HISTORISCHE GEBÄUDE
Nürnberg, Serenadenhof am Sonntag, den 6. Juli 2003

Als ich morgens so gegen 5:00 Uhr mal kurz aufwache und aus dem Fenster gucke, wundere ich mich etwas, denn das, was ich sehe, kommt mir irgendwie bekannt vor: Das sieht hier doch genau wie das Nürnberger Messegelände aus. Wieso ist Olaf – unser Busfahrer – gerade dabei hier einen Parkplatz für den Bus zu suchen? Liegt der Serenadenhof nicht mitten in der Innenstadt von Nürnberg?
Ich stehe rauf und gehe runter zu Olaf: „Nein. Ich kann den Serenadenhof zwar gerade noch nicht finden, aber die Adresse, die ich habe, ist eindeutig hier. Das muss hier irgendwo sein.“ Ich wundere mich etwas, denn hier, in der Nähe des Nürnberger Messegeländes sind doch eigentlich nur die erdrückenden Riesenbauten, die Hitler in seiner Zeit als wahnsinniger Diktator sich selbst zu Ehren hat erbauen lassen: Die Ruinen des baulich an den Pergamonaltar angelehnten Zeppelinfelds, auf dem 1933 – 1935 die Parteitage abgehalten wurden, und das Platz für 70.000 Zuschauer bot, das Aufmarsch- und Demonstrationsgelände Märzfeld und die 2 km lange und 60 m breite Große Straße, auf der die Wehrmacht ihre Paraden abhielt, das Deutsche Stadion und nicht zuletzt der nie komplett fertiggestellte hufeisenförmige Kongressbau, in dem aus Anlass der Parteikongresse der NSDAP 50.000 – 60.000 Leute hätten Platz finden sollen.
Und zwischen all dem soll der Serenadenhof sein? Das kommt mir nicht nur ein wenig unwahrscheinlich, sondern auch ziemlich beängstigend vor. In diese Kulisse soll heute ein fröhlicher Abend mit den Drei ??? statt finden?!

Ich glaube es erst, als wir – mit Kerstins ortskundiger Hilfe – den Bus direkt vor einer Tür, über der das Wort Serenadenhof steht, geparkt haben.

Stromkabel oder Busmotor
Aber es ist ja noch früh, also lege ich mich noch mal eine Weile schlafen.
Olaf und Holger haben währenddessen gleich das erste Problem: Obwohl Holger mehrmals mit dem Serenadenhof telefoniert und den dortigen Mitarbeiter gebeten hatte, ein Stromkabel für den Bus bereit zu halten, ist dieses jetzt nirgends zu finden. Erst nach Ewigkeiten entdecken die beiden das Kabel: In ca. 5 m Höhe hängt ein Stecker aus der Wand! Holger macht sich auf die Suche nach einer Leite, kann aber nirgends eine finden – an das Kabel ist also kein rankommen. Das ist extrem ärgerlich, weil der Bus jetzt die ganze Zeit den Motor wird laufen lassen müssen. Ist der Motor aus und hat der Bus keinen externen Strom und essentielle Dinge wie die Klimaanlage (im Sommer) oder die Heizung (im Winter) können nicht funktionieren. 5 oder 10 Minuten lang ist das kein Problem, aber in diesem Bus sollen ja noch 11 Leute mehrere Stunden schlafen – ohne Klimaanlage undenkbar!
Also bleibt der Motor an, Holger ärgert sich und geht wieder schlafen.

...wenn die Abende immer länger werden...
So gegen 11:00 Uhr werden wir langsam alle wach. Wie auf einer „Nightlinertour“ (wenn es keine Hotel gibt, sondern wir alle im Bus übernachten) nicht anders zu erwarten, werden die Abende immer länger. Meist fahren wir ja so gegen Mitternacht los – die ersten gehen dann so zwischen 1:30 Uhr und 2:30 Uhr ins Bett, die letzten... dazu kann ich nicht viel sagen, weil ich nie dazu gehöre, aber es soll ja schon Tage gegeben haben, an denen die letzten ins Bett gingen, als die ersten gerade wieder aufstanden... ;)

... innen hui!
 

 Der Serenadenhof
Inzwischen ist die Tür zum Serenadenhof offen und in der Tat gibt es hinter diesen mächtigen Mauern einen gemütlichen Innenhof, auf dem Veranstaltungen jeder Art stattfinden können. Es gibt eine geräumige Bühne, im Zuschauerraum davor stehen einige kleine Bäume. Das ganze Gelände wird von mehreren gelben Zeltplanen überspannt, so dass zumindest ein Großteil der Anwesenden regensicher sitzen kann.
Ich hätte nicht erwartet, dass man in dieser Kulisse ein so nettes Venue zaubern kann!

Kalter Kaffee
Ich gehe in die Backstageräume und suche mir einen Kaffee. „Mußt Du mal probieren, ob der schon schmeckt,“ warnt Joachim mich, „ich glaube, der ist noch nicht komplett durchgelaufen.“ – „Noch nicht? Hier sollte es doch schon seit Stunden Catering für uns geben, oder?“ wundere ich mich.
Ja, hier läuft einiges etwas schief. In der Tat war abgesprochen, dass ab 9:00 Uhr jemand hier ist und die Frühaufsteher unter uns mit Kaffee und frischen Brötchen versorgt. Das kann definitiv nicht der Fall gewesen sein, wenn der erste Kaffee jetzt (nach 11:00 Uhr) noch nicht mal komplett durchgelaufen ist...
Auch von Brötchen und Aufstrich ist noch nicht wirklich viel zu sehen.
Ich bin ja eh kein Frühstücker, in sofern ist das mir persönlich ziemlich egal, aber es soll ja durchaus Menschen geben, die beim ersten Sonnenstrahl auch gleich das erste Magenknurren verspüren... Ärgerlich!

Nürnberger City vs. Nationalsozialismus-Museum
Langsam pulen sich auch die letzten aus den Betten und kommen in den Cateringraum gewackelt. Zum Glück kommen dann auch die Brötchen an, so dass keiner verhungern muß.
Die Frage: „Was machen wir jetzt mit dem Tag?“ wird in die Runde gestellt. Kerstin und Conde werden hier bleiben müssen. Heute können wir keine örtliche PA nutzen und in den nächsten Stunden wird ein LKW von Vulkan (unserer Verleihfirma für das komplette Equipment) erwartet, der dann ausgeladen werden muß.
Oliver und Detlef sind die einzigen, die gerne in die Nürnberger City fahren würden. Wir anderen würden auch lieber hier bleiben und uns die Gegend um den Serenadenhof etwas genauer angucken. Nicht zuletzt lockt gleich nebenan das Nationalsozialismus-Museum. Also trennen sich unsere Wege.
Ich setze mich erst mal wieder in den Bus und schreibe am Tourtagebuch von gestern.

Strampeln für die Kultur!
Als ich irgendwann gerade zwischen Bus und Serenadenhof hin und her laufe, sehe ich jemanden auf einem Fahrrad ankommen. Ich hoffe den ganzen Tag schon, dass ich jemanden finden werde, der mir eine Weile sein Fahrrad leiht, denn ich würde mir die historische Umgebung des Serenadenhofs gerne noch ein wenig gründlicher Ansehen, aber so unendlich riesig, wie das hier alles ist, würde ich zu Fuß Stunden dazu brauchen...
Ich frage den Typ also, ob ich mir eine halbe Stunde sein Fahrrad leihen kann. Er wundert sich zwar etwas, schraubt mir dann aber den Sattel ein Stück tiefer, warnt mich, dass ich keinen Rücktritt habe und lässt mich losfahren.

Prunk-Bauten
Die Große Straße
Was ich in der nächsten halben Stunde sehe ist noch viel beeindruckender (und erschreckender), als ich erwartet hatte. Wie gesagt kenne ich Teile dieses Geländes von meinen Besuchen auf der Nürnberger Spielwarenmesse. Heute wird mir aber zum ersten Mal so richtig bewusst, wie unglaublich riesig das alle hier ist. Die Große Straße, die zu Messezeiten als riesiger Parkplatz dient, ist heute komplett Autoleer und kann das erste Mal in ihrer vollen gigantischen Dimension auf mich wirken.
Frankenstadion
Ich fahre die Große Straße bis zu ihrem Ende und dann in einem Bogen weiter zum Märzfeld. Das Märzfeld ist nicht mehr vollständig erhalten, aber die Tribüne, die so angelegt ist, dass sie Hitler richtig schön in Szene setzen könnte, steht noch. Schautafeln helfen, sich auszumalen, wie riesig auch dieses Bauwerk seinerzeit gewesen sein muß.
Ich brauche mehr als eine halbe Stunde um das ganze Areal zu umrunden – und eigentlich stehen hier nur drei oder vier Gebäude...
Grössenvergleich

Die große Kongresshalle...
... von außen...
... und von innen
Riesige Tribünen...
... am Rande des...
...Mai-Feldes

vom Prestige-Bau zum Mahnmal
Es ist sehr gut, dass diese Mahnmale des Nationalsozialismus auch heute noch erhalten sind, denn nur wenn man so etwas wirklich mal mit eigenen Augen sieht, können auch wir Nachkriegskinder noch die ganze Dimension des Schreckens, und das, was wir sonst nur aus Geschichtsbüchern kennen, begreifen.

Interessante & nützliche Infotafeln:

Museum vs. Tretboot vs. Biergarten
Dankend gebe ich das Fahrrad wieder ab und überlege gerade, ob ich mir jetzt auch noch das Museum angucken soll, als ich Steffen (Rabe von A.S.S. – derjenige, der ja die ganzen Termine gebucht hat) auf der Bühne stehen sehe! Wie nett!
Dann können wir den weiteren Nachmittag ja auch gemeinsam gestalten. „Ins Museum gehen? Auf dem See nebenan Tretboot fahren? Oder – auf der anderen Seite des Sees – in den Biergarten gehen und ein wenig chillen? Wir entscheiden uns fürs Chillen. Holger kommt auch mit, später gesellen sich auch noch Peter und der inzwischen aus der Stadt zurück gekommene Detlef zu uns.
 

Der Biergarten
Corinna
Detlef
Steffen und...
... Holger

Anreise mit Bus... und mit Bahn!
Erst kurz vor 17:00 Uhr – rechtzeitig zum Soundcheck – gehen wir alle wieder zurück.
Kerstin, Conde und die Vulkanier waren inzwischen sehr fleißig und alles steht bereit. Auch unsere Bahnreisenden kommen gerade an – dann kann’s ja losgehen.

Nach dem kurzen Soundcheck gibt’s für Oliver und Jens noch ein paar Pressetermine – Andreas kann leider nicht mit machen, weil er etwas im Hotel vergessen hat und noch mal zurück muss.

Beneath the remains
 
Der Hirsch von außen
Während die Jungs und Frauke Soundcheck machen, machen Holger, Steffen und ich noch einen kleinen Ausflug. Wir setzen uns zu Peter – einem der örtlichen Veranstalter – ins Auto und fahren in den nahegelegenen Hirsch, wo heute Abend Sepultura auftreten werden. Nur mal so zum Gucken. Steffen war noch nie dort, uns wenn man Booker ist (also Veranstaltungsorte für Bands bucht) macht es ja schon Sinn, wenn man die Hallen, in die man die Bands schickt, mal persönlich in Augenschein genommen hat.
Der Hirsch von innen

über die Mentalität der Franken
Wieder zurück im Serenadenhof und kurz vor Beginn der Show werde ich gebeten, eine Ansage zu machen und die Leute zu bitten, auf die teilweise in der Mitte der Reihen noch freien Plätze aufzurücken. Wir sind auch heute wieder komplett ausverkauft, so dass jeder Stuhl gebraucht wird und nicht nur als Jackenablageplatz genutzt werden kann. Die Reaktion, die ich für diese Ansage von den Nürnbergern bekomme, ist etwas erschreckend.... Normalerweise ist „unser“ Publikum so erwartungs-gespannt, dass jeder, der nur einen einzigen Schritt auf die Bühne tobt, von donnerndem Applaus empfangen wird. Heute hingegen ernte ich für meine Ansage nur ein 1.000-kehliges unwilliges Brummen. Nanu? War das denn so schlimm, was ich da gerade gesagt habe?!
Auch hinter der Bühne sind alle über diese Reaktion verwundert. Was ist hier los?! Haben die keine Lust auf die Show? Kerstin – selbst aus der weiteren Umgebung von Nürnberg stammend – nimmt uns die Sorge: „Das sind Franken – die brauchen manchmal eine Weile, bis sie richtig in Schwung kommen...“.
Na, dann man los!

ansteigende Stimmungskurve
Der erste Teil der Show ist dann wirklich – von der Publikumsreaktion her – ziemlich verhalten. Kleine Lacher, mal ein bisschen Applaus, aber bei weitem nicht die tobende Menge, die die Drei ??? sonst in aller Regel vor sich haben.
 

Kerstin
Frauke
Hitchcock
Peter

Erst nach der Hälfte der Show kommen die Franken so richtig in Schwung!
Das ist kein Wunder, denn auch auf der Bühne herrscht mittlerweile so richtig Stimmung. Keine kann so genau sagen, woran es liegt, aber besonders Andreas und Oliver bringen sich permanent gegenseitig aus dem Konzept und zum Lachen!!! Aber auch Frauke, Jens und Joachim stehen den beiden nicht nach! Manche Szenen, die normalerweise keine Minute dauern, dauern heute 5 – 10 Minuten, bis sich endlich alle wieder so weit im Griff haben, dass sie weiter spielen können!
Manchmal genügt ein einziges Wort, um schon wieder alles umzuschmeißen... Wunderbar!!!

Besuch in der Garderobe
Nach der Show gibt’s für uns Backstage dann noch ein warmes und recht leckeres Abendessen.
Wir warten, bis Kerstin, Conde und die Vulkanier alles Equipment wieder verstaut haben und haben noch eine kleine Diskussion mit dem einzigen Securitymenschen, der noch hier ist und irgendwann eine kleine Horde von 40 – 50 Fans einfach zu uns in die Garderobe lässt. So ist das ganz sicher nicht gedacht...
 

Merkwürdeige Namen
haben die Heizungen hier!
und die letzte Nacht im Bus
Gegen Mitternacht klettern wir alle wieder in unseren Bus und es geht – traurig aber wahr – ein letztes Mal im Nightliner weiter geht’s Richtung Salzgitter...
Kerstin & Corinna
in sepia

 

Stay tuned,
Corinna.

PS. Ich warne schon mal vor: Es kann ein paar Tage dauern, bis ich über den heutigen Tag und die letzte Show in Salzgitter etwas werde schreiben können. Ich fahre morgen nicht gleich zurück nach Hamburg, sondern habe diese Woche Urlaub und fahre erst mal zu meiner besten Freundin Katharina nach Berlin – ob ich dort dazu kommen werde, gleich etwas zu schreiben, kann ich noch nicht versprechen... Also: Geduld, bitte!