahandja, einer Namibianischen Kleinstadt nördlich von Windhoek und versuchen Ersatz- Keilriemen zu kaufen. Aus einem Radio in der Tankstelle singt kein anderer als Manic Street Preachers James Dean Bradfield If You Tolerate This, Your Children Will Be Next .

Heike und Bettina, Ansgar und ich sind seit 24 Stunden hier. Die Ankunft war etwas enttäuschend, es war bewölkt und verblüffend kalt. Gar nicht so, wie ich mir Afrika vorgestellt hatte! „Aber,“ wird uns später versichert, „das war das reine Ausnahmewetter. Auch alle Windhoeker waren völlig verblüfft über diesen Kälteeinbruch!“ Na, dann ist ja gut!
 
 

Freitag, 17.11.2000
Heikes Freund Christian mit Sohn Erik holt und vom Flughafen ab. Wir laden Bettinas und mein Gepäck bei Familie Steiner ab, wo wir übernachten. Hier steht auch ein  Großteil der Ausrüstung, die wir mitnehmen wollen.

Aber zunächst geht’s weiter zu Christian und Familie. Seine Frau Heike erwartet uns schon, Tochter Kaja ist noch im Kindergarten. Zwei große Rhodesian Richbacks – Julius und Sukoy –  und ein kleiner schwarz-weißer Hund – Hanna – begrüßen uns. Heike ist Goldschmiedin und mir sofort super sympathisch.
Heike und Ansgar haben heute einiges zu erledigen: Unser Auto muß abgeholt werden. Es hat vier neue Reifen bekommen, für die aber noch keine Kostenübernahmeerklärung der Uni Würzburg vorliegt. Das muß organisiert werden. Dann kauft Heike detaillierte und groß-maßstäbige Landkarten der Gegend, in die wir fahren werden, die sie für ihre Geländearbeit braucht.

Bettina und ich gehen währenddessen in die Windhoeker City. Ich kaufe ein langärmeliges T-Shirt und ein Kopftuch, weil ich beides vergessen habe. In einem Schuhladen entdecke ich meine englischen Lieblingsschuhe, habe aber kleine Kreditkarte dabei, um sie kaufen zu können. Wäre ja praktisch, würde mir eine Reise nach England ersparen. (Obwohl, ob das so ein gutes Sparvorhaben ist, bin ich auch nicht sicher...). In einer Apotheke kaufen wir für Heike und Ansgar noch Malariaprophylaxe. Ich bin sehr amüsiert, wie durcheinander die Menschen hier tatsächlich sprechen. Ein Teil der Bevölkerung – unter anderem der Apotheker – spricht ganz selbstverständlich deutsch, ein Teil der Bevölkerung verständig sich auf Afrikaans, ein weiterer Teil spricht Englisch, viele Farbige sprechen ihre eigenen Sprachen. Und das ist nicht etwas nach Gegenden oder nach Arm und Reich aufgeteilt, sondern läuft ziemlich wild durcheinander. Die meisten Windhoeker scheinen ein Auge dafür zu haben, wer wohl welche Sprache sprechen könnte, denn uns wird mehrmals direkt auf deutsche geantwortet, obwohl wir die Unterhaltung auf Englisch begonnen hatten.

Bei Heike und Christian treffen wir uns alle zum Mittagessen wieder. Es gibt eine verflixt leckere Zwiebel-Blumenkohl-Dill-Suppe.

Danach machen Heike und Ansgar ein Schläfchen. Ich will mir doch noch die Schuhe kaufen und gehe noch einmal in die Stadt. Bettina bleibt bei Heike, geht mit ihr Einkaufen.

Später suchen wir alle bei den Steiners unsere Ausrüstung zusammen. Familie Steiner hat ein sehr großes Haus und Grundstück, und hat irgendwann dem Würzburger Geologen-Graduiertenkolleg angeboten, nicht nur ein Auto bei ihnen unterzustellen, sondern auch Teile der Ausrüstung der acht oder neun Graduierten bei sich zu lagern. Jetzt müssen wir aus dem vollen Raum nur noch das raussuchen, was wir brauchen werden.

Und das ist:
- 2 Zelte
- 2 Zeltunterlagen
- 4 Stretcher (Liegen)
- 4 Isomatten
- 2 Moskitonetze
- 2 Stühle
- 2 Ersatzreifen
- 1 Poijkie (grußeiserner, dreibeiniger Kochtopf, der direkt ins Feuer gestellt werden kann)
- 1 Kochkiste mit Tellern, Tassen, Besteck, Dosenöffner, Kochlöffel, etc.
- 2 x 20 l Benzinkanister
- 3 x 25 l und 1 x 20 l Wasserkanister
 
 .  Alles muß auf Funktionsfähigkeit überprüft und eingepackt werden. Das Auto – ein Toyota Hilux – wird voll, aber nicht zu knapp, denn zu dem oben aufgezählten kommen noch zwei große und eine kleine Kiste, die Heikes Forschungsausrüstung beinhalten, diverse Naturalien, die wir noch einkaufen werden, und unser persönliches Gepäck!

Bis die Sonne gegen 19:00 Uhr untergeht stehen wir am Kofferraum und packen ein, aus, um und wieder ein.

Dann gibt’s bei Heike und Christian einen traditionellen Braai. Das ist eigentlich nichts weiter als Grillen, klingt aber viel besser! Heike verwöhnt uns mit Rinderfilet, das sie mit viel Öl in einer riesigen Pfanne über einem großen Feuer im Garten grillt. Als das Fleisch gar ist, macht sie mit Ananas und Sweet Chutney eine superleckere Soße. Dazu gibt’s Salat, Brot und mega Knoblauchbutter (50 g frischer Knoblauch auf 250 g Butter!) und viel Bier.

Heikes Freundin Renate, die auch mit braait, erzählt lange lustige Geschichten, und verführt mich noch zu ziemlich viel Sekt...

Leicht angeschäkert fährt Renate Bettina und mich gegen Mitternacht rüber zu den Steiners. Leider kann ich total schlecht schlafen, und verbringe einen Großteil der Nacht mit Rumwälzen und Lesen.
 
 

Samstag, 18.11.2000
Um 8:00 Uhr hat Frau Steiner und ein Frühstück bereitet. Mit lecker Ei, Müsli, Brötchen u. s. w. Heike und Ansgar wollen uns um 8:45 Uhr abholen, kommen um 9:15 Uhr.  Wir laden unseren Privatkram in das eh schon gut volle Auto und los geht’s: Einkaufen.

Der starke Mann bewacht das Auto, die emsigen Frauen gehen shoppen.

Was wir kaufen?
- 2 Weißhöhle
- 5 kg Kürbisse (Butternut und Gamesquash)
- 3 kg Äpfel
- 2 Gurken
- 2 kg Zwiebeln
- 1 kg Tomaten
- 500 g Knoblauch
- 2 Zitronen
- 3 kg Reis
- 2 kg Nudeln
- 1 kg rote Linsen
- 4 l Milch
- 1 Packung Schwarztee-Beutel
- 1 Packung Rooibusch-Teebeutel
- 1 Packung Kaffee-Beutel
- 1 kg Mehl
- 3 Dosen Thunfisch
- 2 Dosen Baked Beans
- 2 Dosen Zwiebeln in Tomatensoße
- 3 Dosen Mais
- 3 kg Rusks (Zwieback)
- 1 kg Müsli
- 4 Dosen Bitter Lemon
- 2 Brote
- 4 Salamis
- 1 kg Biltong (Trockenfleisch!)
- Salz, Pfeffer, Gewürze, Brühwürfel
- 12 Rollen Klopapier
- 1 Päckchen Kaugummi
- 1 Feuchtigkeitscrème*
und natürlich:
- 60 l Windhoek Lager!

* Wir werden fast die ganze Zeit auf einer Höhe von bis zu 1.700 m über NN sein, die Luft hier ist nicht nur durch die Hitze trocken, sondern auch durch die Höhe!

Was das kostet? NB$ 800.00 = ca. DM 200,-

Dieser randvoll gefüllte Einkaufswagen muß für uns vier für die nächsten ca. 10 Tage reichen. Ich bin gespannt.

Noch einen kleinen Pinkelstop bei Heike und Christian und dann geht’s wirklich los!

Über die asphaltierte B1 geht’s von Windhoek aus nach Norden. Mehrmals stoppen wir zum Fotografieren, ein Mal, um einem Auto voll Farbiger beim Reifenwechsel zu helfen.

In Okahandja tanken wir beide Tanks des Autos voll. Dann weiter nach Norden. Einige Kilometer nördlich von Okahandja biegen wir von der Teerstraße ab auf Farmwege. Die sind in dieser Gegend meist noch geschottert und recht gut mit bis zu 80 km/h befahrbar. Allerdings verfahren wir uns bald ein wenig und landen auf kleineren Farmpads, die teilweise nur noch Sandpisten sind. Aber dafür sehen wir schon gleich die ersten Tiere: Jede Menge der fast Pferd-großen Kudu-Antilopen mit ihren gestreiften Rücken und ihren bis zu 1,20 m langen, gewundenen Hörnern stehen rechts und links der Straße. Wir fotografieren um die Wette.

Eine Zeitlang sind wir unsicher, auf welcher Straße wir sind, finden uns dann aber bald wieder. Die letzten 100 km bis zum Grooten und Kleinen Waterberg sind wieder geschottert.

Die beiden Wasserberge sind völlig unvermittelt aus der sonst komplett flachen Umgebung herausragende Plateauberge. Der große Waterberg ist einer der Nationalparks Namibias. Auf seinem  großen Plateau sind sogar Nashörner wieder heimisch geworden.

Um 5:30 Uhr kommen wir am Grooten Waterberg im Bernabe de la Bat Resort an. Heike schlägt vor, daß Bettina und ich vor Sonnenuntergang noch schnell auf den Waterberg steigen sollen. Sie und Ansgar bringen uns zum Anfang des kurzen aber steilen Aufstieges (ca. 300 Höhenmeter), den die fitte Bettina und die unfitte Corinna in weniger als 15 Minuten bewältigen.

Oben angekommen werden wir auf einem gemütlichen Stein sitzend mit einem phantastischen Blick auf die gegenüberliegende Kante des Plateauberges und das tief liegende und ganz flache Land unter uns belohnt.
Zwei geführte Gruppen gesellen sich zu uns und einer der Führer – ein Herero – erzählt eine Menge interessantes: z. B. daß schwarze oder Spitzmaul-Nashörner angriffslustiger sind, als ihre weißen Kollegen die Breitmaul-Nashörner. Grund dafür ist die unterschiedliche Art der Kühe, ihre Kälber zu führen. Beim weißen Nashorn läuft das Kalb vor der Mutter. Sieht das Kalb einen Menschen, erschrickt es sich und rennt weg. Die Mutter, die ihr Kind nicht verlieren will, rennt dem Kalb hinterher, ohne sich weiter um den Grund der Panik – den Menschen – zu kümmern.

Beim schwarzen Nashorn läuft das Kalb hinter der Kuh her. Hier entdeckt also die Mutter zuerst den Menschen. Auf Grund ihrer Lebenserfahrung erschrickt sie nicht, sondern bereitet sich auf einen Angriff vor. Sie wartet, bis ihr Kalb ganz dicht an sie herangekommen ist, dann greifen beide gemeinsam den Menschen an!

Nach einer ¾ Stunde gehen wir ähnlich schnell wieder ins Tal. Das ist auch nötig, den gegen 18:40 Uhr finden Bettina und ich im letzten Tageslicht nur noch mit Mühe den Platz, den Heike und Ansgar zum Übernachten ausgeguckt haben.
 
 .  Die Moskitonetze hängen schon an den Bäumen, die Stretcher darunter sind schon aufgebaut, das Feuer brennt.

Heute gibt es noch Frischkost: Steak und Salat. Lecker!
 

 . 

Der Sternenhimmel über uns ist unbeschreiblich! Mit Hilfe von Ansgars Sternenbuch finden wir den Pegasus. Ca. 4.000 weitere Sterne können wir nicht bestimmen...

Wir sind alle müde und so gegen wir schon gegen 22:00 Uhr schlafen. Es ist etwas ungewohnt, so unter freiem Himmel und nur unter einem Moskitonetz zu schlafen, geht aber gut. Ich höre keine furchterregenden Geräusche und schlafe prima ein.
 
 

Sonntag, 19.11.2000
Mit der Sonne stehen auch wir um 6:00 Uhr auf. Zum Frühstück gibt es noch frischen Joghurt, mit oder ohne Müsli. Wir packen gemütlich, sind aber trotzdem um 8:00 Uhr on the road.

Wir fahren am Grooten Waterberg entlang Richtung Osten, sehen ein paar Impala  Antilopen und eine Schildkröte, die verblüffenderweise gemächlich über die Schotterstraße tappert. Ich bin erstaunt, in dieser Gegend eine Schildkröte zu sehen. Ich meine, ich hatte mir noch nie darüber Gedanken gemacht, wo Schildkröten eigentlich leben, aber mitten in eine Trockensavanne hätte ich sie nicht gepackt...

Nachdem wir an Rietfontein vorbei gefahren sind, gibt es in Richtung Grootfontein sogar noch einmal eine geteerte Straße. In Grootfontein tanken wir noch einmal komplett voll, jetzt füllen wir auch die beiden Reservekanister, denn langsam kommen wir an die „Grenze der Zivilisation“ und so schnell werden wir nicht wieder an einer Tankstelle vorbei kommen.

Von Grootfontein aus sind dann nur noch wenige Kilometer in Richtung Rundu, bis Heikes Probensammelgebiet beginnt. Entlang einer unterirdischen Wasserscheide hat Heike sich eine ganze Reihe von Farmen herausgesucht, aus deren Brunnen sie Wasserproben entnehmen und zu Hause in Würzburg analysieren will.

Damit die Farmen hier in dieser kargen Gegend ihre Bewohner überhaupt ernähren können, sind sie riesengroß. Viele der Farmen sind 10 x 10 km. Auf ihnen steht in der Regel nur ein einziges Haus, in dem die meist weiße (deutsch-stämmige oder burische) Farmerfamilie lebt. Bewirtschaftet wird die Farm von einer Gruppe farbiger Landarbeiter, in dieser Gegend hauptsächlich Buschmänner, die hier früher, bevor Europäer ins Land kamen, heimisch sind.

Ackerbau kann man in dieser Gegend des Landes in der Regel nicht betreiben. Auf manchen Farmen lohnt es sich ein kleines Stück Land zu bewässern, auf dem dann Mais oder einheimisches Getreide angebaut werden kann. Die meisten Farmer leben aber entweder, weil sie ihre Farm als Jagd- & Gästefarm zur Verfügung stellen, und mit ihren Gästen Antilopen jagen, oder als Rinderzüchter. Die Rinder können sich meist frei über die ganze Farm, oder zumindest einen Großteil des Geländes bewegen, sind aber oft in der Nähe des Brunnen, also der Wasserstelle und Tränke anzutreffen. Oft sind die Farmen durch hohe und mit deutscher Präzision gezogene Zäune unterteilt. Sie sind in der Regel mit einem breiten Tor versehen, daß zwar so verriegelt ist, daß die Rinder das Tor nicht aufbekommen, sie sind aber meist nicht verschlossen, und es ist völlig in Ordnung, wenn sich auch Fremde auf der Fahrt über die Farmen diese Tore öffnen.

Als Regel gilt logischerweise: Steht ein Tor offen, läßt man es auch offen, ist es geschlossen, macht man es hinter sich wieder zu.
 
Heike ist übrigens schon seit unserer Landung in Windhoek völlig verblüfft, wie grün sich ihr das Land präsentiert. Es ist anscheinend mit ihren letzten Besuchen nicht zu vergleichen. Das liegt daran, daß nach jahrelanger Trockenheit und Dürre die letzte Regenzeit endlich einmal wieder ergiebig war. Das Land ist aus seinem Trockenschlaf erwacht, überall grünt und blüht es!  . 
Ein Baum voll Webervogelnester.

Auf der Such nach einem Windrad, das klassischerweise einen Brunnen markiert und bepumpt, fahren wir eine als öffentlichen Pad (der Namibianischen Bezeichnung für einen kleinen meist nur aus einer sandigen Spur bestehenden Weg) ausgewiesenen Schotterweg entlang. Wir haben Glück und treffen nach kurzer Zeit auf eine burische Familie, die gerade ihre Rinderherde versorgt. Sie sind bereit, uns den Weg zu ihrem Brunnen zu zeigen, den wir alleine nie gefunden hätten. Besser noch, sie nehmen uns auch noch mit zu ihrem Farmhaus, wo wir einem zweiten Brunnen eine Probe entnehmen können. [Probe (1) – Farm Nr. 726 – Malta].
 
Eine glückliche Rinderfamilie auf der Farm Malta.
Heike entnimmt am Wasserreservoir neben dem Brunnen eine Probe...
... und analysiert sich gleich vor Ort.

Zwei Test nimmt Heike gleich an Ort und Stelle vor: Zum einen untersucht sie den PH-Wert der ca. 100 ml umfassenden Wasserprobe, denn dieser Wert könnte sich durch den langen Transport, dem das Wasser noch bis nach Würzburg bevor steht, und die teilweise sehr hohen Temperaturen, denen das Wasser in dieser Zeit ausgesetzt sein wird, verändern. Der zweite Test gilt der Leitfähigkeit des Wassers. Mit Hilfe eines kleinen Gerätes kann Heike messen, wie viele Ionen in der Wasserprobe sind. Die Anzahl der Ionen gibt Aufschluß über die Menge der im Wasser vorhandenen Stoffe. Der Leitfähigkeitstest sagt uns, bzw. Heike zwar noch nicht, welche Stoffe in dem Wasser vorhanden sind, und in welcher Menge, bzw. welchem Verhältnis zueinander sie vorkommen, aber es gibt immerhin schon mal ein Information darüber, wie viele Stoffe insgesamt in der Wasserprobe enthalten sind.

Ist dieser Wert im Labor in Würzburg nicht mehr identisch mit dem Wert, den Heike hier vor Ort mißt, weiß sie, daß sich die Probe durch den Transport in irgendeiner Weise verändert hat.

Diese beiden Tests dauern jeweils nur wenige Minuten, aber in der hier herrschenden Hitze und unter der sengenden Wüstensonne, muß man auch bei nur wenigen Minuten schon aufpassen, daß man sich keinen Sonnenbrand oder Sonnenstich holt. Vor allem Heike, mit ihrer hellen Haut, ist gefährdet.
Die nächste Probe können wir direkt an einem Brunnen an der Straße entnehmen, hier es gar nicht nötig, den Besitzer der Farm zu finden, und ihn zu informieren, denn gegen eine harmlose Wasserprobe kann ja keiner was einzuwenden haben. [Probe (2) – Farm Nr. 543 (?) – Kokasib]

Bei der dritten und vierten Probenstelle landen wir wieder auf einer Farm, diesmal bei einem deutschen Farmer, der uns danach auf ein Glas Zitronenlimonade einlädt, und Heike einige Wasserfragen stellt. [Probe (3) und (4) – Farm Nr. 543 Kokasib, Herr Siegmund]

Ich bin etwas verwirrt, wie zurückhalten, fast abweisend uns der Farmen empfängt. Zuerst bekommen wir (oder zumindest ich) den Eindruck, fürchterlich zu stören, trotzdem werden wir eingeladen, uns zu ihm auf die Terrasse zu setzen. Sitzen wir dann einmal, dauert es fast Stunden, bevor es zu einer Unterhaltung kommt. Der Farmer stellt ein paar kurze Fragen, Heike gibt einsilbige Antworten. Ich habe das Gefühl, daß die beiden sich zuerst ausführlich beschnuppern wollen, bevor sie Informationen preisgeben.

Bei Besuchen auf weiteren Farmen stelle ich in den nächsten Tagen aber fest, daß das anscheinend hier oft so ist. Die Menschen leben vermutlich so einsam auf ihren Farmen, und haben so wenig Kontakt zu anderen Menschen, daß sie sich einfach erst ein wenig eingewöhnen müssen, wenn plötzlich vier junge Deutsche bei ihnen auf der Terrasse sitzen.

Trotzdem bleiben wir weit über eine Stunde auf der schattigen Terrasse unter den wunderschön rot und lila blühenden Bäumen sitzen und genießen die Kühle und die Limonade. Ganz unwillkommen scheinen wir also nicht zu sein.

Das zeigt sich auch daran, daß Herr Siegmund nach und nach immer mehr Unterlagen holt, die er von früheren Wassertests seiner Quellen aufgehoben hat. Er ist auch jetzt sehr daran interessiert, von Heike eine Wasseranalyse geschickt zu bekommen. Einen Gefallen, den Heike ihm sicher wird tun können!
Die fünfte Probe kommt von einer Farm, die total verfallen ist und auf der wir nur Farbige treffen, die ohne Ansgars Beisein uns niemals eine Probe hätten entnehmen lassen. [Probe (5) – Farm Nr. 319 – Gobasib]

Für Probe Nummer sechs stören Heike und Ansgar einen Basballguckenden Gläubigen, auf der bisher am wohlhabendsten aussehenden Farm. Er ist nicht sehr begeistert über diese Sonntag-Nachmittägliche Störung, läßt Heike aber trotzdem eine Probe aus seinem Brunnen entnehmen. [Probe (6) – Farm Nr. 278 – Waldkoppel]

Probe Nummer sieben können wir wieder direkt an der Straße entnehmen und müssen dabei nur um ein paar Rinder herumstapfen. [Probe (7) – Farm Nr. 763 – Baden]

Probe Nummer acht nehmen wir auf einer gleichermaßen schicken, wie verbarrikadierten Farm, wo ich einen Go-Away-Vogel sehe und höre. [Probe (8) – Farm Nr. 897 – Tardnaki] Hier, wie auch schon auf einigen der vorherigen Farmen, läuft die Pumpe nicht. Heike braucht für ihre Analyse aber frisch aus dem Grund gepumptes Wasser. Es ist also unerläßlich, daß die Pumpe angestellt wird. Und dazu wiederum braucht man den Farmer, oder zumindest einen seiner farbigen Farmarbeiter, der so gut Englisch kann, daß er kapiert, was wir von ihm wollen. Das ist nicht immer ganz einfach, und auf dieser Farm haben wir damit die bisher größten Schwierigkeiten.

Als wir ankommen sind der Farmen und seine Familie nicht zu Hause. Vermutlich sind sie in der Kirche. Wir finden zwar einen seiner Arbeiter, können ihm aber nicht verständlich machen, was wir wollen. So vergeht eine ganze Weile.

Schließlich fahren kurz nacheinander zwei Autos auf das Farmgelände. In dem zweiten sitzen der Farmen und seine Familie, und jetzt wird die Kommunikation etwas einfacher.
 
 .  Allerdings muß nun auch noch die Pumpe in Gang gesetzt werden, und daß kann wieder eine ganze Weile dauern. Wird die Pumpe nicht mehr durch ein Windrad angetrieben, sorgt in der Regel ein Dieselmotor für die nötige Energie, um das Wasser aus einer Tiefe von bis zu 100 m an die Oberfläche zu ziehen. Und eben dieser Dieselmotor muß in Gang gesetzt werden. Das ist teilweise nicht so einfach, weil auch die Motoren oft nicht mehr die jüngsten sind, und erst nach einigem guten Zureden oder einer mittleren Kraftaufwendung zum Anspringen gebracht werden können.

Last but not least muß das Wasser dann auch noch einige Minuten laufen, bevor Heike ihre Probe nimmt, damit sie sicher sein kann, daß sie auch wirklich frisch gepumptes Wasser mitnimmt, und nicht etwas solches, das schon seit Tagen oder Wochen in der Leitung gestanden hat.

Ist also alles nicht so ganz einfach. Ich finde es aber ziemlich spannend.

Für mich ist es immerhin das erste (und vermutlich auch einzige) Mal, daß ich die Gelegenheit habe, an einer Forschungsreise teilzunehmen. Ich finde es sehr interessant, mal mitzubekommen, wie so eine praktische Doktorarbeit entstehen kann. Folglich stelle ich Heike auch an die 10.000 Fragen – was ihr manchmal auch ein wenig auf den Keks geht – aber da hatte ich sie schon lange vor Antritt der Reise vor gewarnt!

Für eine weitere Wasserprobe fahren wir das erste Mal auf einer richtigen Sandpad. Die Strecke ist wesentlich länger, als es auf Heikes Karte aussieht, und als wir das Farmhaus endlich gefunden haben, sind die Besitzer nicht da, die Pumpe kaputt und die farbigen Farmarbeiter wenig hilfsbereit.
Auch der Weg zurück auf die Hauptstraße ist mühsam und teilweise nur durch die parallel verlaufenden Telefonleitungen als der richtige Weg zu erkennen.

Allerdings fahren wir die ganze Zeit noch nur mit Zweiradantrieb, für den Vierradantrieb ist die Strecke noch nicht schlecht, bzw. sandig genug!

Als wir endlich wieder auf der Straße sind, sehen wir zu, daß wir so schnell wie möglich zu Roy’s Rest Camp auf der Farm Elandslaagte kommen, denn es wird Dunkel und bei Dunkelheit sollte man hier – ob der über die Straße springenden Tiere – nicht mehr Auto fahren. So haben wir leider auch keine Zeit, ein am Straßenrand grasendes Warzenschwein zu fotografieren. „Es wird nicht das letzte sein, das wir sehen werden,“ versichert mir Heike.

Das Camp ist schnell erreicht und ein kühles Bier wartet schon im Kühlschrank hinter der Open Air Bar.
Wir klönen mit Arno, dem Inhaber des Rest Camps, der uns erzählt, daß seine Besucherzahlen in den letzten ein bis zwei Jahren um 70 – 80 % zurückgegangen sind. Grund dafür sind die Unruhen im Caprivistreifen, die die Touristen abhalten. Die Namibianische Regierung hat der Angolanischen Armee gestattet, die Rebellen auch jenseits der Landesgrenze – also auf Namibischem Territorium – zu jagen, so daß man zur Zeit nördlich von Runde nicht ohne Militärschutz unterwegs sein darf. Nicht gerade Tourismus-fördernd...

Während wir noch an der Bar sitzen, kommen vier Eland-Antilopen – die größte aller Antilopen-Arten – an die direkt vor dem Haus liegende Tränke. Leider ist es schon ein wenig zu dunkel, um gute Fotos machen zu können, aber beobachten kann man sie noch wunderbar.
 
Das Abendessen wird im Poijkie - einem traditionellen, dreibeinigen, gußeisernen Topf gekocht...
... den man auch direkt ins lodernder Feuer oder in die heiße Glut stellen kann! Meistens gibt es Eintopf!

Der Zeltplatz ist – wie auch schon der am Waterberg – sehr komfortabel mit Feuerstelle, überdachtem Tisch und Bänken, Toiletten, warmen (!) Duschen und Rasen, auf dem man die Zelte aufbauen kann.
Wir sind alle extrem hungrig – Bettina und ich sind es nicht gewöhnt, den ganz Tag über nichts zu essen – also kocht Heike schnell ein Kürbis-Risotto und wir hauen uns lecker die Bäuche voll. Danach sind wir entsprechend faul und machen und fix daran, zu Bett zu gehen.

Bettina und ich tragen einen längeren Kampf mit unserem Moskitonetz aus, das nicht besonders groß ist, und – wenn es nicht tief genug hängt – nicht wirklich um beide Stretcher herum paßt. Daß es heute nacht recht windig ist, und das Netz von allen Seite gegen uns weht, macht die Sache nicht einfacher.

Trotzdem schlafe ich ganz schnell ein.
 
 

Montag, 20.11.2000
Ich habe ganz prima und fest geschlafen – ich hätte sogar noch länger schlafen können, und bin in der Nacht kein einziges Mal aufgewacht. Das finde ich schon erstaunlich, denn so ein Experte im unter-freiem-Himmel-mitten-im-Busch-schlafen bin ich nun wahrlich nicht. Aber ein Schlafkünstler! Wat für’n Glück!

Wir frühstücken ein bißchen und folgen dann ca. 30 Minuten einem extrem gut markiertem und ausgeschildertem Trail über die Farm, sehen eine überhaupt nicht scheue kleine Antilope – vermutlich ein Digdig – große Warzenschweinlöcher, noch größere Termitenbauten und eine knapp ausgetrocknete Quelle.

Auf dem Gelände des Camps entnehmen wir dann gleich unsere erste Probe des Tages und fünf Kilometer weiter und immer noch zu der Farm gehörend eine zweite Probe aus einem Tank, der stinkt. [Proben (9) und (10) – Farm Nr. 917 – Elandslaagte] Arno hatte uns gebeten, den Grund für den unangenehmen Geruch dieser Quelle zu erforschen, und unsere Geologen sind sich sofort einig, was hier Ursache sein könnte. Ich habe es leider vergessen...

Danach wird die Suche etwas schwieriger. Wir fahren von der Hauptstraße hinunter und eine lange Pad hinein, der so sandig ist, daß wir das erste Mal den 4x4 (fo-by-fo, wie die Namibier sagen) reinlegen. Aber außer einigen wirklich beeindruckend großen schwarzen Riesenkäfern finden wir nichts; jedenfalls kein Farmhaus oder eine Wasserpumpe. Also zurück auf die Hauptstraße.

Das nächste Tor ist erfolgreicher. Es führt auf eine Farm, wo uns ein burisches Ehepaar sozusagen mit offenen Armen empfängt. Das ältere Ehepaar bietet uns sofort Limonade an und zeigt uns den Garten, in dem die meisten Bäume unter zu viel Kalk im Boden leiden und im unteren Teil ganz weiße Stämme haben. Wir sitzen lange auf der Terrasse.

Die Frau erzählt uns, da der GoAwayVogel nicht nur Tiere, sondern auch Menschen warnt, „vor Schlangen zum Beispiel.“ Jetzt warnt uns der GoAwayVogel aber vor etwas ganz anderem: Vor einem plötzlich heranrauschenden und mit ziemlich viel Wucht über uns hinwegfegenden Sandteufel! (Eine kleine und völlig ungefährliche, aber nervende Sand-Windhose.) Wer hätte das gedacht?! „Aber vor Schlange warnt der Vogel uns auch,“ erzählt das Ehepaar uns. „Kommt mit,“ schlägt der Mann vor, „ich zeige Euch, wo sich manchmal eine Schlange versteckt.“ Er führt uns zu einem Baum, in dem ein Specht ein Loch gehackt hat. „Dort drinnen halten sie sich manchmal auf.“

Plötzlich zeigt er auf einen anderen Baum: „Und dort, in dem Loch, ist gerade eine Schlange! Sehr ihr?“ Wir sehen. „Das ist eine Baumschlange. Die sind sofort tödlich. Bleibt, wo ihr seid,“ sagt er uns geht schnell ins Haus. Wir bleiben in gebührender Entfernung stehen, und beobachten den kleinen Schlangenkopf, der ab und an aus dem Spechtloch hervorlugt. Mir wäre das nie aufgefallen, und ich hätte auch Schwierigkeiten gehabt, das sich bewegende Etwas als eine Schlange zu identifiziere, aber zum Glück sind wir ja nicht alleine hier. Der Farmer ist sofort wieder bei uns. Er hat eine Flinte mitgebracht, die er jetzt anlegt, zielt und sofort schießt. Der erste Schuß geht direkt neben das Loch. Es ist nicht so ganz klar, ob die Schlange etwas von dem Schuß abbekommen hat, oder nicht. Eine Weile lang sehen wir nichts, aber dann zeigt sich der Schlangenkopf wieder hinter dem Loch. Sie ist also nicht getroffen. Der Farmer zielt erneut, schießt, und trifft diesmal die Schlange, die daraufhin auf Nimmerwiedersehen im Loch verschwindet.

Das war spannend!

Irgendwann wird dann auch mal die Pumpe angestellt – der eigentliche Grund unseres Besuches. Aber sie braucht ca. zehn Minuten zum Hochpumpen des Wassers. [Probe (11) – Farm Nr. 906 – Kiaat, Familie Hattingh] In der Zwischenzeit trinken wir Kaffee und Tee und essen Kekse. Vor allem die Farmerin hat einen Narren an uns gefressen, zeigt uns ihr komplettes Haus und alles Mobiliar, und würde um am liebsten gleich bis morgen hier behalten – oder mindestens noch auf einen Sandwich, den wir aber dankend ablehnen.
 
 .  Statt dessen fotografiere ich heimlich die grün umhäkelte Klobrille (!!!).

Wir hören auf dieser Farm viel politisches über Namibia und Süd-Afrika, das ich hier lieber nicht wiedergeben will, weil ich mit meiner politischen Unbildung sicher eh alles durcheinander bringen, und mich schrecklich blamieren würde.

Dank der Farmer auf Farm Kiaat haben wir für die nächsten beiden Farmen, bzw. deren Wasserstellen, perfekte Anfahrtseschreibungen.

Die Farm der zwölften Probe heißt Spoor und ist eine der wenigen Farmen, die von einem Herero-Farmer Namens Noah bewirtschaftet wird. [Probe (12) – Farm Nr. 905 – Spoor] Die Probe ist schnell geholt, Bettina und ich bleiben am Auto und klönen mit Noah, während Heike und Ansgar mit einem der Farmarbeiter zum Brunnen gehen.

Und gleich geht’s weiter: Über eine quer von Farm zu Farm und parallel zur Hauptstraße verlaufende Pad gelangen wir auf die nächste Farm: Die Kalaharikroon, auf der wir unsere 13. Probe bekommen. [Probe (13) – Farm Nr. 1004 – Kalaharikroon]
 
 
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Kinder, Hunde -
bitte alles aufsteigen!
Der burische Farmer fährt auf seinem Pickup vor uns her zum Brunnen. Auf der Ladefläche des Autos fahren sein Sohn, zwei farbige Jungs und fünf kleine Mischlingshunde mit! Dieses ist die erste – und es bleibt auch leider die einzige – Farm, auf der ich das Gefühl hatte, daß der Farmer und seine Arbeiter zumindest versuchen, miteinander zu leben. Ich bin sicher, daß es oft schwierig ist, die unterschiedlichen Lebensauffassungen, –einstellungen und –stile miteinander in Kontakt zu bringen, aber Anfang des 21. Jahrhunderts hatte ich schon gedacht (gehofft?), daß ein gleichberechtigteres Miteinander möglich sein müßte.

Ist es meistens leider nicht.

Auf der Kalaharikroon ist die Welt offensichtlich mehr in Ordnung, als sonst in Namibia. Hier spielen die weißen Farmer-Kinder ganz ungezwungen mit den farbigen Kindern der Farmarbeiter. Sie tragen die gleiche Kleidung, laufen alle Barfuß, und man hat nicht den Unterschied, daß sie verschieden behandelt werden.

Zu allen Farmhäusern gehört eigentlich immer ein kleines Dorf mit den Häusern der Farmarbeiter, die meist nicht mehr als Strohhütten oder einfachste Wellblechbauten sind. Fast immer stehen oder sitzen ein bis zwei Frauen vor den Hütten und eine ganze Schar kleiner und fast gleichaltriger Kinder wuseln um sie herum. Zehn Kinder sind es meistens, zwanzig sind auch keine Seltenheit. Auf den meisten Farmen ist der Unterschied zwischen dem Haus der Farmer, das keinen Luxus entbehrt, und in der Regel mit Strom, fließend Wasser, Telefon, oft sogar Satelliten-Fernsehen ausgestattet ist, und den Hütten der Farbigen wirklich erschreckend.

Auch auf der Kalaharikroon kommen wir an einem Dorf der Buschmänner, die auf dieser Farm arbeiten vorbei, es sieht aber längst nicht so armselig und heruntergekommen aus, wie die auf einigen der anderen Farmen, die wir jetzt schon gesehen haben.

Mir gefällt es hier!

Auch der Weg zur nächsten Farm führt praktischerweise nicht über die Hauptstraße, sondern quer-Farmein. Auf der Farm Venenatum wohnt der Onkel des netten Farmers der Kalaharikroon. Zuerst finden wir ihn nicht, und seine Farmarbeiter kapieren nicht, was wir wollen. Aber dann können sie uns doch immerhin sagen, wo ihr Chef ist, und so kommen wir zu zwei weiteren Wasserproben. [Proben (14) und (15) – Farm Nr. 1005 – Venenatum], die gleichzeitig auch schon die letzten beiden Proben, die Heike aus dieser Gegend (von dieser Wasserscheide) braucht, darstellen.

Na, das hat ja alles schnell und unkompliziert geklappt. Auch Heike ist zufrieden.

Wir fahren zurück auf die Hauptstraße und weiter in Richtung Tsumkwe.

Nach der letzten Farm müssen wir durch einen Veterinär-Kontrollzaun, der die Maul- & Klauen-Seuche, die außerhalb des Farmlandes grassiert, unter Kontrolle, bzw. von den Farm-Rindern fern halten soll.
Hinter diesem Zaun beginnt das Buschmannland. Hier ist das Land nicht mehr in Farmen aufgeteilt, sondern für alle (Buschmänner), die hier leben, frei zugänglich. Ab hier besteht theoretisch auch die Chance, wilde Tiere zu sehen. „Hier noch nicht,“ weiß allerdings Heike, „erst ab in so ca. 150 km.“
Wir fahren noch eine kleine Weile, dann sehen wir im Flußtal des Omatako das Omatako Buschman Camp, in dem wir heute übernachten wollen. Der Oamatako ist allerdings gar keine richtiger Fluß, sondern eine sogenannte Omuramba, bzw. ein ephemerer Fluß, der – im Gegensatz zu saisonalen Flüssen, die in jeder Regenzeit Wasser führen – nur nach extrem starken und lange andauernden Regenfällen zu fließen beginnt.

Das Camp liegt direkt an der Straße. Unten bei der Toreinfahrt stehen mehrere meist runde, aus groben Steinen gebaute Hütten mit Strohdächern – typische Buschmann-Hütten. Dies ist der Verwaltungstrakt des Camps. Hier gibt es ein Office, einen Souvenirshop, eine Hütte, in der cool (nicht cold!) Drinks gelagert werden, ein kleines Klo- & Duschhaus und mehrere schattenspendende Unterstände.

Eine ganze Schar kleiner Kinder kommt sofort zu uns gerannt, als und Christian, der entweder 16 oder 19-jährige und verblüffend gut Englisch sprechende Chef des Camps das Tor öffnet.

Er (er-) kennt Heike noch von ihrem letztjährigen Besuch und freut sich, sie wieder zu sehen. Mehr noch, als sie sofort ein paar Fotos, die sie im letzten Jahr gemacht hat, hervorholt und ihm schenkt.

Ich bin völlig fasziniert von der Sprache der Buschmänner. Ich hatte ja schon gehört, bzw. gelesen, daß die Sprache der Buschmänner neben den uns mehr oder weniger bekannten Vokalen und Konsonanten noch über zwanzig verschiedene Klack-Laute beinhaltet. Jetzt höre ich diese Laute das erste mal. Sie sind – wie Vokale und Konsonanten – einfach Bestandteil der Worte, und es macht den Buschmännern keinerlei Schwierigkeiten ein Wort auszusprechen, das sich in unserer Sprache ungefähr Gr-klack-akark schreiben würde.

Christian fordert uns zwischendurch mal auf, seinen probehalber seinen Buschmann-Namen – der natürlich nicht Christian ist – auszusprechen, und muß über unsere scheiternden Versuche herzlich lachen! Es gibt sogar ganze Worte, vielleicht sogar Sätze, die nur aus Klack-Lauten bestehen. Einmal habe ich das Gefühl, daß „OK“ oder „ist gut“ in der Sprache der Buschmänner tatsächlich so was ähnliches wie „Klick-klack“ heißt!

Die Buschmänner haben sogar eine Möglichkeit gefunden, diese Klack-Laute zu schreiben: Sie bedienen sich dabei unserer Satz- und wie-heißen-die-denn-eigentlich-Zeichen: / \ - ! ? u. s. w. Wie würde ein Buschmann also so manchen Internet-Adresse aussprechen?! http://www.fury/~athome Vermutlich kein Problem!

Wir klönen eine Weile, aber überraschenderweise ist dann Christian derjenige, der verkündet, daß er jetzt keine Zeit mehr hat: Er uns seine Familie (also sozusagen sein Dorf) sind mit einigen Buschmännern aus dem Nachbardorf zum Volleyballspielen verabredet! Ich muß lächeln, daß ausgerechnet Volleyball offensichtlich Einzug in die Welt der Buschmänner geschafft hat. Ob es vielleicht bei den Olympischen Spielen 2004 nicht nur ein paar Naimibische Leichtathleten, sondern auch eine Namibische Volleyballmannschaft geben wird? Wir fahren also einen kleinen Weg hoch zu dem eigentlichen Campground. Der besteht allerdings auch nur aus einer freien, sandigen, leicht abschüssigen Fläche, auf der kleine Bäume stehen, an denen man gut die Moskitonetze befestigen kann. Es gibt zwei oder drei Feuerstellen, einen Wasserhahn und eine Open Air Dusche und das war’s dann auch schon.

Es wird schon wieder dunkel und Bettina und ich bauen schnell unsere Stretcher und die Moskitonetze auf, damit wir nicht die gleichen Probleme bekommen, wie letzte Nacht. Wir hängen das Netz jetzt viel tiefer auf, und damit ist das Problem an sich auch schon behoben.
 
Heike bereitet schon wieder das Abendessen vor: Möhren und Kohl-Risotto. Wir essen gemütlich, trinken jeder zwei der raffiniert mit befeuchtetem Klopapier umwickelten und im Wind gekühlte Bier, sehen zwei gelbe Reisenspinnen und sind danach auch schon wieder müde. Ich dusche noch fix und dann ab in die Heia!  .  .
So kühlt man Bier!

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